Persönliches Budget
Mittel zur Selbstbestimmung?
von Elke Bartz
Viele reden davon, manche wollen es, andere fürchten es: das persönliche
Budget. Nicht mehr Objekt der Fürsorge sein, hinter dessen Rücken
Kostenträger und Leistungserbringer Pflegesätze aushandeln
und als Sachleistungen verrechnen, lautet eine Forderung assistenznehmender
Menschen. Mit Finanzmitteln, die bedarfsdeckend zur Verfügung gestellt
werden, nach eigenem Gutdünken Leistungen einkaufen können,
bedeutet mehr Freiheit und Selbstbestimmung.
Der Gesetzgeber, aber auch die Verwaltung hat begonnen, nachzudenken,
welche Möglichkeiten es dazu gibt. Als Schlagwort ist der Begriff
des Persönlichen Budgets dabei herausgekommen. In Rheinland-Pfalz
sollte es zunächst Menschen mit sogenannten geistigen Behinderungen
zur Verfügung stehen und in erster Linie die Eingliederungshilfe
ersetzen. Auch Hamburg arbeitet daran. Und in Baden Württemberg
wurde erstmals am Tag der Behinderten im Parlament öffentlich darüber
diskutiert.
Eines wird deutlich: Es gibt kein einheitliches Konzept und vor allem
- siehe insbesondere beim Beispiel Rheinland-Pfalz - drängt sich
der Verdacht eines reinen Kosteneinsparungsmodells auf. Dort sind drei
Stufen in den Leistungshöhen der Pflegeversicherung angedacht.
Doch wer kann sich schon rund um die Uhr Hilfe für 2600 DM (Pflegeversicherung
plus Persönliches Budget) einkaufen?
In allen Bundesländern wird von einer Einteilung in verschiedene
Stufen als Bedarfsdeckung diskutiert. Das kann nur zu Ungerechtigkeiten
führen. Selbst bei acht Stufen gäbe es für viele Bedarfslücken,
denn mit einer Ãœberversorgung kann wohl kaum jemand rechnen. Warum
nicht das Grundprinzip der individuellen Bedarfsdeckung wie im BSHG
beibehalten? Der Tag hat überall 24 Stunden. Das heißt, Hilfebedarfe
können rechnerisch zwischen einer Minute und 24 Stunden betragen.
Laut BSHG muss jeder anerkannte Bedarf gedeckt werden, gleichgültig
welchen Umfang er hat. Unter diesem Aspekt gibt es kein effektiveres
und besseres Gesetz als das BSHG.
Knackpunkte sind also nicht die Bedarfsdeckung, sondern der Umgang der
Verwaltung mit dem BSHG bzw. mit den eingehenden Anträgen. Die
Behörden versuchen die Kostenübernahmen häufig zu verweigern,
indem sie bestehende Bedarfe schlichtweg nicht anerkennen (siehe Text
Isolde und Elke Hauschild).
Der zweite Knackpunkt ist natürlich die Nachrangigkeit der BSHG-Leistungen,
denn zunächst müssen AntragstellerInnen ihr eigenes Einkommen
und Vermögen sofern diese bestimmte Freibeträge übersteigen,
einsetzen. Es mag nachvollziehbar sein, dass ein Millionär seine
Assistenzkosten ohne Einbuße der Lebensqualität selbst finanzieren
kann. Nicht nachvollziehbar ist hingegen, dass die Einkommens- und Vermögensfreibeträge
so niedrig sind, dass assistenznehmende Menschen und ihre unterhaltspflichtigen
Angehörigen zeit ihres Lebens auf Höhe der Sozialhilfesätze
leben müssen, nur weil sie den Nachteilsausgleich der Assistenzleistung
in Anspruch nehmen.
Eine Herausnahme der Hilfe zur Pflege und der Eingliederungshilfe aus
dem BSHG in das neue SGB IX, oder zumindest eine drastische Anhebung
der Einkommens- und Vermögensfreibeträge würde den Belangen
assistenznehmender Menschen besser Rechnung tragen als das Persönliche
Budget, wenn dieses nicht die tatsächlichen Bedarfe anerkennt und
deckt. Dies gilt insbesondere, wenn die Leistungen des Persönlichen
Budgets so weit gestaffelt sind wie in Rheinland-Pfalz beabsichtigt.
Dass es auch im BSHG gesetzlich machbar ist, das Nachrangigkeitsprinzip
auszuhebeln beweißt zum einen § 69c, der besagt, dass Pflegebedürftige,
die ihre Pflege selbst sicherstellen nicht auf die (vorrangigen) Sachleistungen
der Pflegeversicherung verwiesen werden dürfen. Die Kostenträger
müssen die Inanspruchnahme der niedrigeren Geldleistungen akzeptieren,
da behinderte ArbeitgeberInnen nicht berechtigt sind, die Sachleistungen
der Pflegeversicherung zu beziehen.
Auch bei der Schwangerschaftsberatung müssen betroffene Frauen,
die nicht über eigenes Einkommen verfügen, keine Einkommensnachweise
ihres unterhaltsverpflichteten Ehemannes oder Partners, mit dem sie
in eheähnlicher Gemeinschaft leben, vorweisen. Damit wollte der
Gesetzgeber Frauen, die von einem anderen als von ihrem Lebenspartner
schwanger sind und Beratung in Anspruch nehmen wollen, vor unzumutbaren
Problemen schützen.
So gut der Begriff Persönliches Budget klingt, so groß sind
die Gefahren aber auch der Chancen, die mit der Einführung des
Budgets verbunden sind. Es muss möglich sein, zwischen verschiedenen
Arten der Bedarfsdeckung wählen zu können, sei es im Rahmen
des Arbeitgebermodells, Inanspruchnahme ambulanter Anbieter, doch aber,
bei ausdrücklichem Willen in teil- oder vollstationären Einrichtungen.
Da wohl kaum Persönliche Budgets angedacht werden, die sich an
den höchstmöglichen Kosten professioneller Anbieter orientieren,
kann es nur bedeuten, dass alle den niedrigsten Kostensatz als Pauschale
erhalten. Diejenigen, die jedoch eine kostenintensivere Hilfeform benötigen,
könnten diese damit nicht finanzieren. Auch ein Persönliches
Budget im mittleren Rahmen (das jedoch wohl kaum zu erwarten ist) hieße
für diejenigen, die den Bedarf kostengünstig decken können,
über eine Überversorgung zu verfügen, für die anderen
wäre es mit einer Unterversorgung verbunden, und nur wenigen wäre
eine realistische, tatsächliche Bedarfsdeckung möglich.
Momentan bleibt also wirklich nur die Frage, ob das Persönliche
Budget wirklich eine Verbesserung der Situation der assistenznehmenden
Menschen mit sich bringt oder lediglich ein "schön verpacktes"
Sparmodell für Kostenträger bedeutet. Wie negativ sich "hervorragende"
Gesetze auswirken können, haben wir mit Einführung der Pflegeversicherung
hinreichend zu spüren bekommen.