von Johannes Messerschmid - Dipl.Soz.Päd.(FH)
Die Bedeutung eines Lohnabrechnungsservice für Menschen mit Assistenz
Die Durchführung einer steuerlich und sozialversicherungsrechtlich
korrekten Lohnabrechnung für die beschäftigten AssistentInnen
gehört mit zu den anspruchsvollsten Aufgaben, die wir als selbstbestimmt
lebende Menschen mit Assistenz zu bewältigen haben.
Es ist einleuchtend und auch durch die Erfahrungen innerhalb der Beratungsstelle
des Verbund behinderter Arbeitgeber - VbA-Selbstbestimmt Leben - eindeutig
belegbar, dass die allermeisten Menschen, die sich die Finanzierung
ihrer persönlichen Assistenz mühsam erkämpft haben, zuvor
nichts mit Personalabrechnung oder ähnlichem zu tun hatten. In
ihrer neuen Rolle sind die frisch gebackenen ArbeitgeberInnen mit den
übrigen Personal-Management-Aufgaben, wie
- AssistentInnensuche (Annoncen schalten, Aushänge verteilen,
etc.)
- AssistentInnenauswahl (telefonische Vorauswahl, Bewerbungsgespräche,
etc.)
- AssistentInnenanstellung (Vertragsabschluss, Vereinbarungen zur
Probezeit, etc.)
- AssistentInnenanleitung und Einarbeitung, sowie generell
- Personalführung
ziemlich in Anspruch genommen. Dadurch verbleiben häufig nur wenig
Kapazitäten zeitlicher und psychischer Art sich dem umfangreichen
und komplizierten Bereich der Lohnabrechnung im erforderlichen Umfang
zuzuwenden. Erschwerend kommt hinzu, dass zur Abwicklung der Lohnabrechnung
entweder viel Zeit und handschriftliche Arbeit aufgewendet werden muss
oder die Beschaffung und Einarbeitung in ein PC-System mit der entsprechenden
Software erforderlich wird.
Die beschriebenen Umstände machen deutlich, dass die Einrichtung
eines Lohnabrechnungsservice eine große Hilfe für den Start
und die Fortführung einer selbstbestimmten Lebensführung mit
Assistenz darstellt. Dies trifft noch in verstärktem Maße
zu, wenn die Möglichkeit besteht, diesen Service speziell an den
Bedürfnissen von behinderten ArbeitgeberInnen und deren AssistentInnen
auszurichten.
Die Bedeutung eines Lohnabrechnungsservice für die beteiligten
Kostenträger
Bei der Finanzierung von persönlicher Assistenz sind in aller
Regel kommunale Kostenträger mit beteiligt, da das eigene Einkommen
nicht ausreicht und ergänzende Finanzierungshilfen derzeit leider
nur über die gesetzlichen Regelungen des BSHG (Bundessozialhilfegesetz)
beantragt und erstritten werden können.
Das Verfahren zur Nachweisführung über die Verwendung der
gewährten Finanzmittel ist gegenüber diesen Behörden
häufig schwierig weil:
a) sie Sozialhilfeempfänger in der Funktion als ArbeitgeberInnen
(ihrer AssistentInnen) nicht gewohnt sind, sondern nur Einrichtungen
als Anstellungsträger von Hilfepersonal kennen und mit diesen abzurechnen
verstehen bzw. nur diesen die zuverlässige Verwaltung größerer
Beträge zutrauen
b) es kein normiertes Verfahren zur Nachweisführung gibt, sofern
nicht, wie z. B. in München ein solches mit VertreterInnen der
behinderten ArbeitgeberInnen von der Kommune ausgearbeitet wurde
c) die SachbearbeiterInnen in diesen Behörden selbst keine Fachkenntnisse
in der Lohnbuchhaltung und Personalabrechnung haben
Auch in Bezug auf diese Problematik erweist sich (z. B. in München)
die Einrichtung eines Lohnabrechnungsservice als hilfreiches Mittel
zu deren Lösung. Als "neutrale" Stelle mit speziellen Fachkenntnissen
auf dem Gebiet der Personalabrechnung kann sie sowohl gegenüber
den Kostenträgern, als auch gegenüber den behinderten ArbeitgeberInnen
als Orientierung gebende Instanz auftreten und dazu beitragen, dass
praktische Lösungen für Abrechnungsfragen gefunden und ausgearbeitet
werden können.
Dabei muss natürlich betont werden, dass ein solcher Service engstens
und speziell mit den Bedürfnissen von behinderten ArbeitgeberInnen
vertraut sein muss. Eine derartige Firma oder Einrichtung entspricht
dieser Forderung selbstverständlich nur, wenn sie vorwiegend oder
ausschließlich für diesen Kundenkreis arbeitet; besser noch
wenn sie von behinderten Menschen selbst betrieben wird.
Die Entwicklung des Lohnabrechnungsservice innerhalb der Beratungsstelle
des VbA-Selbstbestimmt Leben e. V. in München
Einige Monate nach Eröffnung der ersten Büroräume des
VbA-Selbstbestimmt Leben e. V. im Juni 1996 übernahmen die dort
tätigen behinderten MitarbeiterInnen den Kundenstamm, den ein Vereinsmitglied
mit seiner Ein-Mann-Firma aufgebaut hatte. Die Kundinnen und Kunden
bestanden ausnahmslos aus behinderten Menschen mit Assistenz, die die
Durchführung ihrer Personalabrechnung nicht selbst erledigen konnten
oder wollten.
Die Initiative der Ein-Mann-Firma hatte in kürzester Zeit großen
Anklang unter behinderten Menschen mit Assistenz gefunden, die zum Teil
erhebliche Schwierigkeiten mit den Anforderungen einer korrekten Lohnbuchhaltung
für ihre AssistentInnen hatten. Die kleine Ein-Mann-Firma war schnell
mit ihren Kapazitäten an der Grenze. Außerdem erschien es
dem Firmengründer sinnvoll, diesen Tätigkeitsbereich in den
Verein einzugliedern.
Die notwendige Hard- und Software wurde angeschafft und der Betrieb
begann. Etwa zwei Jahre unterstützte der VbA mit diesem Arbeitsbereich
25-35 behinderte ArbeitgeberInnen. Während dieser Zeit konnten
intensive Kontakte zum Sozialamt der Stadt München aufgebaut werden.
Daraus entstand ein regelmäßig tagender Arbeitskreis, in
dem alle Fragen bezüglich der Genehmigung und Nachweisführung
von Finanzierungshilfen für persönliche Assistenz unter Mitsprache
des VbA besprochen und verabschiedet wurden.
Mit Inkrafttreten des Gesetzes zur Neuregelung der 630-Mark-Jobs im
April 1999 verkomplizierte sich die Lohnbuchhaltung erheblich, so dass
der Lohnabrechnungsservice des VbA einen starken Zuwachs an Kundschaft
zu verzeichnen hatte. Aufgrund dessen musste der VbA im Sommer 2000
eine Vollzeit-Fachkraft im Lohnabrechnungsservice einstellen. Um deren
Finanzierung dauerhaft sicherzustellen, mussten zähe Verhandlungen
mit dem Sozialamt geführt werden, die schließlich eine ausreichende
Finanzierung der einzelnen durchgeführten Lohnabrechnungen für
behinderte ArbeitgeberInnen zur Folge hatten.
Im April 2001 wurde eine zweite Vollzeit-Fachkraft angestellt, wodurch
der VbA inzwischen knapp 100 behinderte ArbeitgeberInnen bei der Abrechnung
ihrer persönlichen AssistentInnen unterstützen kann. Die knapp
100 ArbeitgeberInnen beschäftigen ungefähr 700 AssistentInnen.
Der Lohnabrechnungsservice liefert bei seiner Dienstleistung den behinderten
ArbeitgeberInnen nicht nur die komplette Lohnabrechnung für die
AssistentInnen, sondern auch alle Zahlen-Unterlagen zur Nachweisführung
gegenüber dem Sozialhilfeträger. Diese professionellen und
standardisierten Unterlagen sind eine auch für das Sozialamt sehr
wertvolle Leistung, da auch die SachbearbeiterInnen besser damit zurecht
kommen. Dies ist auch der Grund für die Finanzierung der Lohnabrechnungen
durch das Sozialamt.
Ausblick
Die Beratungsstelle des VbA-Selbstbestimmt Leben lebt insgesamt gesehen
sehr stark von ihren Angeboten bezüglich der Unterstützung
bei der Beschäftigung und Abrechnung von AssistentInnen im Privathaushalt.
Der Lohnabrechnungsservice ist in diesem Zusammenhang eine zentrale
Abteilung in unserer Beratungsstelle.
Es ist vorstellbar, dass auch zukünftige gesetzliche Regelungen
zur bundesweiten Finanzierung von persönlicher Assistenz in ihrer
praktischen Umsetzung leichter gemacht werden können, unter Zuhilfenahme
der Vorstellung von der Existenz solcher Lohnabrechnungsstellen, wie
die des VbA-Selbstbestimmt Leben in München. Ein sowohl für
Finanzgeber, als auch für behinderte ArbeitgeberInnen akzeptables
Verbindungselement ist damit möglich.
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