Das
Ziel lautet: Vereinfachung der Verwaltung
Beitrag von ForseA-Vorstandsmitglied Dr. Corina Zolle anlässlich
der Arbeitsgruppe Persönliche Assistenz im Rahmen der Abschlussveranstaltung
zum EJMB
Die Lösung: Persönliche Budgets. Sie sind
akzeptabel, sofern sie bedarfsdeckend sind und zwar bedarfsdeckend in
allen Bereichen, in denen persönliche Assistenz erforderlich ist.
Wir müssen weg von der Gewichtung Behandlungspflege, also beispielsweise
Spritzen geben, der Pflege im Sinne der Pflegeversicherung, wie waschen,
anziehen, Toilette usw., der Arbeitsassistenz, der hauswirtschaftlichen
Hilfe wie beispielsweise Staub saugen und der so genannten Eingliederungshilfe
zur Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft. Diese Bereiche lassen sich
nicht auseinanderdividieren, vielmehr kann Pflege im Sinne der Pflegeversicherung,
das heißt der Gang zu Toilette, durchaus auch während Maßnahmen
der Eingliederungshilfe, also im Kino, erforderlich sein.
Und vor allem müssen wir vom Kostenvergleich zwischen ambulant
und stationär wegkommen. Persönliche Assistenz hat eine völlig
andere Qualität als die Unterbringung in einem Heim. Ich weiß
so genau wovon ich rede, da ich selbst einige Jahre in einer Einrichtung
gelebt habe und die Situation kenne (Stadtbesuch vier Wochen vorher
anmelden, duschen - einmal die Woche - fällt leider aus, wegen
Personalmangels.
Die Unterbringung in einem Heim kann nur so kostengünstig sein,
weil die Menschen dort einfach unterversorgt leben. Beispiele brauche
ich hier keine mehr zu nennen; Sie müssen einfach nur die Zeitung
aufschlagen.
Ich kann hier immer wieder nur auf das "schwedische Modell"
hinweisen, in dem zunächst ein bestimmtes Budget festgelegt wird,
errechnet aus Anzahl der erforderlichen Assistenzstunden pro Tag und
einem pauschalen Stundensatz. Dieser beträgt derzeit 22 Euro. Mit
diesem Budget kann nun der Assistenznehmer seine Assistenten und die
anfallenden Lohnnebenkosten bezahlen. Er hat aber auch die Möglichkeit,
auf Genossenschaften zurückzugreifen oder sich an andere Dienstleister,
das heißt ambulante Dienste und Sozialstationen zu wenden. Der
Stundensatz ist also einheitlich vereinbart und unabhängig davon,
welche Art von Hilfe der Assistenznehmer in Anspruch nimmt.
Wir müssen erreichen, dass es keine Gewichtung der einzelnen Hilfebedarfe
mehr gibt. Persönliche Assistenz ist eine Teilhabeleistung und
keine Pflege und sollte im SGB IX aufgenommen werden.
Problem: Einkommensabhängigkeit
Hubert Hüppe (CDU) hat Ende des vergangenen Jahres Zahlen ins
Spiel gebracht, die besagen, dass es bundesweit etwa 650 „gut
verdienende" behinderte Menschen gibt, die zudem umfänglich
auf Assistenz angewiesen sind. (Das sind die Arbeitswütigen, die
morgens nicht nur sich selbst sondern auch noch ihre Assistenten motivieren
müssen, aufzustehen.) Dadurch dass ihr Einkommen bei der Finanzierung
ihrer Assistenz herangezogen wird, rechnet der Staat mit Einnahmen von
etwa drei Millionen Euro pro Jahr! Mit diesen Einnahmen in Höhe
von etwa drei Millionen Euro müsste nun ein Verwaltungsapparat
finanziert werden, der eigentlich durch Einführung des persönlichen
Budgets reduziert werden sollte. Sind drei Millionen Euro ausreichend,
um die Einkommensverhältnisse aller berufstätigen Assistenznehmer
bundesweit zu kontrollieren? Nicht nur das der 650 Gutverdienenden,
nein, es muss ja bundesweit kontrolliert werden, ob nicht noch vielleicht
ein oder zwei dazukommen!
Drei Millionen Euro Einnahmen, die auf das Penibelste kontrolliert
und beobachtet werden müssen. Ist so etwas wirtschaftlich? Ich
denke nein! Das ist eine Geldvernichtungsmaschinerie. Die Kosten für
die Kontrolle der Einnahmen sind höher als die Einnahmen selbst.
Und für die Betroffenen lohnen sich Arbeit und Qualifizierung
künftig nicht mehr. Es gibt keinen Anreiz mehr ein höheres
Einkommen zu haben, weshalb also arbeiten, wenn das Einkommen für
die Finanzierung der eigenen Assistenz drauf geht? Ergo arbeite ich
weniger und zahle dementsprechend auch weniger Steuern, dadurch macht
der Staat auch noch ein doppeltes Verlustgeschäft.
Weiteres Problem: Selbstbestimmung
Das so genannte Arbeitgebermodell besagt, dass Pflegebedürftige
ihre Pflege und Betreuung durch eine oder mehrere Pflegekräfte
selbst organisieren, das heißt sich diese selbst aussuchen. Da
die Pflege in diesem Fall nicht von Fachkräften - aus von der Pflegekasse
anerkannten - Pflegediensten erbracht wird, erhalten diese Pflegebedürftigen
das - niedriger bemessene - Pflegegeld und nicht die Pflegesachleistung.
Nach § 2 SGB XI ist es ein Ziel des Gesetzes, Pflegebedürftigen
ein möglichst selbstbestimmtes und selbständiges Leben zu
ermöglichen. Nach § 77 SGB XI ist es aber Pflegebedürftigen
untersagt, die AssistentInnen selbst als ArbeitgeberIn anzustellen oder
die Persönliche Assistenz von Angehörigen erbringen zu lassen,
wenn die Kosten für die Sachleistung von der Pflegekasse übernommen
werden sollen.
Es widerspricht dem Selbstbestimmungsrecht und dem Wunsch- und Wahlrecht
behinderter Menschen, nicht selbst ArbeitgeberIn der Persönlichen
AssistentInnen werden zu können und auf Pflegeverbände und
ihre teilweise entmündigenden Pflegestandards angewiesen zu sein.
Mir fallen dafür keine vernünftigen sondern nur ideologische
Gründe ein. Welcher Sinn steckt in diesem Verbot?
Aus welchem Grund ist es darüber hinaus untersagt, dass persönliche
AssistentInnen nicht bei der behinderten Person selbst beschäftigt
sein dürfen und somit für die Finanzierung selbstbeschäftigter
AssistentInnen nur noch das geringere pauschale Pflegegeld nach S 37
SGB XI zur Verfügung steht und der behinderte Arbeitgeber auch
keine Hilfe über die Härtefallregelung nach § 36 Abs.4
SGB XI erhält?
Zwar wurde nachträglich im BSHG ein Ausweg geschaffen, er steht
aber im Rahmen der Pflegeversicherung nicht zur Verfügung. Diese
Tatsache ist für viele Kommunen auch heute noch ein Grund, das
Arbeitgebermodell nicht zu akzeptieren.
Dabei ist es gerade für weibliche Schwerstpflegebedürftige,
die ihre Intimpflege durch Frauen absichern wollten, erstmals die Garantie,
gleichgeschlechtliche Assistenz zu haben, die auch nicht ständig
wechselt. Letzteres ist meines Erachtens ein Qualitätsmerkmal von
weit höherem Wert als die berufliche Ausbildung einer „qualifizierten
Pflegekraft".
Zum Abschluss noch ein paar Worte zum Thema „qualifizierte Pflegekraft".
Ich halte die Pflegeversicherung nicht für grundsätzlich schlecht.
Sie hat einer ganzen Reihe von alten und/oder behinderten Menschen viel
Unterstützung gebracht. Allerdings ist sie in manchen Bereichen
weit über das Ziel hinausgeschossen. Die Forderung, dass pflegerische
Tätigkeiten von qualifiziertem Fachpersonal durchgeführt werden
müssen, hat die Kosten für Pflege in schier unermessliche
Höhen steigen lassen. Ich halte es für äußerst
wichtig, dass medizinische Pflege, wie die Behandlung von offenen Druckstellen
oder das Geben von Spritzen natürlich unbedingt von Fachpersonal
durchgeführt wird. Aber einfachere Pflegetätigkeiten wie waschen,
anziehen, Hilfe beim Toilettengang usw. kann doch durchaus auch von
angelerntem Personal durchgeführt werden. Sie gehen ja auch nicht
davon aus, dass Ihr Auto von einem KFZ-Meister gewaschen wird. Warum
also muss ein behinderter Mensch von einer Krankenschwester gewaschen
werden? Der Vergleich Auto-Mensch liegt mir so nahe, da mich die Module
der Pflegeversicherung immer an meine Autorechnung erinnern.
Die Pflegeversicherung hat die Kosten für Pflege künstlich
in die Höhe getrieben und nun müssen wir sehen, wie die Kosten
auf ein vernünftiges Maß reduziert werden und die Qualität
dabei noch verbessert wird.