Vornweg
ForseA-Handlungsempfehlungen zur Assistenz im Krankenhaus
als Präsentation oder als PDF-Datei
Worauf bei der Finanzierung der Begleitung von Menschen mit
Behinderung außerhalb des Arbeitgebermodells im Krankenhaus zu achten
ist
als Link zu Reha-Recht.de
Familienratgeber der Aktion Mensch
für Menschen mit Behinderung im Krankenhaus
Das Kapitel "Assistenz im Krankenhaus" ist eines der düsteren in der Politik für behinderte Menschen in diesem Jahrhundert. Obwohl die oft lebensbedrohliche,meist jedoch diskrimierende Unterversorgung behinderter Menschen im Gesundheitsbereich der Politik mehr als bekannt ist, ähnelt der Kampf für eine diskrimierungsfreie Versorgung der Echternacher Springprozession. Millimeter für Millimeter werden Fortschritte erkämpft. Beharrlich verweigert sich die CDU/CSU einer umfassenden Regelung. Oftmals geht es gar nicht um die Kosten, sondern deren Verschiebung von einer Tasche zur anderen. Immer aber geht es darum, aufgrund der Krankheit für den eigenen Haushalt Kosten zu sparen, die ohne die Erkrankung klaglos erstattet würden. Hauptursache dafür ist ein Begriffsirrtum, der vorgeschoben wird. Die Krankenhäuser seien für die Pflege zuständig. Damit ist jedoch die erkrankungstypische Pflege gemeint, nicht der mitgebrachte Pflegebedarf, der unabhängig von der Behandlung nie Inhalt der ohnehin umstrittenen Fallpauschalen sein kann. Alle Welt weiß es, nur die Politik will es nicht regeln. Denn wo kämen wir hin, wenn man den Forderungen nach einer umfassenden Lösung ohne Tippelschritte nachkommen würden? Verhindert vielleicht auch die Lobby der Anstaltsbetreiber und der Sozialkonzerne, die ambulante Dienste betreiben, eine Lösung? Denn diese würden vermutlich in Erträge der Investoren beeinflussen.
Im Jahre 2020 und auch 2021 wurde eine immer noch offene Forderung von ForseA auch von weiteren Vereinen und Verbänden wiederbelebt, die unser Verein im Jahre 2006 im Rahmen der Kampagne "Ich muss ins Krankenhaus ... und nun?" erhoben hat. Diese Kampagne wurde von der Universität Witten-Herdecke wissenschaftlich begleitet und von Ottmar Miles-Paul, Helmut Budroni als Pflegewissenschaftler sowie Dr. Oliver Tolmein als juristischer Berater wesentlich unterstützt. Es waren alle Kenntnisse vorhanden, alle Fakten ermittelt. Die Kampagne umfasste alle Leistungsarten und alle Kostenträger. Es gab sogar bereits eine Besprechung mit dem BMAS und dem BMG:
Bericht des damaligen Vorstandsmitgliedes Jens Merkel von dieser Sitzung:
"Am 10.11.2008 fand auf Einladung der Parlamentarischen Staatssekretärin, Marion Caspers-Merk im Bundesgesundheitsministerium ein Treffen zum Thema "Assistenz im Krankenhaus" statt. Damit ist zu sehen, dass dieses wichtige Thema nicht vergessen wurde und mit diesem Treffen ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung getan wurde. Teilnehmer des Treffens waren neben dem BMG und BMAS u.a. die Bundesbehindertenbeauftrage, die dieses Treffen angeregt hatte, ein Vertreter der Deutschen Krankenhausgesellschaft e.V. sowie Vertreter der ISL e.V., der BV Lebenshilfe und des Deutschen Vereins. Als Vertreter von ForseA, war das Vorstandsmitglied Jens Merkel dabei. ForseA führte in den Jahren 2006 und 2007 die Kampagne "Ich muss ins Krankenhaus... was nun?" durch, die dazu von ForseA erstellte Abschlussdokumentation bildete die entscheidende Grundlage für die in Aussicht genommene Regelung zum Assistenzbedarf behinderter Menschen im Krankenhaus.
Nach meiner Einschätzung war es ein sehr konstruktives Treffen. Es wurden verschiedene Lösungsansätze zur Sicherung des Assistenzbedarfes diskutiert.
Die zuständigen Ministerien sollen nun einen Formulierugsvorschlag erarbeiten, der dann den am Treffen beteiligten Verbänden wieder vorgelegt wird. Alle Beteiligten waren sich darin einig, dass für Menschen mit einem hohen Assistenzbedarf unbedingt eine akzeptable Lösung benötigt wird.
Konkrete Ergebnisse wird ForseA nach Veröffentlichung bekannt machen.
Es war ein sehr konstruktives Treffen. Wir haben als erstes erfahren, dass der Anstoß zu diesem Treffen von der Bundesbehindertenbeauftragten Evers-Meyer kam. Also ist unsere Doku doch noch nicht ganz verstaubt gewesen. Teilnehmer waren das Bundesministerium für Gesundheit, das Bundesministerium für Arbeit und Soziales, die Bundesbehindertenbeauftrage Karin Evers-Meyer, die Behindertenbeauftragte der SPD-Bundestagsfraktion Silvia Schmidt, die Patientenbeauftragte(ein Vertreter), die Krankenhausgesellschaft, der Deutsche Verein für Öffentlichlkeit und Recht, die Bundesvereinigung der Lebenshilfe, ISL e.V. und ich als ForseA-Vertreter.
Nachdem die Bundesbeauftragte die Begründung des Treffens dargelegt hatte, wurde von den verschiedenen Seiten die Probleme angesprochen, um die es im Endeffekt geht. Schnell war in vielen Punkten Einigkeit zur Notwendigkeit geklärt. Als erste Ergebnisse wurden vereinbart:
- das BMG wird in Zusammenarbeit mit dem BMAS innerhalb von 4 Wochen(!!!) entsprechende Formulierungen für notwendige Gesetzesänderungen schriftlich zusammenfassen, dazu zählen:
- es wird dahin Rechtssicherheit geschaffen, dass die persönlichen Assistenten mit in Krankenhaus genommen werden können.
- Dabei werden die Kosten weiter von den bisherigen Leistungsträgern übernommen. Die Kosten für Kost und Logie der Assistenten sollen über das SGB V übernommen werden, ähnlich der Regelung bei Kindern, die Ihre Eltern mit ins Krankenhaus nehmen.
- Bei Behinderten, die keine Assistenten haben, aber eine Vertrauensperson nötig ist(z.B. bei Menschen mit sogenannter geistiger Behinderung) wird die Möglichkeit der Finanzierung über die sogenannten Fallpauschalen geprüft. das selbe trifft auch zu bei Behinderten aus "Heimen".
Natürlich gab es auch noch einige Kritikpunkte bzw. müssen wir bei verschiedenen Formulierungen im Gesetz aufpassen. So wird Barbara Vieweg das BMG nochmal auf die Assistenznehmer hinweisen, die ihre Assistenten nicht im AG-Modell, sondern über einen Dienst angestellt haben. da ist zu beachten dass diese nicht hinten runter fallen.
Ich fand dieses Treffen wirklich einen Schritt in die richtige Richtung, wobei das BMG wirklich gemerkt hat, dass dieses Thema für uns sehr wichtig ist."
Schon in der Folge dieses Gespräches waren plötzlich - dem Vernehmen nach auf Betreiben der Union - bis auf das Arbeitgebermodell alle anderen Leistungsarten vom Tisch, selbst die Assistenz in der Kur wurde ausgeklammert. Diese kam erst im Jahr 2012 in das Gesetz. Zunächst gab es also eine sehr abgespeckte Version des Gesetzes, ausschließlich für Menschen mit Arbeitgebermodell, dazu handwerklich schlecht gemacht, da man alle Kostenträger außerhalb der Sozialhilfe schlichtweg vergessen hatte. Man könnte also durchaus auf diese Erkenntnisse zurückgreifen und damit viel Zeit und Kraft sparen. Auf diesem Weg ist auch der nachfolgend verlinkte Aufsatz hilfreich: Janßen: Assistenz von Menschen mit Behinderungen im Krankenhaus – Reformbedarfe im Lichte des Rechts auf Gesundheit nach Art. 25 UN-BRK und des Benachteiligungsverbots gemäß Art. 3 Abs. 3 S. 2 GG – Teil I: Problemaufriss vor dem Hintergrund rechtlicher Anforderungen an eine diskriminierungsfreie Gesundheitsversorgung; Beitrag A11-2021 unter www.reha-recht.de; 01.04.2021
Der "eigentliche" Bericht der Kampagne
"Ich muss ins Krankenhaus ... und nun?"
Die Kampagne startete im Jahre 2006 und ist bis heute nicht abgeschlossen. Anfangs wurde sie dankenswerterweise von der Aktion Mensch finanziell gefördert und von der Universität Witten/Herdecke wissenschaftlich begleitet. Eigentlich hätte es diese Kampagne gar nicht gebraucht. Eigentlich! Denn alle gesetzlichen Möglichkeiten waren da.
a) Die Möglichkeit der Begleitung war bereits da. Heute ist man (als behinderter Arbeitgeber jedoch nicht mehr auf den guten Willen des Krankenhauses angewiesen, sondern besitzt einen Rechtsanspruch auf Mitaufnahme der Assistenz
b) Wäre nicht der Wille der Kostenträger, aus der Krankheit der behinderten Arbeitgeber Kostenersparnisse zu generieren, hätte es auch aus dieser Warte das Gesetz nicht gebraucht.
Während ForseA die Kampagne für alle Menschen mit Behinderung und Assistenzbedarf durchführte, gingen am Ende bisher die Nichtarbeitgeber (Kunden ambulanter Dienste und Heiminsassen) leer aus. Gerichte jedoch sorgten immer wieder dafür, dass der Gleichbehandlungsgrundsatz gewahrt blieb. Auch Kunden ambulanter Dienste wurde vor Gericht immer wieder die Pflicht Gleichbehandlung bestätigt. Der Gesetzgeber, der unsere Ansprüche den Lobbyinteressen opfert, zwingt uns immer wieder, unser Recht bei Gerichten zu suchen. Nicht immer einfach, wenn man krankheitsbedingt ohnehin anderweitige Sorgen hat.
Für Heiminsassen sieht es düsterer aus. Allein schon aus der Tatsache, dass aus diesem Bereich noch keine Klage bekannt wurde, lässt vermuten, dass diese Menschen im Falle einer stationären Aufnahme sehr alleine sind.
Aufgrund der schlampigen Arbeitsweise des Gesetzgebers blieben Krankenkassen als Kostenträger beim Gesetz außen vor. In Schleswig-Holstein wurde eine Krankenkasse vom Landessozialgericht per Urteil veranlasst, das Gesetz auch für ihre Versicherten anzuwenden. Eine Krankenkasse in einem anderen Bundesland lehnte die Übernahme des Urteiles ab, da es in einem anderen Bundesland gefällt wurde.
In diesem Zusammenhang ein kleines Schmankerl, obwohl das Thema ansonsten wahrlich nicht zum Schmunzeln taugt, an keiner Stelle!
Im Urteil (vom 02.09.2013 Az.: L 5 KR 144/13 B ER) des LSG Schleswig-Holstein ist zu lesen: "Auf Anfrage des Vorsitzenden im Bundesministerium für Gesundheit am 28. Juni 2013 habe der Leiter des Referats (Grundsatzfragen der Krankenhausversorgung / Krankenhausfinanzierung) telefonisch mitgeteilt, dass die vorliegende Konstellation der Weiterleistung der häuslichen Krankenpflege während eines Krankenhausaufenthaltes nicht bedacht worden sei, die Intention des Gesetzesentwurfs aber eine vollumfängliche Absicherung des Arbeitgebermodells gewesen sei."
Der selbe Beamte schrieb einer Versicherten kurze Zeit später, dass an eine Ausweitung des Gesetzes auf Krankenkassen nicht in Frage käme.
Durch das Bundessozialgericht wurde am 10.11.2022 unter dem Az.:B 3 KR 15/20 R diese Aussage korrigiert. Auch im Krankenhaus kann ein Anspruch auf häusliche Krankenpflege bestehen.
Schade, dass das Gesetz bei den Beteiligten in Krankenhäusern, Kureinrichtung und den Kostenträgern - vorgegeben oder real - nahezu unbekannt ist. Hier zeichnen sich vor allem Krankenhäuser negativ aus. In ihrem Gewinnstreben wird aus dem Malus auch schon mal ein Bonus gemacht, indem die Assistenz auf dem Flur untergebracht wurde und somit noch für zusätzliche Einnahmen sorgen musste.
Allen, die in eine Klinik oder in Kur müssen, empfehlen wir, unsere Handlungsempfehlungen in mehreren Ausfertigungen ausgedruckt mitzunehmen und ein Exemplar bei der Aufnahme abzugeben.