Perspektiven für die Assistenz behinderter Menschen
15.00 Uhr in der Jugendherberge Mainz
Veranstalter: Bundesarbeitsgemeinschaft Behindertenpolitik
von Bündnis 90/DIE GRÜNEN,
Kontakt: Dr. Andreas Jürgens, Tel. 0561 9324985,
Fax: 0561 9324984,
E-Mail:
andreas_juergens@t-online.de
Bericht über die Veranstaltung der Bundesarbeitsgemeinschaft
Behindertenpolitik von Bündnis 90/ Die Grünen am 21.4.2001 in Mainz
"Wie weiter mit der Assistenz für behinderte Menschen?" lautete die zentrale
Frage zum Schwerpunktthema Assistenz beim Treffen der
Bundesarbeitsgemeinschaft Be-hindertenpolitik von Bündnis 90/DIE GRÜNEN -
BAG. Dazu schilderte Elke Bartz ihre Erfahrungen, die sie nicht nur im
Rahmen der Assistenztour erworben hat. Sie stellte fest, dass Menschen, die
durch das Forum selbstbestimmter Assistenz behinderter Menschen - ForseA -
oder andere Zentren für selbstbestimmtes Leben nach dem Prinzip des Peer
counselings beraten werden, in der Regel sehr viel besser über ihre
Möglichkeiten und Rechte informiert sind und diese entsprechend umsetzen
können.
Dies ist insbesondere wichtig, da bundesweit nur wenige Kommunen die Rechte
auf Assistenz angewiesener Menschen unproblematisch anerkennen. Noch immer
leben sehr viele sogenannte Pflegebedürftige und ihre Angehörigen in
unmenschlichen und unwürdigen Situationen, da ihnen - meist aus
Kostengründen, manchmal aber auch aus reinen Informationsdefiziten heraus -
adäquate Hilfen und Möglichkeiten gar nicht erst aufgezeigt werden.
Horst Frehe hatte sehr provokative Thesen als Diskussionsgrundlage
ausgearbeitet. Persönliche Assistenz ist schlechter als ihr Ruf, behauptet
er unter anderem. Und damit hat er leider Recht. So zeigte er auf, dass
häufig nicht nur die Situation behin-derter AssistenznehmerInnen, sondern
auch die der AssistentInnen unzumutbar ist. So werden gleiche
(Assistenz-)Leistungen häufig mit sehr unterschiedlichen Löhnen bezahlt. Das
liegt zwar nicht im Verschulden der behinderten Menschen, ist aber dennoch
nicht akzeptabel. AssistenznehmerInnen können ihre AssistentInnen nur mit
den Beträgen finanzieren, die ihnen von den Behörden bewilligt werden. Und
diese Bewilligungen reichen von der Finanzierung von Tariflöhnen bis zur
regelrechten Aufforderung, die Assistentinnen "schwarz", also ohne
Steuerzahlungen und Abfüh-rung von gesetzlichen Sozialversicherungsbeiträgen
zu beschäftigen.
Nicht jeder behinderte Mensch ist automatisch aus der Notwendigkeit heraus
ein guter Arbeitgeber. Viele haben nicht gelernt, ihre Bedürfnisse zu
formulieren und dem zu Folge ihre AssistentInnen anzuweisen. Auch das
Erstellen von Dienstplänen oder von korrekten Lohnabrechnungen muss häufig
erst einmal erlernt werden.
Die Arbeit der Zukunft muss daher mehrgleisig sein. Es ist eine wichtige
Aufgabe der Zentren, Qualifikationsmöglichkeiten sowohl für
AssistenznehmerInnen als auch für AssistentInnen zu schaffen. Diese sollen
jedoch nicht zum Zwang werden, sondern ein freiwilliges Angebot darstellen.
So kann es z.B. für Menschen mit Sprachbehinde-rungen sehr hilfreich sein,
wenn seine (künftigen) AssistentInnen wenigstens über ein Grundwissen im
Bereich der Haushaltsführung oder der Grundpflege verfügen. Zur Finanzierung
dieser Angebote muss natürlich eine Rechtsbasis (z.B. in einem
Leistungsgesetz) geschaffen werden).
Ebenso ist es wichtig, bundeseinheitliche Rahmenbedingungen für persönliche
Assi-stenz zu konzipieren. Darin muss unter anderem die Höhe der
Entlohnungen für die AssistenznehmerInnen definiert werden. Damit können
behinderte ArbeitgeberInnen wesentlich einfacher auf dem Arbeitsmarkt
konkurrieren. Außerdem muss nicht jede/r Einzelne in den Verhandlungs"kampf
mit den Kostenträgern treten.
Bundesweit einheitliche Rahmenbedingungen würden ebenfalls bedeuten, dass
das Recht auf Freizügigkeit behinderter Menschen nicht mehr wie seither
eingeschränkt wäre. So müssen behinderte Menschen bei jedem Umzug an einen
anderen Wohn-ort erneut die Modalitäten für die Assistenz aushandeln. Damit
ist eine sehr grosse Rechtsunsicherheit verbunden und hindert viele daran,
den Wohnort zu wechseln. Dies kann sich u.a. fatal auswirken, wenn dadurch
ein Arbeitsplatz gefährdet wird, da der behinderte Mensch nicht weiß, ob und
wie er am künftigen Wohnort die Assi-stenz sichern kann.
Ebenfalls thematisiert wurde die Pflegeversicherung, die nach wie vor die
Belange behinderter ArbeitgeberInnen nicht ausreichend berücksichtigt.
Notwendig ist eine Ergänzung durch die Möglichkeit für behinderte
ArbeitgeberInnen, Versorgungsver-träge mit den Pflegekassen abzuschließen.
Dadurch gäbe es die Grundlage, die we-sentlich höheren Sachleistungen zu
beziehen.
Da das SGB IX den Bereich der persönlichen Assistenz im Privatbereich nicht
regelt, wurde auch hier über ein Leistungsgesetz, das die Leistungen
einkommens- und vermögensunabhängig sichert, diskutiert. Zur Sicherung der
Teilhabe behinderter Menschen auch im sozialen Bereich ist folglich ein
solches Gesetz unumgänglich.