Kein Geld für die Liebe?
von Elke Bartz
Wer jetzt etwas über käufliche Liebe lesen will, kann getrost
weitersurfen. Hier geht es nicht um Prostitution oder bezahlte Körperkontaktdienste
wie „Sensis" aus Wiesbaden. Hier geht es um Benachteiligungen
von (Ehe-) paaren, die sich ihre Beziehungen eigentlich finanziell nicht
leisten können, weil eine/r von ihnen auf Assistenz durch Dritte
angewiesen ist.
Noch immer werden behinderte Menschen von ihrer nichtbehinderten Umgebung
eher als sexuelle Neutren, seltener als potenzielle PartnerInnen wahrgenommen
und akzeptiert. Aktive, gut aussehende, vor allem selbstbewusste und
nicht auf Assistenz angewiesene Menschen mögen es bei der PartnerInnensuche
einfacher haben.
Doch auch die anderen, auf die eine oder mehrere der obigen Auflistungen
nicht zutreffen, haben die gleichen Wünsche, Sehnsüchte und
Bedürfnisse wie alle anderen – gleichgültig ob behindert
oder nicht – auch. Ob lesbisch, schwul oder hetero: Die wenigsten
leben gerne ohne Beziehung. Dabei geht es nicht um Trauschein oder um
die sogenannte wilde Ehe, die im amtsdeutsch als eheähnliche Gemeinschaft
bezeichnet wird. Es geht um Paare, die ihr Leben zusammen verbringen
wollen. Vollkommen normal und legitim? In der Regel ja!
Aber.....
Es ist nicht immer einfach, wenn ein/e PartnerIn Assistenzleistungen
benötigt. Schon die ständige Anwesenheit von AssistentInnen
kann eine große Belastung darstellen. Privatsphäre und Intimität
lassen sich nicht immer einfach und unbeschwert leben, wenn Dritte in
der Wohnung sind. Mit viel Taktgefühl und Verständnis lassen
sich solche Probleme jedoch lösen.
Also Friede, Freude, Eierkuchen? Mitnichten, denn Assistenzleistungen
kosten in der Regel Geld. Nicht jede Partnerschaft „überlebt",
wenn plötzlich ein/e PartnerIn zur Pflegeperson der/des anderen
wird. Die Abhängigkeit voneinander ist zu groß, Konflikte
können nicht mehr „normal" ausgetragen werden. Erotik
und Sexualität gehen manchesmal im Pflegealltag unter.
Also werden (ergänzende) Leistungen ambulanter Dienste oder Assistenz
nach dem ArbeitgeberInnenmodell in Anspruch genommen. Und hier beginnen
häufig die finanziellen Probleme. Sobald zwei Menschen Bett und
Tisch teilen, also gleichgültig ob verheiratet oder nicht, wird
das als Wirtschaftsgemeinschaft angesehen. Ein gemeinsamer Kühlschrank,
erst recht ein gemeinsames Konto, dienen Behörden als Beweis. Solche
Lebensgemeinschaften müssen laut Gesetzgeber auch finanziell füreinander
einstehen. Zieht ein Paar also zusammen oder heiratet gar, wird das
Einkommen und Vermögen beider zusammengerechnet.
Höhere Assistenzkosten als die, die durch einkommens- und vermögensunabhängigen
Leistungen von Pflegeversicherung oder z.B. Haftpflichtversicherungen
gedeckt werden, müssen die Sozialhilfeträger übernehmen.
Da Sozialhilfeleistungen einkommens- und vermögensabhängig
gewährt werden – also nachrangig sind - muss also zunächst
das eigene Einkommen und Vermögen eingesetzt werden. Im Klartext:
PartnerInnen müssen für die Assistenzkosten ihrer behinderten
LebensgefährtInnen aufkommen.
Das bedeutet ein Leben auf Sozialhilfeniveau. Zwar gelten bei der Hilfe
zur Pflege, der sogenannten Hilfe in besonderen Lebenslagen, höhere
Freibeträge als bei der Hilfe zum Lebensunterhalt. Doch ist es
nicht mehr möglich, uneingeschränkt über das eigene Einkommen
zu verfügen, wenn es diesen Freibetrag übersteigt. Auch Ansparungen
für größere Anschaffungen oder vielleicht eine teuere
Fernreise sind unmöglich. Häufig muss der Kauf oder Besitz
eines neuen oder neuwertigen PKWs vor dem Sozialhilfeträger gerechtfertigt
werden. Ansonsten wird das Nutzen eines älteren Fahrzeuges zugemutet.
Auf die genauen Beträge soll hier nicht eingegangen werde, da sie
schwanken. Bei der Berechnung der Einkommensfreibeträge spielen
zum Beispiel die Höhe der Miete, die Anzahl etwaiger Kinder, Fahrtkosten
zur Arbeitsstelle etc. eine Rolle. Der Vermögensfreibetrag beträgt
z.B. zurzeit 8000 DM. Dazu kommen Freibeträge für Ehegatten
und Kinder etc. Ein „kleines, selbstbewohntes Wohneigentum",
nicht aber eine Luxusvilla zählen ebenfalls zum Schonvermögen.
Das über dem Freibetrag liegende Einkommen muss nicht komplett,
sondern in der Regel zur Hälfte für die Assistenzkosten eingesetzt
werden (Beispiel: errechneter Einkommensfreibetrag 3500 DM, Einkommen
5000 DM, übersteigendes Einkommen 1500 DM, einzusetzendes Einkommen
750 DM). Am sprichwörtlichen Hungertuch muss sicher niemand nagen.
Dennoch stellen die entsprechenden Gesetze eine große Benachteiligung
und Diskriminierung dar.
Niemals, egal wieviel die PartnerInnen arbeiten und verdienen, können
sie wie ihre nichtbehinderten Freunde, Bekannten und Arbeitskollegen
über ihr Einkommen verfügen. Sie können sich nie die
gleichen Lebensstandards leisten wie ihre Nachbarn, die das gleiche
verdienen.
Kein Wunder, wenn nichtbehinderte PartnerInnen sich scheuen, mit ihren
behinderten Partnerinnen zusammen zu ziehen. Wer läuft schon gerne
in eine „finanzielle Benachteiligung der Liebe wegen"?
Als Lösungen gibt es nur wenige Möglichkeiten: entweder werden
die finanziellen Nachteile akzeptiert, oder eine Beziehung kommt erst
gar nicht zustande. Es gibt natürlich noch die Möglichkeit,
die Partnerschaft zu leugnen und lediglich als Wohngemeinschaft zu deklarieren.
Dann muss erst die Behörde beweisen, dass es sich um eine Wirtschaftsgemeinschaft
handelt. Doch ein schaler Beigeschmack bleibt. Sich nicht zu der/dem
PartnerIn bekennen zu können, in der Öffentlichkeit nicht
miteinander vertraut sein zu dürfen, eigentlich nicht legal zusammen
zu leben, liegt nicht jedem und belastet eine solche Beziehung enorm.
Andere wagen es gar nicht, eine häusliche Gemeinschaft zu bilden
und behalten lieber jede/r die eigene Wohnung.
Es kann letztendlich nur geschätzt und vermutet werden, wie viele
Partnerschaften angesichts der aktuellen Gesetzeslage gar nicht erst
zustande kommen oder wieviel engere Beziehungen unter diesem Druck scheitern.
Im Ãœbrigen sind nicht nur Partnerschaften betroffen, in denen ein/r
nichtbehindert ist. Auch wenn beide PartnerInnnen behindert sind, müssen
sie finanziell füreinander einstehen, sobald eine/r auf bezahlte
Assistenz angewiesen ist.
Hoffnung machte das angekündigte SGB IX, das ab 1.1.2001 in Kraft
treten soll.
Hieß es doch, die Leistungen für behinderte Menschen würden
aus dem BSHG herausgenommen und in einem eigenen Gesetz verankert. Es
steht zu befürchten, dass diese Hoffnungen wieder einmal (siehe
Pflegeversicherung) enttäuscht werden. Trotz etlicher Diskussionen
sieht es derzeit so aus, als ob nur die Leistungen für berufstätige
Menschen und die Eingliederungshilfen künftig im SGB IX geregelt
werden. Wenn die Hilfe zur Pflege (§ 68ff ) nicht in den Bereich
des SGB IX kommen, gibt es wieder eine Mehrklassengesellschaft. Wieder
würden nur diejenigen, die berufstätig sein können, einen
weiteren Schritt zu einem gleichberechtigten Leben in der Gesellschaft
gehen können. Die anderen müssten weiterhin auf dem Sozialhilfeniveau
leben. Kein Wunder, wenn manche Partnerschaft aus Angst vor finanziellen
Problemen gar nicht erst zustande kommt, oder zumindest nicht ganz legal
und heimlich gelebt wird.
Es bleibt wieder einmal an uns, im Vorfeld des SGB IX diese Diskriminierungen
zu thematisieren und vehement deren Beseitigung zu fordern, denn: auch
die Liebe zu einem behinderten Menschen mit Assistenzbedarf darf nicht
am Geld scheitern.