Gemeinsame Erklärung der Vereine
Abwicklung der Nachteilsausgleiche behinderter Menschen mittels der Sozialhilfe ist ohne Zweifel eine zwingend abzustellende staatliche Diskriminierung!
Veraltete, nicht mehr angepasste Gesetzgebung im 12. Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII):
In vielen Köpfen geistert noch die Vorstellung herum, dass die Sozialgesetzbücher bereits die von der Behindertenrechtskonvention geforderten Standards abbilden. Dem ist nicht so. Noch immer werden behinderte Menschen, die ihre Nachteilsausgleiche in Anspruch nehmen wollen, von unmittelbaren behördlichen Eingriffen bedroht. Ihr Leben wird komplett auf den Prüfstand gestellt. Dazu kommt die diskriminierende Behandlung als Sozialhilfeempfänger. Nur wegen unserer Forderung, unsere behinderungsbedingten Nachteile – wenigstens dort, wo es möglich ist – auszugleichen, werden wir behinderungsbedingt arm gemacht. Wir müssen Einkommen und Vermögen offenlegen und uns Teile davon als "zumutbaren Eigenanteil" anrechnen lassen. Lebenspartnerschaften entstehen erst gar nicht oder gehen deshalb in die Brüche. Dass die Familie unter dem besonderen Schutz des Staates steht, gilt - behinderungsbedingt – ebenfalls nicht. Ein Nachteilsausgleich, der unmittelbar zu weiteren Diskriminierungen führt, ist unter den heutigen gesellschaftlichen Rahmenbedingungen nicht mehr akzeptabel. Wir haben untenstehend zum Beweis dieser Aussagen gesetzliche Festlegungen zitiert. Dass wir mit unseren Interpretationen nicht alleine stehen, beweist eindrucksvoll die Sicht des Bundesverfassungsgerichtes.
Nachfolgende Punkte unterstreichen die Unrechtmäßigkeit der andauernden Diskriminierungen:
- Übereinkommen über die Rechte von Menschen mit Behinderungen. Dort, wo die Artikel nicht direkt anwendbar sind, müssen bestehende Gesetze in ihrem Licht interpretiert werden. Grundsatz: Neues Recht interpretiertaltes Recht (Lex posterior derogat legi priori).
- Grundgesetz: Artikel 3 Absatz 3, Satz 2: Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden. Das Bundesverfassungsgericht gab am 10. Oktober 2014 zu verstehen, wie die Anwendung des Artikel 3 GG korrekt ist: "Das Benachteiligungsverbot des Art. 3 Abs. 3 Satz 2 GG erschöpft sich nicht in der Anordnung, Menschen mit und ohne Behinderung rechtlich gleich zu behandeln. Vielmehr kann eine Benachteiligung auch vorliegen, wenn die Lebenssituation von Menschen mit Behinderung im Vergleich zu derjenigen nicht behinder-ter Menschen durch gesetzliche Regelungen verschlechtert wird, die ihnen Entfaltungs- und Betätigungsmög-lichkeiten vorenthalten, welche anderen offenstehen." Az.: 1 BvR 856/13
- Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz: § 1 Ziel des Gesetzes ist, Benachteiligungen aus Gründen der Rasse oder wegen der ethnischen Herkunft, des Geschlechts, der Religion oder Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Identität zu verhindern oder zu beseitigen.
Fazit:
Durch die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes sind wir nicht mehr darauf angewiesen, sämtliche Rechtszüge zu durchlaufen. Die Kostenträger dagegen sind zwingend verpflichtet, ihre Sozialgesetzbücher (nicht nur das 12.) daraufhin zu prüfen, ob das einschlägige Gesetz Menschen mit Behinderung diskriminiert. Denn eine auf die Gesetze verpflichtete Behörde kann an dieser Entscheidung vorbei nicht so weiter agieren wie in der Vergangenheit. Vor diesem Hintergrund muss ebenfalls der Gesetzgeber seine haushaltsschonenden Verzögerungen aufgeben. Denn er kommt an dieser an Deutlichkeit nichts vermissenden Feststellung des Bundesverfassungsgerichtes ebenfalls nicht mehr vorbei. Dabei spielt es auch keine Rolle mehr, ob den Milliarden des Bundes an die Kommunen eine Zweckbindung mitgegeben wird oder nicht. Unsere Ansprüche an ein inklusives Leben stehen nicht mehr im Befinden einzelner Gruppen, egal ob in der Politik, der Verwaltung oder in sonstigen Interessengruppen. Wir fordern:
- Das Ende der gesetzlichen Enteignungen als Begleiterscheinung unserer in Anspruch genommenen Rechte auf gesetzliche Nachteilsausgleiche.
- Das Einstellen der generellen Bestrebungen, unsere Bedarfe herunter zu verhandeln. Diese werden als Versuche, uns unsere Freiheit zu nehmen, abgelehnt.
gez.: Heinrich Buschmann Vorsitzender MMB e.V.
gez.: Gerhard Bartz, Vorsitzender ForseA e.V.