Bundesverband
Forum selbstbestimmter Assistenz behinderter Menschen e.V.


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Assistenzgenossenschaften

von Elke Bartz

Eine Assistenzgenossenschaft dient dem Zweck, selbstbestimmte, persönliche Assistenz bedarfsgerecht zu organisieren bzw. zu vermitteln. Leistungen der Assistenzgenossenschaft erhalten ausschließlich Genossenschaftsmitglieder. Voraussetzung für die Mitgliedschaft ist der Erwerb von Genossenschaftsanteilen. Es können jedoch auch Menschen die Mitgliedschaft erwerben, die zu Beginn der Mitgliedschaft noch keine Assistenzleistungen beanspruchen (wollen).

Die AssistentInnen werden von der Assistenzgenossenschaft eingestellt. Sie stehen damit nicht in einem abhängigen Arbeitsverhältnis zu den AssistenznehmerInnen. Die Assistenzgenossenschaft garantiert den vollen arbeitsrechtlichen Schutz und ermöglicht, bei Bedarf und auf Wunsch, den Wechsel zu anderen AssistenznehmerInnen. Sowohl Vertragsabschlüsse, als auch Abrechnungen und Leistungskontrollen erfolgen über die Assistenzgenossenschaft. Im Idealfall dient die Assistenzgenossenschaft als neutrale Mittlerin zwischen AssistenznehmerInnen und AssistentInnen.

Die Mitgliedschaft und Inanspruchnahme der Leistungen einer Assistenzgenossenschaft eignet sich für Menschen, die ein selbstbestimmtes Leben mit persönlicher Assistenz führen, die damit verbundene Verwaltungsarbeit und Verantwortung jedoch nicht alleine übernehmen können oder wollen. Dennoch verfügen sie über das Recht, ihre AssistentInnen selbst auszuwählen, auf ihre speziellen Bedürfnisse zu schulen und die Dienstpläne selbst zu gestalten. Ihre Kompetenzen bleiben ihnen also sehr weitgehend erhalten. Auf Wunsch und bei Bedarf können (Teil-)kompetenzen auch von der Assistenzgenossenschaft übernommen werden.

So kann ein Kunde der Bremer Assistenzgenossenschaft seine AssistentInnen wegen der Schwere seiner Beeinträchtigung (Apallisches Syndrom mit völligem Sprachverlust) nicht selbst anwerben. Diese Anwerbung übernimmt die Assistenzgenossenschaft, wobei der Assistenznehmer jederzeit das Recht hat, die vorgeschlagenen BewerberInnen abzulehnen. Die letztendliche Entscheidung und damit die Personalkompetenz bleibt ihm so trotz schwerster Beeinträchtigung erhalten.

Genossenschaftsmitglieder genießen also die meisten Vorzüge des Arbeitgebermodells, ohne die damit verbundene Verantwortung im verwaltungstechnischen Bereich.

In der Bundesrepublik existieren zur Zeit (Herbst 2001) lediglich zwei tatsächlich funktionierende Assistenzgenossenschaften. Diese befinden sich in Bremen und Hamburg.

Eine Mindestanzahl von AssistenznehmerInnen (10-15) je Assistenzgenossenschaft ist wünschenswert, damit diese zufriedenstellend funktionieren kann (z.B. um die Vorhaltekosten für Bereitschaftsdienste zu kompensieren). Die Anzahl von 50 AssistenznehmerInnen sollte möglichst nicht überschritten werden, um die Transparenz der Tätigkeiten für die einzelnen Genossenschaftsmitglieder nicht zu gefährden.

Das Beispiel der Bremer Assistenzgenossenschaft in der Praxis

Die Bremer Assistenzgenossenschaft gründete sich 1990 (Foto links: Mitbegründer Horst Frehe). Ihre Arbeit nahm sie 1991 auf. Sie zählte im Herbst 1998 rund 70 Mitglieder, davon 51 AssistenznehmerInnen sowie 226 AssistentInnen. Die AssistenznehmerInnen leben mit den unterschiedlichsten Beeinträchtigungen in ihren eigenen Wohnungen in Stadtteilen ihrer Wahl und nicht in eigens für sie geschaffenen Wohngruppen- oder häusern, was zwangsläufig eine Ghettoisierung zur Folge hätte.

Der jeweilige Assistenzumfang reicht von 2 Stunden bis 26 Stunden täglich. Die 26 Stunden resultieren aus dem Bedarf von zwei AssistentInnen, die für bestimmte Verrichtungen gleichzeitig benötigt werden.

Es besteht keine Altersbeschränkung. Der jüngste Assistenznehmer der Bremer Assistenzgenossenschaft ist 16, die älteste 82 Jahre alt!

Fazit: Assistenzgenossenschaften bieten eine Alternative zum ArbeitgeberInnenmodell. Sie eignen sich vor allem für Menschen, die die Vorzüge des ArbeitgeberInnenmodells nutzen wollen, ohne die Verantwortung für die Verwaltungsaufgaben zu übernehmen (übernehmen zu können). Dadurch werden nicht vorhandene Kompetenzen ausgeglichen, ohne die Selbstbestimmung zu verlieren.

 

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