Bundesverband
Forum selbstbestimmter Assistenz behinderter Menschen e.V.


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Göttingen (05. April 2001)

Selbstbestimmtes Leben von Menschen mit Behinderung mit Assistenz

16.-00-18.00 Uhr im Gemeindezentrum St. Michael, Kurze Straße 13, Göttingen

Veranstalter: Selbsthilfe Körperbehinderter Göttingen
Kontakt: Anette Werner, Tel. 0551-54733-12

Veranstaltungsbericht

Das Thema "Selbstbestimmtes Leben mit Assistenz" lockte 21 Interessierte ins St. Michael Gemeindehaus. Kooperationspartnerin des ForseA war bei dieser Veranstaltung der "Assistenztour" die Selbsthilfe Körperbehinderter (SHK) Göttingen.

Nach einer kurzen Begrüßung und einigen Erläuterungen zu den Inhalten der Assistenztour, stellte Elke Bartz den Anwesenden das Arbeitgebermodell vor. Sie berichtete, dass bei diesem Modell der behinderte Mensch Arbeitgeber für seine HelferInnen (AssistentInnen) ist. Er kann sich diese auf dem freien Arbeitsmarkt suchen und die entsprechenden Arbeitsverträge mit ihnen selbst abschließen. Er weist die AssistentInnen ebenso selbst in die notwenigen Hilfeleistungen ein und verfügt dem zu Folge nach einer gewissen Einarbeitungszeit über, für seine eigenen Bedürfnisse, spezialisiertes Personal. Außerdem gibt er selbst - in Absprache mit den Assistentinnen - die Dienstpläne vor. Damit wird ein großes Maß an Selbstbestimmung und freier Gestaltung des Alltagslebens möglich. Allerdings bringt das Arbeitgebermodell auch Eigenverantwortung und Verpflichtungen wie die Erstellung von korrekten Lohnabrechnungen mit sich. Doch können mit den Lohnabrechnungen auch Steuerbüros oder Servicestellen wie das Zentrum für Selbstbestimmtes Leben in Mainz, der Verbund behinderter ArbeitgeberInnen in München oder die Vereinigung Integrationsförderung in München beauftragt werden.

Da die SHK einen sehr guten ambulanten Dienst unterhält, hat es seither keinen großen bzw. bekannten Bedarf an Alternativen wie dem Arbeitgebermodell in Göttingen gegeben. Dieser Dienst versucht so weit als möglich, seinen KundInnen Freiheit bei der Auswahl der HelferInnen zu gewähren. Dadurch kann die Hilfe für die meisten zufriedenstellend gesichert werden. Als Hilfeleistende werden neben festangestellten und studentischen HelferInnen Zivildienstleistende eingesetzt.

Als Folge der Zivildienstzeitverkürzung und der Streichung von Zivildienstplätzen stehen statt der früheren rund 60 Zivis derzeit nur noch rund 20 zur Verfügung. Diese eklatante Lücke in der Versorgung musste die SHK mit hauptamtlichen Kräften "auffüllen", was zwangsläufig mit steigenden Kosten verbunden ist. Kein Wunder, dass nach finanzierbaren Alternativen gesucht wird, insbesondere, wenn künftig noch weniger Zivis zur Verfügung stehen.

Hier kann das Arbeitgebermodell sehr wichtig werden. Gudrun Freijer, selbst Assistenznehmerin und bei der Stadt Göttingen beschäftigt, meinte, es sei ungeheuer wichtig, behinderte Menschen über diese Möglichkeit zu informieren, damit Verweisungen auf Heime gegen den Willen der Betroffenen vermieden werden. Die SHK kann sich ihrerseits vorstellen, langfristig als Servicestelle behinderte Menschen bei der Umsetzung des Arbeitgebermodells zu unterstützen und ebenfalls den Service der Lohnabrechnungen zu leisten. Der ambulante Dienst kann sich dann auf diejenigen konzentrieren, die das Arbeitgebermodell nicht praktizieren können oder wollen.

Die anwesende Mitarbeiterin des Gesundheitsamtes zeigte sich ebenfalls von den Chancen und Möglichkeiten des Arbeitgebermodells stark beeindruckt. Wie schon in Buchholz waren auch hier die Eltern eines durch Unfall schwerstbehinderten Sohnes anwesend. Sie berichteten, kaum glauben zu können, welche Möglichkeiten es auch für sehr schwer behinderte Menschen gibt. Ihr Sohn lebt schon seit acht Jahren in einem Heim. Bei allen Stellen, bei denen sie sich nach dem Unfall ihres Sohnes informierte, hieß es. "Für jemanden mit einer solch schweren Behinderung gibt es nichts anderes. Sowohl Gudrun Freijer als auch die anwesenden Mitarbeiter der SHK sagten sofort ihre künftige Unterstützung zu.

Die Anwesenden bekräftigten übereinstimmend die Notwendigkeit von Informationen, an denen es nach wie vor stark mangelt. Ebenso gefordert wurde eine Gesetzgebung, welche die Teilhabe behinderter Menschen mit Assistenzbedarf grundlegend sichert. Darum wurde die Wichtigkeit der Assistenztour nochmals hervorgehoben und der Wunsch nach weiteren Veranstaltungen laut.

Göttinger Tagblatt 07.04.2001

ZU GAST IN GÖTTINGEN / ForseA-Vorsitzende Elke Bartz

"Wie der Sturz in ein tiefes Loch"

Weil sie von Pflegeeinrichtungen unabhängig sein wollte, beschäftigt die querschnittsgelähmte Elke Bartz seit zehn Jahren Pflegeassistenten. Zur Zeit tourt die Vorsitzende des Bundesverbandes Selbsthilfe Körperbehinderter durch Deutschland - um Menschen in ähnlicher Lage über die Möglichkeiten des Arbeitgebermodells zu informieren.

VON KATHARINA KLOCKE

Göttingen. Vor 25 Jahren hätte Elke Bartz ihre Selbstständigkeit beinahe verloren: Ein Autounfall fesselte die damals 20-Jährige an den Rollstuhl. Sie landete in einer stationären Pflegeeinrichtung. Mit einem Leben, in dem fremde Menschen über ihre Tagespläne, Essenzeiten und finanziellen Mittel verfügten, wollte sie nach fünf Jahren nicht mehr abfinden. In der Einrichtung lernte sie ihren zweiten Ehemann kennen.

Gemeinsam baute das Paar ein Haus in Mulfingen, Baden-Württemberg, und zog dort 1981 ein. Unterstützung erhielt Bartz im Zuge der Schwerstbehindertenbetreuung von Zivildienstleistenden. Als deren Dienstzeit 1990 verkürzt wurde, brach das Hilfesystem zusammen. "Das war wie der Sturz in ein tiefes Loch", erinnert sich die 45-Jährige. Der Ehemann, selbst behindert, konnte ihr nur bedingt beistehen. Mit familiärer Unterstützung und Hilfeleistungen, die sie "stückchenweise zusammenkaufte", überstand sie die Wochen, bis wieder ein Zivildienstleistender zur Verfügung stand.

Rechtsstreit

 

Erst die Möglichkeit, Pflegekräfte als Assistenten einzustellen, eröffnete ihr größtmögliche Selbstbestimmtheit. Probleme bereiteten die Finanzen: Der Sozialhilfeträger verweigerte seinen Anteil mit dem Hinweis, sie möge ob der geringeren Kosten aus der Ehegemeinschaft ausziehen und sich in eine Pflegeeinrichtung begeben. Über das Verwaltungsgericht erstritt sich Bartz 1994 das Recht, schwerbehinderte Arbeitgeberin zu werden. Die im Verfahren erworbenen Kenntnisse setzt sie heute als Vorsitzende des Forums selbstbestimmter Assistenz behinderter Menschen (ForseA) ein, um anderen Betroffenen zu helfen.

Auch auf der von ForseA organisierten Tour durch mehr als 20 deutsche Städte will Bartz informieren. "Das ist total spannend", beschreibt sie die Rundreise im eigenen Auto. In Göttingen war die 45-Jährige zu Gast bei der Selbsthilfe Körperbehinderter. Dort können sich Behinderte aus der Region und deren Angehörige unter Telefon 0551/54 73 30 über ein "selbstbestimmtes Leben mit Assistenz" beraten lassen.

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