Mitte der 90er Jahre trafen sich behinderte Menschen aus dem gesamten Bundesgebiet, um eine bundesweite, verbands- und vor allem behinderungsübergreifende Lobby für behinderte Menschen mit Assistenzbedarf zu schaffen. Einer der maßgeblichen Initiatoren dazu war Uwe Frevert von der Interessenvertretung Selbstbestimmt Leben (ISL e.V.) in Kassel. Er und einige andere erkannten frühzeitig die Problematik der damals bevorstehenden Pflegeversicherung, die auch Änderungen im damaligen Bundessozialhilfegesetz (BSHG) mit sich brachte.
So war es nicht verwunderlich, dass an den Treffen eine große Anzahl behinderter Frauen und Männer aus den unterschiedlichsten Vereinen und Verbänden teilnahm. Anlässlich zweier Treffen in Melsungen und Zierenberg war es dann 1995 soweit: Das Forum selbstbestimmter Assistenz behinderter Menschen gründete sich als Arbeitsgruppe mit Sprecherinnen und Sprechern für die Bereiche Presse- und Öffentlichkeitsarbeit, Finanzen und Koordination.
Wir etablierten uns schnell in der Arbeit für behinderte, speziell für Assistenz nehmende Menschen in Politik und Öffentlichkeit, nahmen an Veranstaltungen wie Demonstrationen und Tagungen zu den Themen Pflegeversicherung und BSHG teil, pflegten Kontakte mit PolitikerInnen.
Die Vereinsgründung 1997
Ohne Rechtsstatus und über das ganze Bundesgebiet verteilt wurde es immer schwieriger, auch langfristig effektiv und schnell agieren zu können. Die Gründung zum eingetragenen Verein (e.V.) wurde daher aus organisatorischen Gründen zwingend erforderlich. Dazu trafen am 18. April 1997 13 Personen in Würzburg zur Gründungsversammlung.
Die Arbeit und die Erfolge, sowie der stete Mitgliederzuwachs der vergangenen Jahre haben gezeigt, dass dieser Schritt richtig und sehr wichtig war, auch wenn er anfangs kaum auf Zustimmung stieß. Zwischenzeitlich nahmen wir an Tagungen teil und organisierten selbst diverse Veranstaltungen wie zum Beispiel Fortbildungen.
Kampagnen
Unsere erste etwas größere Veranstaltung war die "Straße der Menschenrechtsverletzungen" am 30. Mai 1998 in Kassel, die wir gemeinsam mit der ISL durchführten. Sie war auch gleichzeitig die erste von der Aktion Mensch geförderte (damals noch Aktion Sorgenkind).
Erfolgreich war unter anderem 2001 die Veranstaltungsreihe „Behinderte on Tour - für Menschenwürde in der Pflege". Sie führte in über 30 Städte und beinhaltete mehr als 60 Veranstaltungen. Kaum war die ebenfalls von der Aktion Mensch geförderte Tour zu Ende, ging es mit einer weiteren Tour durch Österreich. Innsbruck, Graz, Wien und Linz lauteten die Ziele. Beide Touren waren Informationsveranstaltungen mit dem Ziel, die Assistenz bekannter zu machen. Viele Menschen hatten (und haben bis heute) noch nie von der Möglichkeit gehört, die notwendigen Hilfen mittels Assistenz selbst zu organisieren.
Diesen Veranstaltungsreihen folgte 2002 die Kampagne "Faire Assistenz" mit insgesamt 31 Veranstaltungen. Mit dieser Kampagne haben wir den Rechtsanspruch auf gleiche Assistenzbedingungen im gesamten Bundesgebiet mit an Tariflöhnen orientierten Löhnen für die Assistentinnen und Assistenten eingefordert.
Im Jahr 2004 starteten wir die Kampagne "Marsch aus den Institutionen – Reißt die Mauern nieder!" Der von der Aktion Mensch geförderte Zeitraum ging über ein Jahr; doch der "Marsch" mit dem Ziel, dass behinderte und alte Menschen nicht mehr in "Heimen" leben müssen, geht auch darüber hinaus weiter. Schließlich gibt es immer noch Anstaltsmauern, die eingerissen werden müssen. Und sie können nicht endgültig fallen, bevor genügend ambulante Alternativen geschaffen wurden. Daran arbeiten wir nach wie vor. Im Dezember 2006 hat die behindertenpolitische Sprecherin der SPD-Bundestagsfraktion, Silvia Schmidt, die Initiative "Daheim statt Heim" ins Leben gerufen. Diese Initiative hat die gleichen Ziele wie der "Marsch", nämlich dass chancengleiche Leben und Arbeiten mitten in der Gemeinschaft. Daher ist es nur logisch, dass beide Initiativen miteinander kooperieren.
Assistenz im Krankenhaus
Es ist zwar "nur" eine kleine Facette im Leben mit Behinderung und Assistenz: das Angewiesensein auf Assistenz auch bei Krankenhausaufenthalten. Sich häufende Berichte über schlechte pflegerische und unterstützende Hilfen im (Akut-)Krankenhaus mit gravierenden Folgen wie beispielsweise Dekubiti (Druckstellen) und sogar zwei Todesfällen gaben den Ausschlag, die zwischen Oktober 2006 und September 2007 stattfindende Kampagne "Ich muss ins Krankenhaus – und nun?" durchzuführen. Im Jahr 2009 stehen wir unmittelbar vor einem erfolgreichen Abschluss dieser Kampagne.
Gesetz zur Sozialen Teilhabe
Im Jahr 2009 starteten wir zusammen mit ISL e.V. die Kampagne für ein bedarfsdeckendes, einkommens- und vermögensunabhängiges Gesetz zur Sozialen Teilhabe. Mit der UN-Behindertenrechtskonvention im Rücken haben wir alle Chancen, hier einen Durchbruch zu erzielen.
Weitere Veranstaltungen
Alle anderen Teilnahmen an Tagungen, Seminaren, Schulungen und Symposien außerhalb der Kampagnen an dieser Stelle aufzulisten ist unmöglich.
Zwei Veranstaltungen sollen jedoch noch explizit erwähnt werden: Am 21. und 22. Februar 2003, im Europäischen Jahr der Menschen mit Behinderungen (EJMB) waren wir die (einzige) Partnerorganisation der Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend. Gemeinsam mit uns hat das Ministerium seine Auftaktveranstaltung zum EJMB ausgerichtet.
Ebenfalls eine wichtige Veranstaltung war die gemeinsam mit der Interessenvertretung Selbstbestimmt Leben in Deutschland und dem Zentrum für selbstbestimmtes Leben Mainz veranstaltet Kernveranstaltung zur Assistenz im Rahmen des EJMB, die am 29. und 30. April 2003 stattfand.
Gremienarbeit
Wir haben in den vergangenen Jahren nicht nur mehrere Kampagnen durchgeführt und zahlreiche Veranstaltungen durchgeführt bzw. an Veranstaltungen anderer Organisatoren aktiv teilgenommen, sondern auch in diversen Gremien mitgearbeitet.
Wir waren von Juli 2001 bis Ende September 2005 in der Arbeitsgruppe Persönliches Budget im baden-württembergischen Sozialministerium während der gesamten Modellphase vertreten.
Vom Juli 2004 an arbeiten wir in der Arbeitsgruppe Persönliches Budget der Bundesarbeitsgemeinschaft für Rehabilitation (BAR) mit. Der Arbeitsschwerpunkt dieser AG liegt in der Erstellung "Handlungsempfehlungen zum Persönlichen Budget",
ForseA ist außerdem Mitglied des Qualitätszirkels Rehabilitation in der Regionalstelle Schwäbisch Hall der Deutschen Rentenversicherung Baden-Württemberg (DRV BW).
Besonderen Stellenwert hat die Mitarbeit in der "Arbeitsgruppe zur teilhabeorientierten Pflege" (Reform der Pflegeversicherung) von April bis Dezember 2006 der Beauftragten der Bundesregierung für die Belange behinderter Menschen, Karin Evers-Meyer. Das Ergebnis dieser Arbeit ist ein Positionspapier zur Reform der Pflegversicherung. Diese Mitarbeit zeigt, dass sich in den vergangenen zwölf Jahren doch einiges in der "Behindertenpolitik" gewandelt hat: Wurden wir 1994 / 95 "nach Hause" geschickt, als wir die Berücksichtigung und Mitarbeit bei der Konzeption zur Pflegeversicherung einforderten, waren wir jetzt zur Mitarbeit eingeladen.
Weitere Aktivitäten
Seit unserem Bestehen wurden der Zusatz in Artikel 3, Absatz 3 des Grundgesetzes "Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden" eingeführt und Gesetze wie das SGB IX (Gesetz zur Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen), das Bundesgleichstellungsgesetz (BGG) und das Bundesgleichbehandlungsgesetz (BGG) eingeführt. Alle diese Gesetzes bzw. der Schaffung haben wir aktiv eingefordert und begleitet.
In diversen Anhörungen und bei Ausschusstagungen des Bundes- und verschiedener Landtage konnten wir immer wieder als Sachverständige / Anzuhörende die Positionen von ForseA einbringen.
Außerdem führten wir mehrere Schulungen für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Gemeinsamen Servicestellen nach dem SGB IX sowie Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von Wohlfahrtsverbänden und Selbsthilfeorganisationen durch.
Nicht zuletzt beraten wir behinderte Menschen sowie deren Angehörige rund um die Themen Persönliche Assistenz, Arbeitgebermodell, Persönliches Budget und Pflegeversicherung.
Ende August 2005 haben wir ein "Anwaltsnetzwerk" ins Leben gerufen. Darin haben sich engagierte Anwältinnen und Anwälte aus dem gesamten Bundesgebiet zum Erfahrungsaustausch zusammengeschlossen. Neben alljährlichen Treffen haben wir zu diesem Austausch eine geschlossene Mailingliste eingerichtet, an der ausschließlich diese Anwältinnen und Anwälte sowie ForseA-Vorstandmitglieder beteiligt sind.
Eine weitere Mailingliste ist für die Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Seminare "Wie sag ich´s meiner Assistentin /meinem Assistenten" (Mai 2006 in Leipzig und September 2006 in Lobbach) eingerichtet.
2008 haben wir zum ersten Mal Budgetberaterinnen und -Berater geschult. Diese sind über eine Mailingliste vernetzt. So kann sichergestellt werden, dass Beratungsprobleme breit diskutiert und gelöst werden können. Durch die Beraterschulung sind wir mittlerweile auch regional besser vertreten.
Öffentlichkeitsarbeit
Unsere Mitgliedszeitschrift INFORUM war ursprünglich als Rundschreiben für Mitglieder konzipiert, entwickelte sich jedoch schnell zu einer Zeitschrift mit einer Auflage von mehreren Hundert Exemplaren, die ca. vierteljährlich erscheint und sich immer größerer Nachfrage erfreut.
Sie erschien erstmals 1996 als vierseitiger Rundbrief. Seit Dezember 1997 umfasst dieser längst zur Zeitschrift gemauserte Rundbrief zwischen 64 und über 100 Seiten, je nachdem, wie viel Berichtenswertes ansteht.
Die enge Kooperation mit den kobinet-nachrichten bietet eine sehr gute Basis, zielgerichtet den richtigen Leserkreis zu erreichen.
Etliche Zeitungsartikel, Radiointerviews und ganze -sendungen, sowie Fernsehbeiträge runden die umfangreiche Öffentlichkeitsarbeit ab.
Publikationen
Selbstproduzierte Publikationen sind die Dokumentation zur "Tour für Menschenwürde in der Pflege". Dieser folgten die Publikation "20 Jahre Assistenz – Behinderte auf dem Weg zu mehr Selbstbestimmung" und die Broschüre "Faire Assistenz".
Geradezu zum "Renner" hat sich das Mitte 2006 fertig gestellte Handbuch "Das Persönliche Budget – Ein Handbuch für Leistungsberechtigte " entwickelt, das in wenigen Wochen nach Erscheinen bereits 1000 Mal bestellt wurde.
Zusammenarbeit
ForseA arbeitet mit diversen anderen Organisationen zusammen. Besonders hervorzuheben ist die Zusammenarbeit mit der Interessenvertretung Selbstbestimmt Leben Deutschland (ISL. E.V.) und der Ende 2006 von der behindertenpolitischen Sprecherin der SPD-Bundestagsfraktion ins Leben gerufene Initiative "Daheim statt Heim".
Führungswechsel
Am 25. August 2008 starb unsere Gründungsvorsitzende Elke Bartz nach kurzer schwerer Krankheit. Ihre Stellvertreterin Isolde Hauschild übernahm bis zur HV 2009 am 18. April 2009 in Lobbach das Amt der ersten Vorsitzenden. Sie wurde am 18.04.2009 bei den Wahlen anlässlich der Hauptversammlung in Lobbach von Gerhard Bartz abgelöst.