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Persönliches Budget - Mittel zur Selbstbestimmung

Archiv - INFORUM 2/2000

Persönliches Budget
Mittel zur Selbstbestimmung?

von Elke Bartz

Viele reden davon, manche wollen es, andere fürchten es: das persönliche Budget. Nicht mehr Objekt der Fürsorge sein, hinter dessen Rücken Kostenträger und Leistungserbringer Pflegesätze aushandeln und als Sachleistungen verrechnen, lautet eine Forderung assistenznehmender Menschen. Mit Finanzmitteln, die bedarfsdeckend zur Verfügung gestellt werden, nach eigenem Gutdünken Leistungen einkaufen können, bedeutet mehr Freiheit und Selbstbestimmung.

Der Gesetzgeber, aber auch die Verwaltung hat begonnen, nachzudenken, welche Möglichkeiten es dazu gibt. Als Schlagwort ist der Begriff des Persönlichen Budgets dabei herausgekommen. In Rheinland-Pfalz sollte es zunächst Menschen mit sogenannten geistigen Behinderungen zur Verfügung stehen und in erster Linie die Eingliederungshilfe ersetzen. Auch Hamburg arbeitet daran. Und in Baden Württemberg wurde erstmals am Tag der Behinderten im Parlament öffentlich darüber diskutiert.

Eines wird deutlich: Es gibt kein einheitliches Konzept und vor allem - siehe insbesondere beim Beispiel Rheinland-Pfalz - drängt sich der Verdacht eines reinen Kosteneinsparungsmodells auf. Dort sind drei Stufen in den Leistungshöhen der Pflegeversicherung angedacht. Doch wer kann sich schon rund um die Uhr Hilfe für 2600 DM (Pflegeversicherung plus Persönliches Budget) einkaufen?

In allen Bundesländern wird von einer Einteilung in verschiedene Stufen als Bedarfsdeckung diskutiert. Das kann nur zu Ungerechtigkeiten führen. Selbst bei acht Stufen gäbe es für viele Bedarfslücken, denn mit einer Überversorgung kann wohl kaum jemand rechnen. Warum nicht das Grundprinzip der individuellen Bedarfsdeckung wie im BSHG beibehalten? Der Tag hat überall 24 Stunden. Das heißt, Hilfebedarfe können rechnerisch zwischen einer Minute und 24 Stunden betragen. Laut BSHG muss jeder anerkannte Bedarf gedeckt werden, gleichgültig welchen Umfang er hat. Unter diesem Aspekt gibt es kein effektiveres und besseres Gesetz als das BSHG.

Knackpunkte sind also nicht die Bedarfsdeckung, sondern der Umgang der Verwaltung mit dem BSHG bzw. mit den eingehenden Anträgen. Die Behörden versuchen die Kostenübernahmen häufig zu verweigern, indem sie bestehende Bedarfe schlichtweg nicht anerkennen (siehe Text Isolde und Elke Hauschild).
Der zweite Knackpunkt ist natürlich die Nachrangigkeit der BSHG-Leistungen, denn zunächst müssen AntragstellerInnen ihr eigenes Einkommen und Vermögen sofern diese bestimmte Freibeträge übersteigen, einsetzen. Es mag nachvollziehbar sein, dass ein Millionär seine Assistenzkosten ohne Einbuße der Lebensqualität selbst finanzieren kann. Nicht nachvollziehbar ist hingegen, dass die Einkommens- und Vermögensfreibeträge so niedrig sind, dass assistenznehmende Menschen und ihre unterhaltspflichtigen Angehörigen zeit ihres Lebens auf Höhe der Sozialhilfesätze leben müssen, nur weil sie den Nachteilsausgleich der Assistenzleistung in Anspruch nehmen.

Eine Herausnahme der Hilfe zur Pflege und der Eingliederungshilfe aus dem BSHG in das neue SGB IX, oder zumindest eine drastische Anhebung der Einkommens- und Vermögensfreibeträge würde den Belangen assistenznehmender Menschen besser Rechnung tragen als das Persönliche Budget, wenn dieses nicht die tatsächlichen Bedarfe anerkennt und deckt. Dies gilt insbesondere, wenn die Leistungen des Persönlichen Budgets so weit gestaffelt sind wie in Rheinland-Pfalz beabsichtigt.

Dass es auch im BSHG gesetzlich machbar ist, das Nachrangigkeitsprinzip auszuhebeln beweißt zum einen § 69c, der besagt, dass Pflegebedürftige, die ihre Pflege selbst sicherstellen nicht auf die (vorrangigen) Sachleistungen der Pflegeversicherung verwiesen werden dürfen. Die Kostenträger müssen die Inanspruchnahme der niedrigeren Geldleistungen akzeptieren, da behinderte ArbeitgeberInnen nicht berechtigt sind, die Sachleistungen der Pflegeversicherung zu beziehen.

Auch bei der Schwangerschaftsberatung müssen betroffene Frauen, die nicht über eigenes Einkommen verfügen, keine Einkommensnachweise ihres unterhaltsverpflichteten Ehemannes oder Partners, mit dem sie in eheähnlicher Gemeinschaft leben, vorweisen. Damit wollte der Gesetzgeber Frauen, die von einem anderen als von ihrem Lebenspartner schwanger sind und Beratung in Anspruch nehmen wollen, vor unzumutbaren Problemen schützen.

So gut der Begriff Persönliches Budget klingt, so groß sind die Gefahren aber auch der Chancen, die mit der Einführung des Budgets verbunden sind. Es muss möglich sein, zwischen verschiedenen Arten der Bedarfsdeckung wählen zu können, sei es im Rahmen des Arbeitgebermodells, Inanspruchnahme ambulanter Anbieter, doch aber, bei ausdrücklichem Willen in teil- oder vollstationären Einrichtungen. Da wohl kaum Persönliche Budgets angedacht werden, die sich an den höchstmöglichen Kosten professioneller Anbieter orientieren, kann es nur bedeuten, dass alle den niedrigsten Kostensatz als Pauschale erhalten. Diejenigen, die jedoch eine kostenintensivere Hilfeform benötigen, könnten diese damit nicht finanzieren. Auch ein Persönliches Budget im mittleren Rahmen (das jedoch wohl kaum zu erwarten ist) hieße für diejenigen, die den Bedarf kostengünstig decken können, über eine Überversorgung zu verfügen, für die anderen wäre es mit einer Unterversorgung verbunden, und nur wenigen wäre eine realistische, tatsächliche Bedarfsdeckung möglich.

Momentan bleibt also wirklich nur die Frage, ob das Persönliche Budget wirklich eine Verbesserung der Situation der assistenznehmenden Menschen mit sich bringt oder lediglich ein "schön verpacktes" Sparmodell für Kostenträger bedeutet. Wie negativ sich "hervorragende" Gesetze auswirken können, haben wir mit Einführung der Pflegeversicherung hinreichend zu spüren bekommen.

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