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Macht Arbeit frei? - Oder die unendliche Geschichte des Peter Straub

Archiv - INFORUM 4/1999

Macht Arbeit frei?

oder

Die unendliche Geschichte des Peter Straub

Für alle „NeuleserInnen", die Peter Straubs Kampf um ein selbstbestimmtes Leben in Freiheit noch nicht kennen, vorab eine Zusammenfassung:

Unser Mitglied, der 29jährige Peter Straub, wurde mit einer spastischen Lähmung, verbunden mit Sprachproblemen und stark sehbehindert geboren. Nach etlichen Jahren in einem Heim kämpfte er sich daraus frei. Mit Zivis als Assistenten zog er in eine Mietwohnung in Sigmaringen. Da er sich eine Ausbildung zum Bürokaufmann erkämpft und diese erfolgreich absolviert hatte, arbeitete er eine zeitlang bei einem ambulanten Dienst in seinem Beruf.

Mit den Assistenzleistungen der Zivis war er auf Dauer nicht zufrieden. Manche erschienen zu spät, andere gar nicht zum Dienst. Außerdem war die Nachfolge von Zivis nach Beendigung der jeweiligen Dienstzeiten nicht kontinuierlich gesichert. Der verantwortliche ambulante Dienst konnte nicht genug Zivis finden. Daher saß Peter mehrfach ohne die dringend notwendigen Hilfeleistungen vollkommen unterversorgt allein zu Hause.

Daher entschloss er sich, seinen Assistenzbedarf durch das Arbeitgebermodell zu sichern. Als er vor knapp drei Jahren in eine, für ihn von seinen Eltern barrierefrei umgebaute Eigentumswohnung nach Weingarten zog, begannen seine Probleme: Das nun zuständige Sozialamt in Ravensburg verweigerte die Kostenübernahme (ca. 11.000 DM monatlich) für die Assistenten. Peter legte Widerspruch und nach Ablehnung schließlich Klage beim Verwaltungsgericht Sigmaringen ein.

Die einzelnen Schritte des Verfahrens, das mittlerweile durch acht Unterakten zu einem riesigen Verwaltungsakt angewachsen ist zu schildern, würde ein eigenes INFORUM füllen. Peter hangelt sich nun schon seit Monaten von einstweiliger Anordnung zu einstweiliger Anordnung durch.

Nun zur gegenwärtigen Situation: Das Sozialamt Ravensburg ist der Meinung, Peter sei das Leben in einer Anstalt und die Arbeit in einer WfB gegen seinen Willen zuzumuten, wenn die ambulanten Assistenzkosten unverhältnismäßig hoch gegenüber der Unterbringung in einer Anstalt seien. Das Sozialamt kehrt dabei ein Urteil des VGH Mannheim um, das besagt, wer einer Berufstätigkeit nachgehe, kann regelmäßig nicht auf eine Anstalt verwiesen werden.

Nun hatte Peter die Aussicht auf einen Arbeitsplatz auf dem 1. Arbeitsmarkt bei einem Integrationsfachdienst in Ulm nach einer vorhergehenden vierwöchigen Probezeit. Dazu hätte er jedoch einen PC mit spezieller Software benötigt. Das zuständige Arbeitsamt zog mit der Begründung, gegen ein anderes Arbeitsamt sei noch ein Verfahren anhängig, die mündliche Zusage für die notwendigen Hilfsmittel plötzlich zurück.

Ebenso plötzlich erklärte der Intergrationsfachdienst, Peter nur einstellen zu können, wenn er seinen Assistenten kündigen würde. Der Fachdienst würde diese dann selbst für ihn einstellen und ihm für rund 23.000 DM monatlich zur Verfügung stellen. Das Sozialamt will schon die ca. 11.000 DM nicht zahlen. Eine Übernahme von 23.000 DM ist da vollkommen illusorisch.

Bei einer Gerichtsverhandlung im Juli in Sigmaringen machte das Gericht Peter nochmals darauf aufmerksam, dass mit einer Berufstätigkeit seine Probleme beseitigt seinen. Andernfalls „....müssen Sie sich mit dem Gedanken anfreunden, Besitzstände aufzugeben..." Gleichzeitig machte das Gericht dem Sozialamt zur Auflage, mindestens baden-württembergweit (was laut Sozialhilferichtlinien Ba-Wue zu §3 BSHG 3.01 mit Verweis auf ein Urteil des BverwG vom 22.1.87 [NDV 1987,295] rechtswidrig ist) nach einer geeigneten Anstalt mit adäquatem Arbeitsplatz zu suchen.

Zunächst war die Behörde untätig, um dann sieben Anschriften von Anstalten vorzuweisen. Peter bekam vom Gericht die Auflage, zu prüfen, ob davon eine geeignet sei. Peter, der durch die ungeheure Belastung des Verfahrens psychisch und physisch stark beeinträchtigt ist, sollte also hunderte von Kilometern weit durchs Land reisen, um seine eigene Aussonderungseinrichtung auszusuchen. Und schon bei schriftlichen und mündlichen Recherchen seines Anwaltes stellte sich sehr schnell heraus, dass die Behörde irgendwelche Anstalten ausgesucht hatte, ohne dass jeweils – wie es der Gesetzgeber verlangt - ein konkreter Platz zur Verfügung gestanden hätte.

Als „Alternative" forderte das Gericht Peter auf, sich innerhalb von acht Wochen mit dem Gedanken an eine Wohngemeinschaft, bei der sich mehrere behinderte Menschen die Assistenten teilen, vertraut zu machen, sowie eine geeignete Wohnung und Mitbewohner zu suchen. Das ganze hätte für Peter die weitgehende Aufgabe seines selbstbestimmten Lebens bedeutet. Die WG könnte man mit dem Leben in einem Kleinstheim vergleichen.

Gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts hat Peters Anwalt nun einen Antrag auf Zulassung der Beschwerde beim VHG Mannheim gestellt. Für Peter ist die ständige Angst um seine Zukunft unerträglich. Dieses Leben von einer engbegrenzten Kostenzusage zur nächsten, von einer einstweiligen Anordnung zur nächsten, hält kaum ein Mensch aus.

Seine Situation konnte hier nur unvollkommen dargestellt werden. Besonders erschreckend im „Fall Peter Straub" ist die Tatsache, dass alleine die Berufstätigkeit für die Behörde ausschlaggebend ist, Peters Leben in Freiheit zu ermöglichen. Sollte tatsächlich nur Arbeit frei machen bzw. halten? Sollen alle, die nicht mehr arbeiten können, sei es aufgrund persönlicher Umstände oder der desolaten Arbeitsmarktssituation, künftig einfach gegen ihren erklärten Willen aus der Gesellschaft entfernt und in eine Anstalt zwangseingewiesen werden?

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