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Qualitätssicherung in der Pflege

Archiv - INFORUM 4/2000

Statement unseres Vorstandsmitgliedes Bianka Becker, Jülich
anlässlich der Podiumsdiskussion REHA-Care 2000

Qualitätssicherung in der Pflege

... ein Begriff, der z.Zt. und in der sozialen Entwicklung immer stärker an Bedeutung gewinnt, insbesondere wenn wir über Strukturen in den bestehenden ambulanten, teilstationären und stationären Einrichtungen reden, reflektieren und über neue Perspektiven für betroffene Menschen nachdenken.

Komplementäre Hilfen, Familienunterstützende Dienste, Netzwerke verschiedener Unterstützungsdienste... etc. Begriffe, mit denen Menschen mit Behinderung, Pflegebedürftige und deren Angehörige in Beratungsstellen oft mundtot geredet werden. Was Menschen häufig bleibt, ist, sich abzufinden mit dem Entzug von Bürgerrechten (GG), eigenen Bedürfnissen, Wünschen, Interessen und Zielen.

Die bestehenden Standards, die Träger von Einrichtungen lt. Gesetz erfüllen müssen, haben wenig gemein mit den o.g. Bedürfnissen von Menschen, die auf Unterstützungsdienste und andere Hilfestellungen angewiesen sind.

Menschen mit Behinderung (dazu zähle ich jetzt auch einmal die Pflegebedürftigen mit ihren eigenen speziellen und sehr unterschiedlichen Hilfebedarfen) sind in Ihrem Alltag in hohem Maße damit konfrontiert, ihre umfassenden Beeinträchtigungen zu bewältigen. Das Unterstützungsangebot bzw. Dienstleistungsangebot in unserer Gesellschaft ist jedoch nicht bedarfsorientiert, d.h. an den individuellen Bedürfnissen, Wünschen, Zielen und Fähigkeiten orientiert, sondern richtet sich vielmehr und überwiegend an einem Menschenbild, das einem Produkt gleicht. Der Mensch als Objekt wird zum Produkt, das vermarktet wird.

Iris Beck hat sehr eindringlich ausgedrückt: „Aufgabe derSozialpolitik ist es, auf besondere benachteiligte Lebenslagen mit Hilfen zu reagieren, dem individuellen Bedarf entsprechen und an den Folgen der Behinderung für die Lebensführung orientiert sind. Über die Rahmenbedingungen muss entsprechend mehr als eine reine Existenzsicherung erfolgen, nämlich Interessensberücksichtigung, die Chance der gleichberechtigten Teilhabe am gesellschaftlichen Leben, Eröffnung von Bewältigungs- und Gestaltungsmöglichkeiten, Selbsthilfeförderung."

Im Grunde ist dies in unserem Grundgesetz und anderen Sozialgesetzen durchaus erkennbar, jedoch scheitert es an der Umsetzung, da sich die Strukturen z.B. von Einrichtungen und ambulanten Diensten meist an einer Bestimmung von Qualität der Angebote und Leistungen orientieren. Dies kann aber nur dann sinnvoll und effektiv sein, wenn es im Sinne des betroffenen behinderten oder pflegebedürftigen Menschen geschieht. Angebote und Leistungen müssen daher bedarfsorientiert sein und zur Konsequenz haben, dass sich der Betroffene in seinem Leben wohl fühlt und seiner Selbstbestimmung nicht strukturell und systematisch beraubt wird.

In meiner Arbeit in verschiedenen Gremien habe ich immer wieder die Erfahrung machen müssen, dass die Diskussion um und über qualitative Weiterentwicklung im Bereich Pflege einseitig interessenorientiert geführt wird und zwar von Träger- und Finanzierungsseite. Obwohl zum Beispiel das Landespflegegesetz NRW in § 1 (Ziel) ausdrücklich betont, dass sich die Struktur an den Bedürfnissen der Pflegebedürftigen orientieren und in kleinen, überschaubaren und stadtteilbezogenen Formen unter Beachtung der Grundsätze der Qualitätssicherung und der Wirtschaftlichkeit entwickeln soll, bleibt die Praxiserfahrung, dass der Aspekt der Wirtschaftlichkeit einen enormen Diskussionsstellenwert einnimmt, der umgesetzt wird. Einen Konsens zu erarbeiten und gemeinsam zu vertreten, was die Bedürfnisse der Betroffenen ausmacht und darstellt, ist bisher nur sehr unzureichend gelungen.

Obwohl die Medien „Pflegekonferenzen" delegiert sind, diese Aufgabe wahrzunehmen, ist es nicht erkennbar, dass eine Interessenvertretung im Sinne der Betroffenen erzielt bzw. angestrebt wird, auch wenn viele, wenn nicht die meisten Mitglieder in diesen Gremien dies ausdrücklich vertreten.

In § 2 Absatz 2 des Landespflegegesetzes NRW heißt es z.B. ebenfalls: Aufgabe der Pflegekonferenzen ist die Mitwirkung bei der Sicherung der qualitativen Weiterentwicklung der pflegerischen Angebotsstruktur einschließlich der komplementären Hilfen. Dies setzt die frühzeitige Information über Förderabsichten des örtlichen oder überörtlichen Trägers der Sozialhilfe voraus.

Allgemeine Erfahrungsberichte der Heimaufsicht sind regelmäßig in die Beratungen einzubeziehen.

Dies bedeutet, dass die Sozialhilfeträger mit ihren Interessen im Vordergrund der Entwicklung stehen und nicht die Betroffenen! Stellt man das Bundessozialhilferecht gegenüber, welches die Einzelfallentscheidung zulässt, bleibt am Ende: Jeder Betroffene, ob Behinderter oder Pflegebedürftiger muss sich seine Lebensqualität selbst erkämpfen, notfalls vor Gericht! Der § 3 und § 3 a sind hier die ausschlaggebenden Handlungs- und Entscheidungsgrundlagen der Sachbearbeiter und deren Trägerinteresse.

Die anstehende Diskussion über Lebensqualität und deren zugebilligter Lebensstandard bleibt wiederum in der Entscheidungsgewalt der Kostenträger.
In Pkt.1.6 in: Die Lage der Behinderten und die Entwicklung der Rehabilitation, herausgegeben durch das Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung 1998, wird u.a. bezug genommen auf das SGB I , nachdem in § 10 jeder, der körperlich, geistig oder seelisch behindert ist oder dem eine solche Behinderung droht, unabhängig von der Ursache der Behinderung ein „soziales Recht" auf die Hilfen zusteht, die notwendig sind um verschiedene Zustände zu mildern, zu verhüten, zu beseitigen oder zu verbessern.

Dieses „soziale Recht" ist in der Behindertenpolitik der Bundesrepublik anerkannt, heißt es weiter in der o.ä. Herausgabe......

Bleibt weiterhin zu diskutieren und einzufordern, dass dieses Recht auch umgesetzt wird, vor allem als Zielperspektive in den entsprechenden Gremien, Ausschüssen und anderen an der Gestaltung und Umsetzung Beteiligter, die sich die Bedürfnisse und selbstgewählten Lebensformen der Betroffenen als Maßstab ihrer Entscheidungsgrundlagen und Entscheidungsrichtlinien zu eigen machen sollten.

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