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Forum selbstbestimmter Assistenz behinderter Menschen e.V.


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Arbeitssituation in der Persönlichen Assistenz und Tarifverträge

Forum 4
Arbeitssituation in der Persönlichen Assistenz und Tarifverträge

Auf dem Podium: Dr.Corina Zolle (ZsL Mainz, Hans-Christian Kutzner (Fachanwalt für Arbeitsrecht, Mainz) und Joachim Steinbrück (Richter am Arbeitsgericht Bremen)Auf dem Podium: Dr.Corina Zolle (ZsL Mainz, Hans-Christian Kutzner (Fachanwalt für Arbeitsrecht, Mainz) und Joachim Steinbrück (Richter am Arbeitsgericht Bremen)

Thesen zu diesem Forum

Bericht zum Forum 4

Vorbemerkung

Das Forum, zu dem ein Thesenpapier vorlag, wurde geleitet von Dr. Corina Zolle (ZSL Mainz), Referenten waren der Bremer Arbeitsrichter Joachim Steinbrück und der Mainzer Fachanwalt für Arbeitsrecht Hans-Christian Kutzner. Knapp 20 Personen nahmen am Forum 4 teil, zur einen Hälfte AssistentInnen, zur anderen Hälfte behinderte ArbeitgeberInnen beziehungsweise LeiterInnen von ambulanten Diensten.

Die Diskussion im Forum war stark von juristischen Aspekten geprägt, da die derzeitige Gesetzeslage recht komplex ist. Etwa eineinhalb Stunden wurde im Forum über Fragen von „Blockarbeitszeit/Tariflöhnen" gesprochen und rund 30 Minuten über Einzelfragen der Arbeitssituation.

Teil 1: Blockarbeitszeit/Tariflöhne

Behinderte Menschen, die in großem Umfang auf Assistenz angewiesen sind, legen großen Wert darauf, dass innerhalb eines Tages möglichst wenige Wechsel der AssistentInnen stattfinden. Deshalb werden AssistentInnen gerne in sogenannten „Blockarbeitszeiten" beschäftigt. Das Problem besteht darin, dass die bislang praktizierten Modell häufig in einer rechtlichen Grauzone angesiedelt sind. Auf der einen Seite werden diese Modelle als eine Art „Sklavenhaltermentalität" kritisiert, auf der anderen Seite stoßen sie bei den Beschäftigten häufig auf großen Zuspruch, da eine flexible Zeiteinteilung möglich ist.

Zum rechtlichen Hintergrund: Zunächst einmal gilt das deutsche Arbeitszeitgesetz, in dem nach vier Formen der „Arbeit" unterschieden wird: Vollarbeit, Arbeitsbereitschaft, Bereitschaftsdienst und Rufbereitschaft. Bislang war es durch eine geschickte Kombination von Vollarbeit und Bereitschaftsdiensten möglich und legal, Blöcke von bis zu 48 Std./Woche ohne Ausgleichszeiten (oder auch bis zu 60 Std./Woche bei entsprechenden Ausgleichszeiten innerhalb von sechs Monaten) zu erzielen und dabei auch die vorgeschriebenen Ruhezeiten einzuhalten.

Im Herbst 2002 gab es jedoch ein Urteil des Europäischen Gerichtshofes (EuGH), das sich auf den Bereitschaftsdienst von ÄrztInnen in Krankenhäusern bezog und in dem festgestellt wurde, dass „Bereitschaftsdienst" auch als „Vollarbeit" gilt. Dieses Urteil fußt auf einer EG-Richtlinie, die es bereits seit zehn Jahren gibt, die aber noch nicht in deutsches Recht umgesetzt worden ist. Legt man nun das EuGH-Urteil für die rechtliche Bewertung der Blockarbeitszeiten zugrunde, so würden die bestehenden Modelle in die Illegalität abgleiten.

Auf längere Sicht ist damit zu rechnen, dass sich Änderungen im Arbeitszeitgesetz ergeben werden, somit besteht Handlungsbedarf für behinderte ArbeitgeberInnen.

In der Diskussion im Forum wurden dann drei Möglichkeiten aufgezeigt, was man/frau tun könnte:

1.) Ausnahmeregelung

Es wäre denkbar, sogenannte „Ausnahmeregelungen" im Arbeitszeitgesetz zu schaffen. „Heimarbeitsverhältnisse" etwa fallen auch nicht unter dieses Gesetz, gelten aber auch nur für Personen, die in „häuslicher Gemeinschaft" leben – und wer will schon alle seine/ihre AssistentInnen adoptieren? Frage: Ist eine vergleichbare Ausnahmeregelung politisch durchsetzbar?

2.) Tarifverträge

Es wäre denkbar, bundesweit geltende „Tarifverträge" zu schaffen, in denen die Art der Tätigkeit, der zeitliche Umfang und die Frage der Entlohnung geregelt werden. PartnerInnen bei einer solchen Tarifvereinbarung wären auf der einen Seite ArbeitgeberInnenverbände wie ForseA oder der VbA, auf der anderen Seite die Gewerkschaften, etwa ver.di. Frage: Wie realistisch ist es, die Gewerkschaft von der Dringlichkeit weitreichender und bedarfsdeckender Assistenzregelungen zu überzeugen?

3.) Ausnahmegenehmigungen

Es wäre denkbar, „Ausnahmegenehmigungen" bei den örtlichen Gewerbeaufsichtsämtern für die bestehenden Modelle zu beantragen. Frage: Kann man jeder/jedem behinderten ArbeitgeberIn und jedem einzelnen Dienst zumuten, eine zeitlich befristete Ausnahmegenehmigung zu beantragen und ist es sinnvoll, eine Behörde auf eine Grauzone aufmerksam zu machen?

Fazit:

Angesichts der Tatsache, dass einerseits bundeseinheitliche Regelungen sinnvoll sind, die Gewerkschaften aber andererseits noch nicht in die Assistenz-Diskussion eingebunden sind, wurde die Gründung einer Arbeitsgruppe vorgeschlagen. Diese AG sollte „Allgemeine Richtlinien und Empfehlungen" ausarbeiten und von den interessierten Verbänden der Selbstbestimmt-Leben-Bewegung sowie interessierten Einzelpersonen repräsentiert werden. Solche „Allgemeine Richtlinien" könnten die Diskussion innerhalb der behinderten ArbeitgeberInnen vereinheitlichen und Vorläufercharakter für eventuell spätere Tarifvereinbarungen haben. Die AG könnte sich zunächst modellhaft auf das Bundesland Rheinland-Pfalz beschränken, da dort bereits einige Erfahrung vorliegt. Anschließend könnten solche Richtlinien auf das ganze Bundesgebiet übertragen werden.


Publikum im Forum 4 Teil 2: Einzelfragen

In diesem Teil des Forum wurde diskutiert, was zu tun ist, wenn behinderte ArbeitgeberInnen nicht die Kernkompetenzen aufweisen, die generell für persönliche Assistenz festgelegt sind. Wie kann damit umgegangen werden, wenn der/die AssistenznehmerIn ein Kind ist oder unter Betreuung steht oder wenn er/sie behinderungsbedingt diese Kernkompetenzen verliert? Es wurde das Beispiel einer körperbehinderten Frau genannt, die zudem leichte Lernschwierigkeiten hat. Hier bestand die Lösung in der Schaffung einer „AssistenzmanagerIn", einer Unterstützungsperson, die die Arbeitgeberin bei der Durchführung des ArbeitgeberInnenmodells unterstützt. Ein weiteres Beispiel bestand darin, was zu tun sei, wenn es sich um eine/n ArbeitgeberIn handelt, die/der unter gesetzlicher Betreuung steht. Hier wurde als Lösung die Schaffung einer „Unterstützungsvereinbarung" angeregt, die genau festlegt, wie die Assistenz zu erfolgen hat. Kritisch wurde jedoch auch gefragt, inwieweit das ArbeitgeberInnenmodell diesem Betroffenenkreis eine wirkliche Hilfe sein kann. Für behinderte Kinder wurden keine Beispiele genannt.

Zum Schluss der Diskussion in diesem Forum wurden dann noch weitere Einzelfragen angesprochen, die sich mit Problemen der Lohnfortzahlung oder des Kündigungsschutzes befassten. Damit wurde noch einmal deutlich, dass es für die Erarbeitung von bundesweit einheitlichen „Richtlinien und Empfehlungen" höchste Zeit wird.

Berichterstatter: H.- Günter Heiden, JoB.-Medienbüro (Berlin)

Berlin, den 5. Mai 2003

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