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Gefallen uns die Personenbezogene Pflegebudgets wirklich?

INFORUM: Ausgabe 1/2004

Gefallen uns die Personengebundenen Pflegebudgets wirklich?

Ein Kommentar von Carsten Sporkmann

Personengebundene Pflegebudgets - oder kurz: Persönliche Budgets - sind gegenwärtig überall in Mode. Deshalb lohnt es sich, die Ausführungen von Thomas Klie im Artikel „Wie es Euch gefällt: Personenbezogene Pflegebudgets proben den Auftritt" einzuschätzen.

Mit einer Experimentierklausel fängt erst einmal alles an. Damit klingt alles schön harmlos, damit kann erst einmal ausprobiert werden. Dass die Budgetleistungen sich in Höhe der Sachleistungen orientieren SOLLEN, mag einleuchten. Kritisch erscheint mir aber die Umsetzung durch die Kostenträger, die die Beträge eher andersherum anpassen möchten. Die für viele assistenznehmenden Menschen viel wichtigeren Sozialhilfeleistungen (SGB XII/BSHG) werden - wie so oft - auch von Thomas Klie erst versteckt behandelt.

Er sagt natürlich, dass es eine Limitierung durch die Kostenträger geben kann, wodurch das Individualisierungsprinzip gemäß § 3 (und § 3a) BSHG noch weiter eingeschränkt wird. Insofern mag es nicht weiter verwundern, dass er hier auf Wettbewerb setzt. Schwarze bzw. graue Märkte werden (wieder) weiß? Da muss das Finanztableau stimmen!

Die von Klie bestätigten nicht positiven Erfahrungen mit Persönlichen Budgets (PBs) im SGB XI bestätigen, dass die Pflegeversicherung nicht einfach so reformiert werden kann. Der von Klie unter fachwissenschaftlicher Sicht festgestellten Präferenz für die Pflegegeldleistungen muss ich entgegenhalten, dass es sich um eine gewisse Ausbeutung von Pflegepersonen handelt, da diese nicht in entgeltpflichtigen normalen Arbeitsverhältnisen beschäftigt sind. Er bestätigt indirekt auch, dass trotz der großen Präferenz für die Pflegegeldleistung nach wie vor im ambulanten Bereich Defizite bestehen. Diese resultieren daraus, dass niemand gerne im Heim leben möchte; insofern wird eben das Pflegegeld als die bessere Variante betrachtet.

Dass Klie Assistenz als Suffix „ambulanter Angebote" nennt und dann noch mit dem Zivildienst verknüpft, ist eine Verkennung und Verhöhnung assistenznehmender Menschen: Die Frage von Zwangsdiensten und Fremdbestimmung ist hier gar nicht diskutiert! Das Arbeitgebermodell ist als ebenso professionelle Alternative zu Ehrenamtlichkeit, Familienfron und sozialen Diensten offensichtlich übergangen worden.

Gleichwohl ist anzuerkennen, dass Klie hiermit auch wieder das primäre Sozialrecht der Pflegeleistungen (SGB XI) als untauglich ansieht. Dass die Pflegedienste ihr Angebot verändern und flexibilisieren sollen, ist schön und gut, aber um welchen Preis? Die Verhinderung oder Hinauszögerung von Heimeinweisungen ist zwar auch unser Anliegen. Ob aber die Persönlichen Budgets insbesondere bei umfangreicheren Assistenzbedarfen etwas verhindern können, wage ich zu bezweifeln.

Warum erwähnt Klie - wie viele andere auch - nicht das schwedische Modell? Es mag das fortschrittlichere sein, findet aber im Gegensatz zu den abgespeckteren Varianten hierzulande kaum publizistischen Niederschlag! Persönliche Budgets gibt es de jure in Deutschland nur in München, aber faktisch auch in Rheinland-Pfalz (mit Ergänzungsleistungsanspruch bei Bedarf). Auch das wird wieder nicht erwähnt.

Die von Klie festgestellten Gefahren - insbesondere (pflegefachliche) Qualitätseinbußen, Missbrauch und Dumpingjobs - können wir aus der Sicht assistenzabhängiger Menschen deutlich bestätigen.

Die Case Manager sollen beraten - und kontrollieren. Schärfer als der MDK? Dem müsste dadurch entgegen gewirkt werden, dass Peer Counceling-Fachkräfte mit ihrem eigenen Know-How umfassend eingebunden werden. Nur dann wären Case Manager akzeptabel.

Ob durch die direkten Zuwendungen in Geldform auch das Versorgungsniveau steigt, ist nicht abschließend einzuschätzen. Es hängt wieder von der finanziellen Ausstattung ab! Da kann er sich hinter komplexen Erklärungsversuchen verstecken. Denn die Sachleistungen sinken ja auch durch den gedeckelten Betrag und steigende Lohnkosten.

Die Zusammenführung von bedarfsorientierten, ausreichenden Leistungen aus einer Hand muss Vorrang haben. Darauf geht Klie aber nicht direkt ein, er bezieht sich nach wie vor auf den „Mix" von Pflege-, Sozialhilfe- und Rehaleistungen. Das trägt zwar den herrschenden gesetzlichen Bestimmungen und insbesondere der Pflegeversicherung Rechnung, nicht aber dem Wunsch vieler Betroffener!

Die immer wieder geforderte Einführung von Messinstrumenten müssen wir insofern als weiteren Schritt zum gläsernen Behinderten ansehen. Die Folge daraus ist eine stärkere Reglementierung und Beschneidung der Wahlfreiheiten. Das Metzler-Verfahren lässt grüßen: Wer nicht in die Kategorie reinpasst, bekommt demnächst nicht mehr die adäquate Assistenz, die benötigt wird.

Auch die einheitliche Prüfung von Voraussetzungen ist - zutreffend - ein Erfolg für das Persönliche Budget. Dass Klie die Einführung des Persönlichen Budgets nur im Zusammenhang mit dem Rationalisierungs- und Einsparpotenzial in Verbindung bringt, ist nur die eine, aber die wichtigere Seite. Es fällt der Aspekt der Umverteilung aus dem Blickwinkel: Nicht Einsparungen, sondern Umverteilung im bisherigen System ist vonnöten. Und zwar von den stationären Einrichtungen weg hin zu den ambulanten Leistungsformen.

Insgesamt erscheint mir der Artikel ein bisschen zu rosarot geschrieben. Thomas Klie fokussiert sich primär auf den ambulanten Bereich und sucht hier eine Neustrukturierung innerhalb dieses Teilsystems zu skizzieren.

Assistenzabhängige Menschen mit Behinderungen sind jedoch häufig in stationären Einrichtungen untergebracht. Sie sind weiterhin benachteiligt, denn der Kostenvorbehalt für die Inanspruchnahme persönlicher Assistenz wird nicht aufgehoben. Und ohne eine deutlichere Distanzierung vom stationären System wirkt der Artikel von Klie nicht gerade überzeugend. Die Praxis der Verwaltungen sieht nämlich ganz anders aus!

So können uns die Personengebundenen Pflegebudgets nicht gefallen!

Die Frage von Zwangsdiensten und Fremdbestimmung ist hier gar nicht diskutiert! Das Arbeitgebermodell ist als ebenso professionelle Alternative zu Ehrenamtlichkeit, Familienfron und sozialen Diensten offensichtlich übergangen worden. Gleichwohl ist anzuerkennen, dass Klie hiermit auch wieder das primäre Sozialrecht der Pflegeleistungen (SGB XI) als untauglich ansieht. Dass die Pflegedienste ihr Angebot verändern und flexibilisieren sollen, ist schön und gut, aber um welchen Preis? Die Verhinderung oder Hinauszögerung von Heimeinweisungen ist zwar auch unser Anliegen. Ob aber die Persönlichen Budgets insbesondere bei umfangreicheren Assistenzbedarfen etwas verhindern können, wage ich zu bezweifeln.

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