Öffentliche Anhörung des Deutschen Bundestages zum
            Qualitätssicherungsgesetz in der Pflegeversicherung im Reichstag
 
            
in Berlin 
 
            
Bianka Becker nimmt für das Forum selbstbestimmter
            Assistenz behinderter Menschen e.V. teil
            
Zur Anhörung in Berlin am 4.4.2001 von Bianka Becker
 
            
Sicher war die öffentliche Anhörung des
            Gesundheitsausschusses im Berliner Reichstag am 04.04.2001 zu dem Gesetzentwurf
            der Bundesregierung
 
            
              
	- Entwurf eines Dritten Gesetzes zur Änderung des
                Heimgesetzes
               
	- Entwurf eines Gesetzes zur Qualitätssicherung und zur
                Stärkung des Verbraucherschutzes in der Pflege
                (Pflege-Qualitätssicherungsgesetz - PQsG)
               
	- Entwurf eines Gesetzes zur Verbesserung der >Leistungen in
                der Pflege (Pflege-Leistungs-Verbesserungsgesetz)
             
 
            
sehr aufschlussreich, wurde doch deutlich, auch für "Laien"
            wahrnehmbar, welche Absichten im Vordergrund des Interesses für
            zukünftige Lobbyisten stehen....
 
            
Alleine die Sachverständigenliste der Verbände
            gegenübergestellt der Liste der Einzelsachverständigen macht
            deutlich, um welche Machtpositionierung es sich zu handeln dreht: 55
            Verbände gegenüber 13 Einzelsachverständigen. Dieses
            Ungleichgewicht der Interessenvertretung alleine ist aussagekräftig genug!
            Sicher kam auch der eine oder andere Beitrag im Sinne der betroffenen Menschen
            durch die Vertreter der Verbände. Dennoch war es erschreckend, wie
            deutlich es wurde, dass es auch bei den diskutierten Gesetzesentwürfen
            vorwiegend um die reine Absicherung für Betreiber von Einrichtungen geht
            und nicht vorrangig um die Menschen, die dort leben (müssen...).
 
            
Sicher wurde auch wieder von Würde des Menschen und
            Selbstbestimmung der BewohnerInnen gesprochen, um Skandale, die ja im
            Gesamtbild Einzelfälle darstellen..., Überbelastung des Personals,
            Fragen zur Finanzierungsgestaltung gestellt; es bleibt jedoch der bittere
            Beigeschmack, dass offensichtlich nur eine einzige körperbehinderte Frau
            als Besucherin anwesend war. Selbst unter den Sachverständigen wurde nicht
            einmal kritisch geäußert, wie auffällig es war, wie
            interessenbezogen die eingeladenen "Sachverständigen" ausgewählt
            waren, dass nicht mal die Absicht geäußert wurde, öffentlich
            anzuhören, was die Menschen in ihrem Pflege- und Hilfebedarf wirklich
            selbst einfordern.
 
            
Dabei wäre es Aufgabe der Sozialpolitik in ihren
            entsprechenden Ausschüssen, auf die besonderen benachteiligten Lebenslagen
            der Menschen zu reagieren, die derzeit und zukünftig von ambulanten und
            stationären oder teilstationären Pflegeeinrichtungen abhängig
            sind. Die Hilfen müssen dem realen Bedarf entsprechen und dürfen sich
            nicht nur an der reinen Existenzsicherung ausrichten. Es geht um
            Interessenberücksichtigung, um die Chance, trotz des zum Teil drastischen
            Hilfebedarfs am gesellschaftlichen Leben teilzuhaben und um die Eröffnung
            von Bewältigungs- und Gestaltungsmöglichkeiten des eigenen Lebens.
            Dabei sollte die Selbsthilfeförderung des Einzelnen und der Familien und
            Angehörigen von Hilfe- Pflege- und/oder
            Unterstützungsbedürftigen im Mittelpunkt stehen. In diesem
            Zusammenhang zitiere ich Iris Beck von der Universität Oldenburg, die
            genau diesen Aspekt im Tagungsbericht "Von der Betreuung zur Assistenz"
            (Hamburg 8. bis 11. Mai 2000) deutlich formuliert hat:
 
            
"Das professionelle System der Hilfen in der BRD ist von
            seinen Struktur- und Organisationsprinzipien weder auf die Förderung der
            Selbsthilfe des Einzelnen und der sozialen Netzwerke ausgerichtet, noch
            stützt und fördert es die Selbsthilfegruppen, noch richtet es sich
            auf die Herstellung förderlicher Lebensbedingungen und Strukturen.
            Über ein kompliziertes und zersplittertes System von Trägern und
            Zuständigkeiten werden räumlich, inhaltlich und zeitlich vorab
            definierte und begrenzte Leistungen für einen vorab definierten
            Hilfeanspruch erbracht. Die Kontrolle liegt auf Seiten der Anbieter, nicht der
            Empfänger. Es arbeiten in der Behindertenhilfe unterschiedlichste
            Berufsgruppen zusammen, für die unterschiedliche Rechtsnormen,
            Handlungskonzepte und Verständnisweisen von Behinderung leitend sind. Die
            Sichtweisen der Betroffenen finden hier kaum Eingang..."
 
            
Stellt sich hier nicht offensichtlich die Frage, warum es den
            dort anwesenden, redebefugten Anwesenden nicht in den Sinn kam, die Politik
            genau dahingehend zu ermutigen und aufzufordern, neben den inhaltlich fachlich
            Kompetenten schwergewichtig die erfahrenen betroffenen Menschen zu Wort
            kommen zu lassen?
 
            
Die Beiträge von wenigen (mir sind drei in Erinnerung...)
            ließen spüren, um welche offensichtliche Verdrängung der
            Auseinandersetzung es sich handeln musste, als die Rede war von eingewachsenen
            Verbänden, gewaltsamen Fixierungen und Ruhigstellung durch
            Psychopharmaka....
 
            
Dennoch schien sich die Atmosphäre der Bereitschaft zur
            "Anhörung" dadurch nicht zu ändern, als dass man dies schnell wieder
            als "Einzelfälle" zu relativieren wusste und man sich nun
            schließlich auch im Reichstag befand, wo es scheinbar vorrangig gilt, die
            Form zu wahren und dem Gefäß mehr Aufmerksamkeit zu schenken als dem
            Inhalt! Dabei wäre es eine so substantielle Chance, sich im Kern mit der
            Realität in Einrichtungen nicht nur auseinanderzusetzen sondern die Rechte
            der BürgerInnen unserer Republik auf ihre Tatsache in fremdbestimmten
            Einrichtungen hin zu überprüfen und diese in ihrem Anspruch auf ihre
            persönliche größtmögliche Sicherheit hin zu
            unterstützen. Dies kann aber nicht gelingen, indem man sich in der
            Hauptsache mit den Anliegen der Inhaber von Einrichtungen, Betreibern und
            Funktionären beschäftigt, sondern es muss ohne jegliche Ablenkung aus
            der Sicht der Hilfeempfänger heraus analysiert und betrachtet werden, wenn
            denn wirklich der (kursiv)Schutz der Verbraucher(kursiv) die Motivation
            für Änderungen sein soll!
 
            
Eine politische Tradition des Bündnispaktes unter den
            Stärkeren scheint sich eingeschlichen zu haben. Der Umgang mit
            gewohnten Verhaltensmustern in der Form der Auseinandersetzung mit
            Herausforderungen und die Art der Gesprächsführung verleiten immer
            wieder zu den gleichen Konsequenzen: Der betroffene Mensch im Blickpunkt des
            Interesses bleibt die Zielscheibe des Angriffes und fällt der Willkür
            der politischen und geschäftlichen Masse zum Opfer. Es gibt allerdings
            einen, sehr realistischen Aspekt: Jeder Mensch wird, je älter und/oder
            hilfebedürftiger er wird, ein Teil dieses Desasters!