Forum 2
Finanzierung, rechtliche Verankerung der Persönlichen Assistenz
und Kostenvereinbarungen
Auf
dem Podium: Hannes Messerschmid (VbA München), sein Assistent Michael
Stocker, Daniela Reinold, Moderation (Berliner ZsL), Jutta Prem, Bundesministerium
für Gesundheit und Soziale Sicherung)
Thesen zu diesem Forum
Bericht zum Forum 2
1. Struktur, Verlauf, Stimmung
Das Thema des Forums stieß auf großes Interesse, so dass
rund 70 TeilnehmerInnen anwesend waren. Daniela Reinhold (Berliner Zentrum
für Selbstbestimmtes Leben e.V. und Netzwerk behinderter Frauen
Berlin e.V.) moderierte das Forum.
Zunächst skizzierte Johannes Messerschmidt vom Verbund behinderter
ArbeitgeberInnen, München, die gegenwärtige Situation der
Betroffenen. Jutta Prem, Abteilung Rehabilitation, Mitarbeiterin in
der Projektgruppe „Reform der Sozialhilfe" im Bundesministerium
für Gesundheit und Soziale Sicherung (BMGS) erläuterte den
Diskussionsstand in ihrem Haus.
Die anschließende Diskussion wurde in drei Blöcke gegliedert:
Zunächst stellten die Teilnehmerinnen in einer allgemeinen Diskussionrunde
Fragen zu den Kurzreferaten und brachten eigene Erfahrungen ein. Der
zweite Diskussionsblock beschäftigte sich mit den von Johannes
Messerschmidt vorbereiteten und von Daniela Reinhold vorgetragenen „Thesen
zur rechtlichen Verankerung der persönlichen Assistenz".
Im dritten Diskussionsabschnitt ging es um die „Thesen zur Finanzierung
der persönlichen Assistenz" und um die „Thesen zu Kostenvereinbarungen
in diesem Arbeits- bzw. Leistungsbereich", wiederum vorbereitet
von Johannes Messerschmidt und von Daniela Reinhold vorgetragen.
Die Diskussion war lebhaft, zum Teil kontrovers, aber immer sachlich
und ergebnisorientiert.
2. Die gegenwärtige Situation der Betroffenen
Durch die Ausführungen von Johannes Messerschmidt und die Diskussionsbeiträge
der TeilnehmerInnen wurde das Hauptproblem der Betroffenen deutlich:
Die notwendige Assistenz wird von verschiedenen Kostenträgern finanziert,
was mit unterschiedlichen Beantragungsverfahren, unterschiedlichen Überprüfungsverfahren
sowie unterschiedlichen Abrechnungs- und Nachweisverfahren verbunden
ist.
Als weiteres schwerwiegendes Problem wurde der Paragraph 3a des Bundessozialhilfegesetzes
(BSHG) genannt, der einen Kostenvorbehalt für ambulante Leistungen
enthält, so dass Betroffene mit großem Assistenzbedarf von
einer Heimeinweisung aus Kostengründen bedroht sind.
3. Lösungsvorschläge der Betroffenen
Die
beste Lösung aus Sicht der Betroffenen wäre ein steuerfinanziertes
Leistungsgesetz, das auch vom Deutschen Behindertenrat (DBR) gefordert
wird.
Da dieser Ansatz momentan nicht zu realisieren ist, formulierten die
Betroffenen Forderungen, die sie für durchsetzbar halten:
- Im Sozialgesetzbuch IX (SGB IX) muss eine Legaldefinition der persönlichen
Assistenz als Leistung zur Teilhabe behinderter Menschen am Leben in
der Gesellschaft als eigenständiges System verankert werden.
- Darüber hinaus ist im SGB IX ein gemeinsamer Rechtsanspruch auf
persönliche Assistenz zu verankern.
- Die Betroffenen sollen sich nur noch mit einem Kostenträger auseinandersetzen
müssen.
- Es muss einheitliche Verfahren zur Beantragung, zur Bedarfsprüfung,
zur Abrechnung und zum Nachweis bei Leistungen zur persönlichen
Assistenz geben.
- Die Regelungen müssen bundesweit gelten, einmal festgestellte
Bedarfe müssen auch beim Umzug in ein anderes Bundesland ohne Neubeantragung
weiter gültig sein.
- Stundenbedarfe und Stundensätze sind zu definieren.
- Die Pflegeversicherung ist als Rehabilitationsträger ins SGB
IX aufzunehmen.
- Kostenvereinbarungen sind zwischen Verbänden behinderter ArbeitgeberInnen
und den Kostenträgern unter Beteiligung solcher ambulanter Pflegedienste,
die persönliche Assistenz anbieten, auszuhandeln.
Über die Position der AssistentInnen konnte aus Zeitgründen
nicht intensiv diskutiert werden. Vorgeschlagen wurde, sie durch Rahmentarifverträge
- ähnlich wie in Schweden - abzusichern.
4. Die Position des BMGS
Im BMGS wird derzeit an einer Reform der Sozialhilfe gearbeitet. Ein
entsprechender Referentenentwurf soll vor der Sommerpause vorliegen,
das erarbeitete Gesetz soll zum 1. Januar 2004 in Kraft treten.
Gedacht ist dabei an die Einführung eines trägerübergreifenden,
bedarfsdeckenden Budgets, das alle Formen der Hilfe einschließt.
Die Leistungen sollen aus einer Hand gewährt werden.
Der Zugang (Assessment) soll standardisiert werden und verbindlich
für alle Kostenträger gelten. Überprüfungen, ob
sich der Bedarf verändert hat, sollen in periodischen Abständen
erfolgen.
In dem Reformgesetz soll außerdem eine Budgetassistenz verankert
werden, die den Betroffenen dabei hilft, sich ihre Assistenz als ArbeitgeberInnen
zu organisieren.
Jutta Prem betonte, die Gesetzesinitiative erfolge nicht, um an den
Leistungen für die Betroffenen zu sparen. Bezüglich des geplanten
Gesetzes vertrat sie die Auffassung „jetzt oder nie".
5. Zusammenfassung und Perspektiven
- Ein steuerfinanziertes Leistungsgesetz zur Absicherung der persönlichen
Assistenz ist sinnvoll und wünschenswert, aber derzeit unrealistisch.
- Eine gesetzlich verankerte Legaldefinition des Begriffes der persönlichen
Assistenz wird von den Betroffenen gefordert, vom BMGS aber für
nicht notwendig gehalten.
- Die Betroffenen fordern einen Rechtsanspruch aus persönliche
Assistenz. Im BMGS wird noch diskutiert, ob es einen Rechtsanspruch
geben soll, oder ob Leistungen zur persönlichen Assistenz als Ermessensleistungen
gewährt werden sollen.
- Hinsichtlich des Paragraphen 3a des BSHG fordern die Betroffenen eine
Streichung des Kostenvorbehalts; im BMGS wird diese Frage noch diskutiert.
- Die Betroffenen bitten das „Forum behinderter JuristInnen"
die Ansprüche und Forderungen in Gesetzessprache zu fassen.
Berichterstatterin: Dr. Sigrid Arnade, JoB.-Medienbüro (Berlin)
Berlin, den 5. Mai 2003