Berlin,
12. September 2005
Ende der ersten Etappe - Fortsetzung folgt…
Am 26. September 2004 fand im Kleisthaus, meinem Amtssitz die Auftaktveranstaltung
zu der Kampagne "Marsch aus den Institutionen - Reißt die
Mauern nieder" statt. Ich habe diese Kampagne gern unterstützt
und die - behinderten und nichtbehinderten - Teilnehmer des Berlin-Marathons,
der an diesem Tag stattfand, bewundert, die mit ihrem Einsatz und ihrem
Durchhaltevermögen für diese Kampagne eingetreten sind.
Und sie haben nicht nur an diesem einen Tag ihr Durchhaltevermögen
unter Beweis gestellt, sondern auch in dem vergangenen ersten Jahr der
Kampagne, das nun hinter uns liegt.
Der Marsch aus den Institutionen hat begonnen und er wird weitergegangen.
Stein für Stein wird aus den Mauern herausgehauen, um sie ins Wanken
zu bringen und schließlich einstürzen zu lassen. Die Erfolge
der Regierungskoalition für mehr Teilhabe, Gleichstellung und Selbstbestimmung
behinderter Menschen sind offenkundig.
Es ist Zeit, über ganz neue Lebensformen behinderter Menschen nachzudenken,
die dem berechtigten Wunsch behinderter Menschen nach umfassender Teilhabe
und Selbstbestimmung nachkommen. Die Gesellschaft befindet sich in einem
Lernprozess, der für alle fruchtbar sein wird. Die Tatsache, dass
unsere Gesellschaft immer älter und die Ressourcen knapper werden,
bietet dabei eine zusätzliche Chance.
Die Träger stationärer Einrichtungen sind aufgefordert, stärker
als bisher den entsprechenden Herausforderungen unserer Zeit gerecht
zu werden und ihre Klientel in ambulante Wohnformen zu entlassen sowie
sie dabei zu unterstützen. Der Stein "ambulant vor stationär"
ist ins Rollen gekommen, durch die Stärkung des Wunsch- und Wahlrechtes,
durch die Beseitigung von finanziellen Nachteilen bei ambulanten Wohnformen,
durch die Einführung des Persönlichen Budgets.
Dass wir uns nicht damit begnügen, sondern auch Konzepte für
die Zukunft haben, zeigen exemplarisch die von der Koalitionsarbeitsgruppe
Menschen mit Behinderungen erarbeiteten "Eckpunkte zur Weiterentwicklung
des SGB IX" und der vom Bundestag verabschiedete Antrag der Koalitionsfraktionen
"Die Erfolge in der Politik für behinderte Menschen nutzen
- Teilhabe und Selbstbestimmung weiter stärken" (Bundestagsdrucksache
15/5463). Darin stellen wir uns der Herausforderung, dass die Gestaltung
der Lebenssituation behinderter Menschen eine Querschnittsaufgabe darstellt.
Es gilt, viele Politikfelder wirksam miteinander zu verzahnen.
Das Erfolgsmodell Persönliches Budget gilt es weiter auszugestalten,
um durch die Einbeziehung möglichst vieler Sachleistungen zu einer
trägerübergreifenden und bedarfsgerechten Komplexleistung
zu gelangen. In Konsequenz können behinderte und ältere Menschen
sich dann die benötigten Leistungen eigenverantwortlich und entsprechend
ihren Bedürfnissen und Prioritäten organisieren.
Im Mittelpunkt einer Weiterentwicklung der Eingliederungshilfe für
Menschen mit Behinderungen muss die wirksame Sicherung der vollen Teilhabe
stehen. Es gilt dabei, die verschiedenen Lebenslagen von behinderten
Menschen zu berücksichtigen. Ziel ist eine Normalisierung der Lebensverhältnisse.
Dementsprechend müssen die Kriterien für eine Wirksamkeitskontrolle
ausgestaltet werden.
Die verschiedenen Rehabilitationsträger haben also zwei zentrale
Zukunftsaufgaben zu bewältigen, die gleichberechtigt in Einklang
zu bringen sind:
" Unterstützung der Emanzipation behinderter Menschen durch
Eingliederungshilfe, die sich an Selbstständigkeit, Selbsthilfe
und Selbstbestimmung orientiert sowie
" Dämpfung des unter gleich bleibenden Rahmenbedingungen
unabweisbaren und auch unaufhaltsamen erheblichen Kostenanstiegs durch
Veränderung der derzeitigen Versorgungsstrukturen in der Eingliederungshilfe
bei gleichzeitiger Sicherung der Qualität der Leistungen, beispielsweise
durch Ausbau des ambulant betreuten Wohnens, Leistungen aus einer Hand,
Persönliches Budget.
Es geht also um eine Fortentwicklung der Leistungsstrukturen, für
die wir - falls notwendig - auch weitere strukturgesetzliche Regelungen
vornehmen werden.
Gemeinsam mit behinderten Menschen und ihren Organisationen werden wir
uns den künftigen behinderten-, sozial- und finanzpolitischen Herausforderungen
stellen. Wir suchen nach Wegen, das bisher Erreichte auf höchstmöglichem
Niveau, unter Berücksichtigung sich verändernder gesellschaftlicher
und demographischer Entwicklungen, fortzuführen.
Bereits erreichte und zukünftige Erfolge sind nicht vorstellbar
ohne die konstruktive Zusammenarbeit mit den Verbänden behinderter
Menschen. Dafür möchte ich Ihnen, als "Experten in eigener
Sache" auch an dieser Stelle ganz herzlich danken und sie ermutigen,
diesen Weg konsequent weiter zu gehen.
Karl Hermann Haack