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Urteil 023

Az: 9 K 5427/00

VERWALTUNGSGERICHT STUTTGART

Im Namen des Volkes Urteil

In der Verwaltungsrechtssache

. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

-Klägerin-

prozessbevollmächtigt:
Rechtsanwälte Gerischer und Ott,
Urbanstraße 28, 70182 Stuttgart, Az.: 00/00389,

gegen

Landeshauptstadt Stuttgart – Sozialamt –
Vertreten durch den Oberbürgermeister,
Eberhardstraße 33, 70173 Stuttgart,

-Beklagte-

wegen

Sozialhilfe (Pflegekosten)

hat die 9. Kammer des Verwaltungsgerichts Stuttgart aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 7. September 2001 durch

den Vorsitzenden Richter am Verwaltungsgericht Funke-Kaiser,
die Richterin am Verwaltungsgericht Dieckmann-Wittel,
den Richter am Verwaltungsgericht Dr. Bergmann,
den ehrenamtlichen Richter Perlinger,
den ehrenamtlichen Richter Aldinger

am 7. September 2001 für Recht erkannt:

Die Beklagte wird verpflichtet, der Klägerin über den 31.10.2000 hinaus bis 07.09.2001 ungekürzte Hilfe zur Pflege (häusliche Pflege) in Höhe des von der Pflegekasse nicht gedeckten Aufwands, zuzüglich des Pflegegeldes nach der Besitzstandsregelung nach Pflegestufe III, zu gewähren. Der Bescheid der Beklagten vom 20.07.2000 sowie deren Widerspruchsbescheid vom 18.10.2000 werden aufgehoben, soweit sie dem entgegenstehen.

Die Beklagte trägt die Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens.

Tatbestand

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Beklagte auch über den 31.10.2000 hinaus die Kosten der häuslichen Pflege der Klägerin bezahlen muss bzw. ob es der Klägerin zumutbar ist, gegen ihren Willen in einem Pflegeheim untergebracht zu werden.

Die am 07.11.1947 geborene Klägerin ist an Multipler Sklerose erkrankt und bezieht seit 1991 von der Beklagten Hilfe in besonderen Lebenslagen (Hilfe zu Pflege) als Leistung der Sozialhilfe. Diese Leistungen wurden bislang – in Höhe von monatlich ca. DM 3.500,00 bis DM 6.000,00 (Pflegesachleistungen) zuzüglich eines Pflegegelds von DM 434,00 (Besitzstandsregelung nach Pflegestufe III) – aufstockend zu den Leistungen der gesetzlichen Pflegeversicherung gewährt.

Mit Bescheid vom 20.07.2000 bewilligte die Beklagte Hilfe zur Pflege (häusliche Pflege) in Höhe des von der Pflegekasse nicht gedeckten Aufwandes für den Zeitraum 01.07.2000 bis 31.10.2000 (Ziffer 1), begrenzte jedoch zugleich die von der Pflegekasse nicht gedeckten Kosten der häuslichen Pflege auf den 31.10.2000 (Ziffer 2). Zudem forderte sie die Klägerin aus, sich bis zu diesem Datum in einer der beiden vollstationären Einrichtungen „Else-Heydlauf-Stiftung" oder „Haus am Weinberg" anzumelden. Denn im „Haus am Weinberg" würden der Beklagten durch Versorgung und Pflege der Klägerin lediglich Kosten in Höhe von monatlich DM 1.028,54 bzw. in der „Else-Heydlauf-Stiftung" nur Kosten in Höhe von monatlich DM 2.505,74 entstehen. Die dortige stationäre Pflegeheimunterbringung sei der Klägerin auch unter Berücksichtigung ihrer derzeitigen Lebenssituation zumutbar. Sollte nach der erfolgten Heimanmeldung noch kein freier Platz verfügbar sein, werde über die Begrenzung der ambulanten Hilfe zur Pflege bis zum nächst möglichen Aufnahmetermin neu entschieden. Der gegen den Bescheid vom 20.07.2000 eingelegte Widerspruch der Klägerin vom 14.08.2000 wurde von der Beklagten durch Widerspruchsbescheid vom 18.10.2000, zugestellt am 27.10.2000, zurückgewiesen.

Nachdem sich die Klägerin weigerte, einen entsprechenden Heimaufnahmeantrag zu stellen, begrenzte die Beklagte durch Bescheid vom 20.12.2000 für die Zeit ab 01.11.2000 die Hilfe zur Pflege in Höhe des von der Pflegekasse nicht gedeckten Aufwands betragsmäßig auf höchstens monatlich DM 2.500,00. Durch den Wunsch der Klägerin, die Hilfe zur Pflege weiterhin im häuslichen Rahmen sicherzustellen, entstünden unangemessene Mehrkosten, die die Beklagte nicht länger bezahlen müsse. Über den hiergegen eingelegten Widerspruch der Klägerin vom 29.12.2000 wurde bislang nicht entschieden.

Am 27.11.2000 hat die Klägerin Klage beim Verwaltungsgericht Stuttgart erhoben. Sie ist der Auffassung, dass ihr unter Berücksichtigung ihrer persönlichen Situation der Umzug in ein Pflegeheim derzeit nicht zumutbar ist. Aus diesem Grund stehe ihr ein sozialhilferechtlicher Anspruch gegen die Beklagte auf Übernahme der ambulanten Pflegekosten sowie auf Weiterbezahlung des Pflegegelds zu.

Die Klägerin beantragt,

die Beklagte zu verpflichten, ihr auch über den 31.10.2000 hinaus bis 07.09.2001 ungekürzte Hilfe zur Pflege (häusliche Pflege) in Höhe des von der Pflegekasse nicht gedeckten Aufwands, zuzüglich des Pflegegelds nach der Besitzstandsregelung nach Pflegestufe III, zu gewähren und den Bescheid der Beklagten vom 20.07.2000 sowie deren Widerspruchsbescheid vom 18.10.2000 aufzuheben, soweit diese dem entgegenstehen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie ist der Auffassung, dass der Klägerin der Umzug in ein Pflegeheim zumutbar ist, insbesondere da die häusliche Pflege monatlich rund DM 4000,00 teurer und damit mit unverhältnismäßigen Mehrkosten verbunden sei.

Auf den Eilantrag der Klägerin vom 27.11.2000 hat die Kammer die Beklagte im Wege der einstweiligen Anordnung durch Beschluss vom 21. Mai 2001 verpflichtet, der Klägerin vorläufig auch über den 31.10.2000 hinaus die ambulanten Pflegekosten zuzüglich des Pflegegeldes weiterzubezahlen. Der Beschluss wurde rechtskräftig (9 K 5441/00).

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte sowie auf die vom Gericht beigezogenen Behördenakten verwiesen.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist als Verpflichtungsklage statthaft und auch im Übrigen zulässig. Die von der Klägerin angegriffene Begrenzung der von der Pflegekasse nicht gedeckten Kosten der häuslichen Pflege auf den 31.10.2000 im Bescheid vom 20.07.2001 (Ziffer 2) hat Regelungscharakter, d.h. ist ein isoliert anfechtbarer Verwaltungsakt i.S. des § 31 S. 1 SGB X. Denn nach dem objektiven Sinngehalt stellt diese Leistungsbegrenzung auf den 31.10.2000 aus Sicht des maßgelblichen Empfängerhorizontes (vgl. BVwerGE 61, 169; 74, 126) eine unmittelbare und verbindliche Regelung der Sozialhilfeansprüche dar, die der Bestandskraft fähig ist, Nach dem objektiven Sinngehalt der Formulierungen von Ziffer 2 des Bescheids vom 20.07.2001 („Ihrem Wunsch … können wir daher ab 01.11.2000 nicht mehr entsprechen. … Sofern … noch kein freier Platz verfügbar ist, werden wir über die Begrenzung der ambulanten Hilfe zur Pflege bis zum nächst möglichen Aufnahmetermin neu entscheiden.") hat die Beklagte hiermit – wie sie i.Ü. auch in der mündlichen Verhandlung als ihr Regelungsziel angab – eine „Grundentscheidung" über die Rechtslage ab 01.11.2000 getroffen; mit Bescheid vom 20.12.2000 sollte diese „Grundentscheidung" dann der Höhe nach (auf monatliche Leistungen in Höhe von maximal DM 2.500,00) konkretisiert werden. Auch die Klägerin ging, wie sie in der mündlichen Verhandlung erläutert hat, davon aus, dass Ziffer 2 des Bescheids vom 20.07.2000 ab 01.11.2000 unmittelbare Rechtswirkungen entfaltet, weshalb sie hiergegen Widerspruch einlegte und das gerichtliche Eilverfahren (9 K 5441/00) anstrengte.

Die Verpflichtungsklage ist auch begründet. Die angefochtenen Bescheide sind, soweit sie die Bezahlung der ambulanten Pflegekosten und des Pflegegelds auf den 31.10.2000 begrenzen, rechtswidrig und verletzen die Klägerin in ihren Rechten. Denn die Klägerin hat, auch ohne dass sie sich in einem Pflegeheim anmeldet, weiterhin Anspruch auf Bewilligung der häuslichen Pflegekosten sowie des Pflegegelds für den Zeitraum ab dem 01.11.2000 (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO).

Aus diesem Grund kann dahinstehen, ob die Beklagte materiellrechtlich überhaupt eine „Grundentscheidung" mit Verwaltungsaltqualität, wie in Ziffer 2 des Bescheids vom 20.07.2000 geschehen, treffen durfte. Insofern ist anzumerken, dass es weder in den Bescheiden dargelegt noch ersichtlich ist, auf welcher Rechtsgrundlage eine solche „Grundentscheidung" getroffen werden könnte, die dann später in einzelnen Leistungsbescheiden gewissermaßen „der Höhe nach umgesetzt" wird. Ein solches Vorgehen der Verwaltung ist dem deutschen Sozialhilfesystem fremd, das grundsätzlich keine verwaltungsrechtlich dem Grunde nach gestaltbare Dauerleistung mit Rentencharakter vorsieht. Vielmehr ist die Hilfe gemäß dem Individualisierungsgrundsatz in wiederkehrenden und zeitlich befristeten Leistungsbescheiden nach der jeweils konkret bestehenden Einzelfallsituation – jeweils dem Grunde und der Höhe nach – zu bewilligen.

Hierauf kommt es jedoch nicht an, da die Klägerin im vorliegenden Einzelfall auf Grund ihrer schweren Erkrankung, die zu einer fast vollständigen Lähmung des Körpers geführt hat, sowie ihre spezifischen sonstigen Lebenssituation zu dem Personenkreis der Schwerstpflegebedürftigen gehört und – auch für die häusliche Pflege – Anspruch auf Pflegesachleistungen nach den §§ 68, 69, 69b des Bundessozialhilfegesetzes (BSHG) unter Anrechnung der Pflegekassenleistungen nach § 69c Abs. 4 BSHG hat sowie, entsprechend der Besitzstandsregelung nach Pflegestufe III, auf Pflegegeld. Die Beklagte ist der Auffassung, dass sie die – nach ihren Berechnungen – höheren Kosten der ambulanten Pflege nicht länger tragen muss, wobei sie sich auf die Regelungen der §§ 3 und 3a BSHG beruft. Dieser Auffassung folgt die Kammer nicht. Unabhängig davon, dass sie Zweifel an den, auf Grundlage der in den Behördenakten enthaltenen spärlichen Unterlagen nur begrenzt nachvollziehbaren Vergleichskostenberechnungen der Beklagten bezüglich der vorgeschlagenen Einrichtungen hegt, insbesondere bezüglich der Frage, ob hier tatsächlich alle im Pflegeheim im Falle der Klägerin anfallenden und zu erstattenden Leistungen eingerechnet sind (vgl. zur konkreten Nettovergleichsberechnung VGH Bad.-Württ., Urt. v. 14.03.1997 – 6 S 755/95), erscheint der Kammer – jedenfalls im derzeitigen Stand der Krankheit – die Unterbringung der Klägerin in einer der vorgeschlagenen Einrichtungen unter Berücksichtigung der Besonderheiten des Einzelfalles unangemessen bzw. unzumutbar.

Gemäß § 143 BSHG gilt § 3a BSHG für Empfänger von Eingliederungshilfe für Behinderte oder Hilfe zur Pflege, deren Betreuung – wie bei der Klägerin – am 26. Juni 1996 durch von ihnen beschäftigte Personen oder ambulante Dienste sichergestellt wurde, in der am 26. Juni 1996 geltenden Fassung, die wie folgt lautete: „Der Träger der Sozialhilfe soll darauf hinwirken, dass die erforderliche Hilfe so weit wie möglich außerhalb von Anstalten, Heimen oder gleichartigen Einrichtungen gewährt werden kann." § 143 BSHG ist mithin als Besitzstandsregelung für schon bisher ambulant Betreute konzipiert wurden. Die beabsichtigte Begrenzung der offenen Hilfe auf nur verhältnismäßige Mehrkosten sollte bei Personen nicht anwendbar sein, deren ambulante Leistungen zum Zeitpunkt des Inkrafttretens der Änderungen durch das Sozialhilfereformgesetz 1996 unverhältnismäßig mehr kosten als die vollstationäre Hilfe (vgl. LPK-BSHG, 5. Aufl. 1998, § 143 RdNr. 4 ff.).

Hier kann dahinstehen, inwieweit § 143 BSHG diese für den Hilfeempfänger günstige Intension des Gesetzgebers tatsächlich verwirklicht hat, nachdem auch § 3a BSHG in der alten Fassung die Prüfung nicht ausschloss, zu berücksichtigen, ob die gewünschte ambulante Betreuung gemäß § 3 Abs. 2 S. 3 BSHG im Vergleich zur Hilfe in einer stationären Einrichtung unverhältnismäßige Mehrkosten verursacht (vgl. VGH Bad.-Württ., B. v. 25.02.2000 – 7 S 2920/99-). Denn in jedem Fall hat der Träger der Sozialhilfe auch im Rahmen dieser Mehrkostenprüfung gemäß § 3 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 S. 1 BSHG immer die Angemessenheit des Wunsches des Hilfeempfängers und die Besonderheiten des Einzelfalles zu berücksichtigen, was im Ergebnis einer Zumutbarkeitsprüfung nach § 3a BSHG in der neuen Fassung vergleichbar ist (vgl. BayVGH, B. v. 02.04.1992 – 12 B 89.3592 -). Gemäß § 3a BSHG n.F. ist die erforderliche Hilfe soweit wie möglich außerhalb von Anstalten, Heimen und gleichartigen Einrichtungen zu gewähren. Dies gilt nicht, wenn eine geeignete stationäre Hilfe zumutbar und eine ambulante Hilfe mit unverhältnismäßigen Mehrkosten verbunden ist. Bei der Prüfung der Zumutbarkeit sind die persönlichen, familiären und örtlichen Umstände angemessen zu berücksichtigen.

Im Rahmen der Angemessenheits- bzw. Zumutbarkeitsprüfung geht die Kammer davon aus, dass geeignete stationäre Hilfe für die Klägerin in den von der Beklagten benannten Einrichtungen grundsätzlich möglich wäre. Sollten die von der Beklagten bezifferten Einrichtungskosten (DM 5.935,00 bzw. DM 7.412,70 zuzüglich eines Barbetrages von monatlich DM 246,00) tatsächlich alle derzeit bei stationärer Pflege zu gewährenden Leistungen umfassen, spricht zudem vieles dafür, dass die von der Klägerin begehrte fortgesetzte ambulante Hilfe mit „unverhältnismäßigen Mehrkosten" im Sinne von § 3a S. 2 BSHG n.F. bzw. § 3 Abs. 2 S. 3 BSHG verbunden ist. Denn im vorzunehmenden konkreten Kostenvergleich ergibt sich bei der gewünschten häuslichen Pflege somit ein rund doppelt so hoher Kostenaufwand für die Beklagte (vgl. VGH Bad.-Württ., Urt. v. 14.03.1997 – 6 S 755/95 -). Im Lichte des u.a. in den §§ 143, 69, 3a BSHG angesprochenen gesetzlichen Vorrangs der häuslichen Vorrangs der häuslichen Pflege ist es nach Auffassung der Kammer dennoch nicht angemessen bzw. der Klägerin nach den Besonderheiten des Einzelfalles nicht zumutbar, die stationäre Hilfe in Anspruch zu nehmen. Aus diesem Grund verbleibt es bei der Verpflichtung der Beklagten zur Gewährung der ambulanten Hilfe, auch wenn diese mit unverhältnismäßigen Mehrkosten verbunden sein sollte.

Der Klägerin ist es aus persönlichen, familiären und örtlichen Gründen nicht zumutbar, anstelle der bisher gewährten ambulanten nunmehr die von der Beklagten vorgeschlagene stationäre Hilfe in Obertürkheim oder Zuffenhausen (gleiches gilt wohl auch für eine nur mit der U-Bahn erreichbare Einrichtung etwa in Heslach) in Anspruch zu nehmen. Nach der in der Behördenakte dokumentierten Krankheitsgeschichte, den vorliegenden Stellungnahmen, insbesondere des Gesundheitsamts (05.02.1998) und der Caritas (25.09.2000), sowie den Erläuterungen der Klägerin in der mündlichen Verhandlung, nimmt diese trotz ihrer massiven Beeinträchtigungen recht aktiv am Leben teil. Soweit es die Gegebenheiten zulassen, erledigt sie mit dem Elektrorollstuhl in Begleitung des Pflegepersonals ihre Besorgungen und Einkäufe selbst. Auch im Winter unternimmt sie Spazierfahrten und Ausflüge und besucht Veranstaltungen. Im Heimatstadtteil Stuttgart-Vaihingen ist die Klägerin bekannt; sie unterhält regelmäßig Kontakte bei Einkäufen und Spaziergängen. Zu ihrer geistigbehinderten Tochter in Möhringen bestehen enge Beziehungen, ebenso wie zu der in Vaihingen lebenden Familie des Sohnes. Soweit ihr dies möglich ist, betreut die Klägerin regelmäßig die Kinder ihres Sohnes sowie ihre Tochter in ihrer eigenen Wohnung. Hierzu ist sie, um diese – was regelmäßig geschieht – bei sich übernachten lassen zu können, unter anderem auch auf ihr Gästezimmer angewiesen.

Die Klägerin hat ihr Leben mithin – den Umständen entsprechend - weitgehend optimal organisiert und sich somit eine erhebliche persönliche Unabhängigkeit gesichert, die für sie in nachvollziehbarer Weise, ebenso wie die engen familiären Beziehungen sowie die gute Integration in das übrige soziale Umfeld, von großer Bedeutung ist. Mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit würde eine Heimunterbringung der Klägerin in Obertürkheim, Zuffenhausen (oder Heslach) zum Verlust dieser engen familiären und sozialen Bindungen führen bzw. das weitgehende Ende der aktiven Teilnahme am Leben in der Gemeinschaft bedeuten. Im konkreten Einzelfall würde die Heimunterbringung mithin eine extreme Umstellung der Lebensgewohnheiten und damit einen hohen Verlust von Lebensqualität mit sich bringen. Die Kammer geht etwa davon aus, dass aufgrund der räumlichen Entfernung der vorgeschlagenen Einrichtungen vom sozialen Lebensmittelpunkt der Klägerin die regelmäßigen und häufigen Besuche ausbleiben würden, ohne dass die Klägerin in Obertürkheim, Zuffenhausen (oder Heslach) ein vergleichbares Beziehungsnetz aufbauen könnte. Die Kammer geht aus diesen Gründen mit den sozial erfahrenen Personen des Widerspruchsausschusses vom 21.09.2000 zusammenfassend davon aus, dass im Falle der Klägerin ein ganz besonderer, in Stuttgart wohl seltener Extremfall vorliegt, der eine besondere Bewertung fordert und rechtfertigt. Natürlich kann sich eines Tages die Situation verschlechtern und eine Heimaufnahme dann unumgänglich werden. Solange die Klägerin jedoch ihr aktives Leben wie bislang lebt, erscheint es unangemessen, von ihr zu verlangen, die weitreichende Selbstständigkeit aufzugeben und in einem Pflegeheim ein fremd organisiertes Leben zu führen. Ist es der Klägerin somit nicht zuzumuten, gegen ihren Willen in einem der von der Beklagten vorgeschlagenen Pflegeheime untergebracht zu werden, kommt es auf die Höhe der Mehrkosten der ambulanten Hilfe im Einzelnen nicht an.

Gegenstand der gerichtlichen Nachprüfung bei Verpflichtungsklagen in Sozialhilfesachen ist generell nur der Sachverhalt, wie er sich bis zum letzten behördlichen Bescheid darstellt (vgl. BVerwGE 25, 307). Da im vorliegenden Fall jedoch weniger wegen der „Grundentscheidung" der Beklagten in Ziffer 2 des Bescheids vom 20.07.2000 ein Zeitraum nach Erlass des Widerspruchsbescheids im Streit steht, kann dem Klageantrag bis zum Tag der mündlichen Verhandlung stattgegeben werden.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 154 Abs. 1, 188 S. 2 VwGO.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen dieses Urteil steht den Beteiligten die Berufung zu, wenn sie vom Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg zugelassen wird. Der Antrag auf Zulassung ist beim Verwaltungsgericht Stuttgart, Augustenstraße 5, 70178 Stuttgart oder Postfach 10 50 52, 70044 Stuttgart, innerhalb eines Monats nach Zustellung dieses Urteils zu stellen.

Der Antrag muss das angefochtene Urteil bezeichnen. In dem Antrag sind die Gründe, aus denen die Berufung zuzulassen ist, darzulegen. Die Berufung ist nur zuzulassen, wenn

  1. ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils bestehen,
  2. die Rechtssache besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten aufweist,
  3.  die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
  4. das Urteil von einer Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs, des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
  5. wenn ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.

Vor dem Verwaltungsgerichtshof muss sich jeder Beteiligte, soweit er einen Antrag stellt, durch einen Rechtsanwalt oder Rechtslehrer an einer deutschen Hochschule vertreten lassen. Das gilt auch für den Antrag auf Zulassung der Berufung. Juristische Personen des öffentlichen Rechts und Behörden können sich auch durch Beamte oder Angestellte mit der Befähigung zum Richteramt sowie Diplomjuristen im höheren Dienst vertreten lassen.

Lässt der Verwaltungsgerichtshof die Berufung zu, wird das Antragsverfahren als Berufungsverfahren fortgesetzt.

Die Berufung ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des Beschlusses über die Zulassung der Berufung zu begründen. Die Begründung ist beim Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg, Schubertstraße 11, 68165 Mannheim, oder Postfach 10 32 64, 68032 Mannheim, einzureichen. Die Begründungsfrist kann auf einen vor ihrem Ablauf gestellten Antrag von dem Vorsitzenden verlängert werden. Die Begründung muss einen bestimmten Antrag enthalten sowie die im Einzelnen anzuführenden Gründe der Anfechtung (Berufungsgründe).

gez.: Funke-Kaiser
Dieckmann-Wittel
Dr. Bergmann

Beglaubigt / Ausgefertigt Stuttgart, den 26. Sep. 2001 Verwaltungsgericht Stuttgart Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle Gerichtssekretärin

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