Bundesverband
Forum selbstbestimmter Assistenz behinderter Menschen e.V.


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Kampagne für die Assistenz im Krankenhaus » Ãœbersicht der Krankenhauskampagne

Bericht Erwin Hampel

Behinderte Menschen im Krankenhaus

die Erlebnisse des Erwin Hampel

Immer wieder schildern behinderte Menschen ihre schockierenden Erlebnisse im Krankenhaus. Häufig ist das Pflegepersonal nicht auf die besonderen Bedürfnisse eingestellt, so dass es zu Unterversorgungen, über gesundheitliche Folgen sogar bis zum Tod, wegen falscher oder mangelnder Pflegeleistungen kommt. Sterben musste Erwin Hampel nicht. Doch ins Krankenhaus wird er wohl nicht mehr so schnell gehen, selbst wenn das medizinisch notwendig würde. Nachfolgend berichtet er über seine Erlebnisse bei einem stationären Krankenhausaufenthalt. Seine Schilderungen werden durch die seiner Assistentin ergänzt.

Erwin Hampel:

Guten Tag, mein Name ist Erwin Hampel, geb. am 14. 2. 1948. Ich sitze seit einem Autounfall im Dezember 1995 im Rollstuhl und bin querschnittsgelähmt. Dennoch lebe ich allein in einer Wohnung und habe eine Assistentin, die mich pflegt, mich in meinen Aktivitäten unterstützt und die hauswirtschaftlichen Tätigkeiten übernimmt. Ich mache mit Unterstützung den Transfer vom Bett in den Rollstuhl und zurück und fahre auch selbst Auto. Ich stehe morgens spätestens um 8.30 Uhr auf und gehe abends zwischen 23.00 Uhr und 1.00 Uhr ins Bett. Eventuell mache ich einen Mittagsschlaf.

Nun hatte meine Assistentin beim Katheterisieren festgestellt, dass der Urin nicht in Ordnung war und brachte eine Probe zu meinem Hausarzt, Dr Koch. Ich bekam Antibiotika und nachdem es zu keiner nennenswerten Besserung kam, ließ ich mir einen Termin beim Urologen, Dr. Stein, machen. Die erste Untersuchung am 28.1.3 ergab, dass die Nieren nicht gestaut waren. Bei einem folgenden Termin sollten Blase und Prostata durchgecheckt werden. Auf Grund dieser Untersuchung am 19.2.2003 bekam ich eine Einweisung ins Krankenhaus; es sollte ein kleiner Eingriff werden mit ein paar Tagen Krankenhausaufenthalt.

Am 4.3.2003 war es dann soweit: Bei der Eingangsuntersuchung in der Klinik stellte man in der Blase Steine fest, die am folgenden Tag entfernt wurden. Außerdem stellte man beim Röntgen in der linken Niere einen Tumor fest, der am Montag, den 10.3.2003 mitsamt der Niere entfernt werden sollte. Am Samstag, den 8.3. war mein Abführtag (alle 2 Tage) und da ich Raucher bin, schob man mich mit dem Toilettenstuhl in den Hausflur. Das Fenster zum Balkon war geöffnet; auf dem Schoß hatte ich eine Decke und da saß ich dann drei Stunden. Die Schwester kam kurz vor dem Austeilen des Abendbrots und setzte mich in den Rollstuhl. Zum Essen bekam ich sowieso nichts - wegen der bevorstehenden OP.

Zwei Tage nach der OP erlaubte mir der Arzt bei der Visite aufzustehen, das heißt in den Rollstuhl zu sitzen. Leider hatten die Schwestern keine Zeit und so musste ich bis gegen 16.30 Uhr im Bett bleiben. Da kam meine Assistentin, und nach Rücksprache mit dem Arzt half sie einer Schwester beim Raussetzen. Die Schwester schimpfte und erklärte uns, dass sie nur mit einer Lehrschwester auf dem Flur wäre und dass ich erst vor zwei Tagen operiert worden wäre und dass ich in diesem Zustand nicht aufstehen sollte. Es wäre ja auch eine schwere Operation gewesen.

Sie erkundigte sich bei meiner Assistentin, wie lange sie da wäre und diese meinte: Wenn sie sagen Herr Hampel muss um 18.30 Uhr ins Bett, dann werde ich um 18.30 Uhr da sein. Darauf die Schwester: Was glauben sie denn, er kann doch nicht zwei Stunden im Rollstuhl sitzen in seinem Zustand. Doch schließlich kam ich doch heraus - Gott sei Dank. Gegen 18.00 Uhr fuhr mich meine Assistentin wieder ins Zimmer zurück. Sie wollte mich rasieren und sagte das zu der Schwester im Vorbeigehen. Um 18.30 Uhr begegneten wir wieder dieser Schwester und sagten: wir sind jetzt da. Da bekamen wir zur Antwort: Ich habe jetzt keine Zeit; ich muss noch Patienten für die morgige OP vorbereiten. Sie kam dann gegen 19.15 Uhr und damit war ich fast drei Stunden im Rollstuhl gewesen.

Am nächsten Tag das gleiche Theater. Der Arzt sagte, ich darf in den Rollstuhl und von den Schwestern die Absage. Ich war böse und fragte die Schwester, warum man mich behandelt wie im Gefängnis. Daraufhin hatte ich schlechte Karten und ich entschuldigte mich. Bei der diensthabenden Ärztin wollte ich mich daraufhin beklagen. Doch diese gab mir zu verstehen, dass sie da nichts machen könne. Sie würde nichts gegen die Schwestern unternehmen, da die mehr Erfahrung hätten und sie letztendlich mit diesen zusammen arbeiten müsste.

Als ich am Abend ins Bett gebracht wurde, stellte meine Assistentin fest (sie hat mitgeholfen) dass an meinem Gesäß eine rote Stelle war und meinte, man müsse mich lagern. Die Antwort war eine abwehrende Handbewegung und die Worte: Das vergeht wieder. Dafür musste ich am nächsten Tag auf Anweisung des Arztes Mittagsruhe halten - auf der Seite liegend! - um die Druckstelle zu entlasten.

Am Sonntag, den 16.3. wurde ich in ein anderes Zimmer verlegt. Die Luft war zum Schneiden; alle Fenster zu und die Sonne schien direkt darauf. Am Abend konnte ich nicht einschlafen und sagte dies der Nachtschwester. Sie schob mich kurzerhand aus dem Zimmer; die Luft war nicht viel besser - aber es war kühler.

Dann hatte die Schwester Nachtwache mit der ich die Unstimmigkeiten hatte. Ich bat sie mir mein T-Shirt auszuziehen, als sie den Urinbeutel kontrollierte und sie entgegnete: Nein, ich will doch nicht Schuld sein, wenn Sie eine Lungenentzündung bekommen. Daraufhin habe ich mich selbst aus dem T-Shirt gequält.

Ich hatte gehofft, am 22.3. oder am 24.3. entlassen zu werden. Leider hatte ich erhöhte Temperatur und musste noch bleiben. Am Donnerstag, den 27.3. bekam ich eine „Luftmatratze" wegen einer Druckstelle am Gesäß. Meine Assistentin hatte extra zur Prophylaxe ein Öl mitgebracht, aber keiner hat mich damit eingerieben und nun das. Jetzt durfte ich deswegen nicht aus dem Krankenhaus. Der Doktor stöhnte, weil keine Krankenkasse für die Kosten eines Dekubitus bezahlt, weil keine Anschlussheilbehandlung oder eine Kur angetreten werden kann. Als meine Assistentin an diesem Nachmittag kam, hat sie den Verband gelöst und den Dekubitus fotografiert.

Am Samstag, den 29.3. war wieder einmal Abführtag. Nach dem Mittagessen bekam ich mein Zäpfchen und musste ca. 1/2 Stunde im Bett bleiben. Danach wurde ich auf den Toilettenstuhl gesetzt, in den Waschraum geschoben und dort saß ich ca. 1,5 Stunden bis wieder jemand kam. Als meine Assistentin kam, packte sie auf meinen Wunsch hin meine Sachen zusammen. Ich wollte nun nur noch so schnell wie möglich nach Hause. Ich bin solange eine Zigarette rauchen gegangen. Nachdem sie mit dem Koffer ins Raucherzimmer gekommen war, fuhr ich auf die Station zurück um mit einem Doktor zu sprechen, bzw. um die entsprechenden Papiere zu unterschreiben. Leider war niemand dort zu sehen - und so bin ich eben ohne Rücksprache zu halten nach Hause gefahren.

Um 17.30 Uhr hat dann Herr Doktor Wagner angerufen und ich habe ihm die Sachlage erklärt. Meine Assistentin hat mir dann den Katheter gezogen und meinen Dekubitus versorgt. Am Montag darauf sind wir dann zu meinem Hausarzt Dr. Koch gefahren, damit er sich mein Gesäß ansehen kann und entsprechendes Verbandsmaterial verordnet.

Roswitha Uhrig, die Assistentin:

Guten Tag, mein Name ist Roswitha Uhrig. Ich bin examinierte Altenpflegerin und habe in Altenheimen und Sozialstationen gearbeitet. Ich arbeite jetzt seit fünf Jahren für und mit Herrn Hampel als seine Assistentin nach dem Arbeitgebermodell. Meine Tätigkeit umfasst Pflege und Hauswirtschaft. Aus diesem Grund kann ich behaupten, dass ich meinen Chef sehr gut kenne. In der ganzen Zeit ist es mir nicht gelungen, ihm einen Dekubitus anzupflegen.

Nach etwa drei Wochen im Krankenhaus hatte Herr Hampel am Steiß eine gerötete Stelle in der längsten Ausdehnung (von rechts nach links) von ca. 10 cm. Aus der rechten Seite eine 2-Euro-Stück großes, ca. 2 mm tiefe, dunkelrote, nässende Wunde in einem ca. 5,5 cm großen geröteten Umfeld, auf der linken Seite eine etwa 6,5 cm große gerötete Stelle mit mehr oder weniger großen länglichen Verletzungen. Versorgt war das Ganze mit einem Gel-Wundverband und allem Anschein nach mit Fibrolan-Salbe. Oberhalb dieses Verbandes befand sich ein etwa 20 cm langes und etwa 4 cm breites Geschwulst. Darüber links und rechts zwei runde, blaue Flecken.

Deshalb sind wir am Montag nach der Entlassung aus dem Krankenhaus zum Hausarzt, Dr. Koch gefahren, damit er sich das ansehen kann. Außerdem musste er noch diverse Hilfsmittel verordnen.

Gleich bei der Aufnahme im Krankenhaus haten wir nach einer Dekubitusmatratze gefragt. Herr Hampel bekam daraufhin eine Schaumstoffauflage ins Bett als sog. Superweichlagerung. Nach dem neuesten Stand ist man davon abgekommen, genauso wie von fönen und eisen. Und wenn man die Superweichlagerung noch mit einem straff gezogenen Leintuch, einem Stecklaken und einer Krankenunterlage versieht, hebt sich die Wirkung ganz auf. Die beste Prophylaxe ist immer noch regelmäßiges Umlagern (alle zwei Stunden) und intensive Hautpflege für eine intakte Haut.

Meine Hinweise auf die gerötete Hautpartie und auf Lagerung wurden mit einer abwehrenden Handbewegung abgetan. Statt dessen erklärte mir eine Krankenschwester, dass Herr Hampel im Krankenhaus sei und Kompromisse schließen müsse. Er könne nicht morgens und mittags aus dem Bett - zuhause könne man das machen. Daraufhin erklärte ich ihr, dass Herr Hampel morgens meistens um 8.30 Uhr im Rollstuhl sitzt und abends selten vor 24.00 Uhr ins Bett geht (Katheterisierzeiten). Er fühlt sich am Wohlsten im Rollstuhl, weil er aufrecht sitzend besser abhusten kann und besser Luft bekommt.

Wieviel Kompromisse muss denn ein einzelner Rollstuhlfahrer auf einer Krankenstation machen, der auf fremde Hilfe angewiesen ist? Abends muss er um 19.30 Uhr ins Bett. Am anderen Tag muss er bitten und betteln, dass er in den Rollstuhl kommt (Arzt hatte es erlaubt). Mit etwas Glück vor dem Mittagessen. Solange liegt er auf dem Rücken ohne umgelagert zu werden. Muss er noch abführen, liegt er bis gegen Mittag im Bett (abführen nicht auf dem Toilettenstuhl). Das Frühstück steht noch nachmittags auf dem Nachtschrank und wird zur Zwischenmahlzeit um 15.30 Uhr, da in der Zwischenzeit das Mittagessen ausgeteilt wurde. Oder er sitzt bei geöffneter Balkontür auf dem Flur, mit einer Decke über den Beinen, ohne Klingel auf dem Toilettenstuhl zur Besuchszeit von 14.00 - 17.00 Uhr. Erst kurz vor dem Abendbrot zeigt sich eine Schwester und er wird in seinen Rollstuhl umgesetzt. Am letzten Samstag seines Krankenhausaufenthalts hatte man ihm nach dem Mittagessen die Zäpfchen verabreicht und ihn ca. 1/2 Stunde im Bett liegen lassen. Danach wurde er auf den Toilettenstuhl gesetzt, in den Waschraum geschoben und dort durfte er dann 1 1/2 Stunden sitzen. Damit war für Herrn Hampel der Krankenhausaufenthalt erledigt und er hat sich auf eigene Gefahr nach Hause entlassen.

Ich habe Herrn Hampel während des Aufenthalts täglich rasiert und die Haare gewaschen. Mobile Patienten durften sogar duschen. Duschgel, Hautlotion und spezielles Öl zur Dekubitusprophylaxe waren am Ende noch genauso voll wie zu Beginn.

Auf Grund seines Dekubitus war an eine sogenannte Anschlussheilbehandlung, bzw. an eine Kur nicht zu denken. Der soziale Dienst wollte sich darum kümmern. Aus dem Bericht an den einweisenden Arzt (Urologe Dr. Stein) ging hervor, dass Herr Hampel die Klinik verlassen hat ohne Rücksprache mit dem Arzt. Und er sich weigerte einen suprabubischen Blasenkatheter legen zu lassen. Fakt ist, dass er zu diesem Zeitpunkt davon gar keine Kenntnis hatte. Die diensthabende Ärztin hatte dies mir gegenüber erwähnt in einem kurzen Gespräch, als sie mir mitteilte, dass man sich um eine Klinik bemüht, die sich mit Dekubiti auskennt.

Daraus ergibt sich, dass nicht mit den Patienten gesprochen wird, sondern über sie hinweg und dass Angehörige nicht mit einbezogen werden. Solch eine Behandlung kenne ich aus der Praxis. Sie wird hauptsächlich Heimbewohnern zuteil.

Im April 2003

 

Entschließung des 111. Deutschen Ärztetages

111. Deutsche Ärztetag vom 20. bis 23. Mai 2008 in Ulm

5. Persönliche pflegerische Weiterbetreuung von Schwerbehinderten im Krankenhaus

Auf Antrag von Herrn Dr. med. Dipl.-Chem. Nowak, Frau Dr. med. Johna und Herrn Dr. med. von Knoblauch zu Hatzbach (Drucksache VI -73) fasst der 111. Deutsche Ärztetag folgende Entschließung:

Die Veränderungen in der personellen Besetzung in den Krankenhäusern führen zunehmend zu einer defizitären Versorgung von Patienten, insbesondere von Schwerstbehinderten, die von sich aus schon eines höheren Pflegeaufwandes bedürfen. Dies hat zur Folge, dass behinderte Patienten deutlich schlechter versorgt werden und sich deshalb potentielle Gefahrenzustände entwickeln. Sozialhilfeträger weigern sich, während des stationären Aufenthalts die Kosten für die persönliche Pflegeperson des Schwerbehinderten zu übernehmen mit der Argumentation, dass das Krankenhaus die Rund-um-Versorgung zu gewährleisten habe. Dadurch kommt es, insbesondere aufgrund der aktuellen Personalsituation in den Kliniken, zu erheblichen Versorgungsdefiziten bei diesen Patientinnen und Patienten.

Der Deutsche Ärztetag erwartet von den Selbstverwaltungspartnern umgehend eine Änderung dieser Situation.

Begründung:

Die Delegierten des Deutschen Ärztetages sind der Auffassung, dass im Krankenhaus durch den Wegfall der persönlichen Assistenz bei Menschen mit schweren Behinderungen regelmäßig Defizite in der umfassenden Versorgung zu beobachten sind, die zu Komplikationen und lebensbedrohlichen Situationen fahren. Es handelt sich hier um eine Gruppe von Personen, die wegen ihrer Behinderung für die Verrichtungen im Ablauf des täglichen Lebens auf Dauer der Hilfe bedürfen und auf eine persönliche Assistenz angewiesen sind.

Bei einer stationären Behandlung entfällt für den Behinderten die persönliche Betreuung durch die Assistenz für die Zeit des Krankenhausaufenthaltes. Die Sozialhilfeträger verweigern die Übernahme der Kosten mit der Begründung, dass im Krankenhaus die notwendigen Versorgungsleistungen durch die Pflegekräfte erbracht werden und infolge dessen diese Leistungen auch von den zuständigen Krankenkassen übernommen werden.

Die Personalausstattung der Kliniken im Pflegebereich gewährleistet jedoch lediglich den durch die akute Erkrankung verursachten Versorgungsbedarf. Die speziellen Bedürfnisse von Behinderten im Rahmen der Grundversorgung können von den Krankenschwestern und Pflegern jedoch nicht zusätzlich übernommen werden. Dies führt zu einer Unterversorgung mit schwerwiegenden Folgen für die Gesundheit der Behinderten.

Menschen mit Behinderungen haben nach Sozialgesetzbuch (SGB) XI und SGB XII Anspruch auf umfassende Maßnahmen zur Abwendung von Versorgungsdefiziten, deshalb bedarf es aus unserer Sicht- dringend der Absprache zwischen den Kostenträgern und den Krankenhäusern, um die persönliche Assistenz für Behinderte in der Zeit des Krankenhausaufenthaltes zu ermöglichen.

Die Delegierten des Deutschen Ärztetages plädieren dringend dafür, in Sorge um die Versorgungsqualität bei Behinderten für entsprechende Abhilfe zu sorgen.

24.10.2012 ForseA Stellungnahme zur BT-Anhörung zur Assistenz in Krankenhaus und Kur

Stellungnahme

zu a) Gesetzentwurf der Bundesregierung Entwurf eines Gesetzes zur Regelung des Assistenzpflegebedarfs in stationären Vorsorge- und Rehabilitationseinrichtungen BT-Drucksache 17/10747

b) Antrag der Abgeordneten Dr. Ilja Seifert, Diana Golze, Matthias W. Birkwald, Dr. Martina Bunge und weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE. Assistenzpflege bedarfsgerecht sichern BT-Drucksache 17/10784

am Mittwoch, dem 24. Oktober 2012

im CDU/CSU-Fraktionssaal 3 N001, Reichstagsgebäude

in der Zeit von 14.00 Uhr bis 15.00 Uhr

per eMail an: ma05.pa14@bundestag.de

Zu a) Gesetzentwurf der Bundesregierung Entwurf eines Gesetzes zur Regelung des Assistenzpflegebedarfs in stationären Vorsorge- und Rehabilitationseinrichtungen

Schon wieder soll zu kurz gesprungen werden! Bereits in der ersten Fassung des Gesetzes wurde eine reduzierte Fassung verabschiedet, die nur noch einen Teil der ursprünglichen Forderung zum Inhalt hatte. Alle anderen Teile wurden – angeblich aus Kostengründen – gestrichen. Gleichzeitig wurde bekundet, dass Aufwände aufgrund geringer Fallzahlen nicht verifizierbar seien.

Chronologie:

Nach vielen teilweise dramatischen Vorkommnissen, die behinderte Menschen in Kliniken erleben mussten (es waren auch tödlich verlaufende darunter), entschloss sich unser Verein 2006, eine Kampagne ins Leben zu rufen. Ziel war, dass behinderte Menschen mit Assistenzbedarf diese Unterstützung auch in der Klinik oder in der Kur erhalten. Mit wissenschaftlicher Unterstützung der Universität Witten/Herdecke entstand eine große Befragungs- und Auswertungsaktion an deren Ende eine Dokumentation erstellt wurde. Diese wurde am 12. September 2007 an die Beauftragte der Bundesregierung für die Belange behinderter Menschen Karin Evers-Meyer in Anwesenheit von Abgeordneten aller Fraktionen übergeben. Dennoch dauerte es bis zum 11. November 2008, bis bei einer Besprechung im BMG in Berlin das Thema wieder auf den Tisch kam. Auch das BMAS sowie Frau Evers-Meyer, die Deutsche Krankenhausgesellschaft, die Lebenshilfe, der Deutsche Verein sowie ForseA waren zugegen. Das Resümee der Sitzung war, dass die teils lebensbedrohliche Situation behinderter Menschen in der Klinik durch die ForseA-Dokumentation der Kampagne "Ich muss ins Krankenhaus … und nun?" bekannt ist und dass hier dringend geholfen werden muss.

Groß war die Enttäuschung, als entgegen der Ergebnisse der November-Konferenz im Mai 2009 ein gewaltig reduzierter Gesetzentwurf vorgelegt wurde. Gleichwohl dem Gesetzgeber die teils lebensgefährliche Situation behinderter Menschen im Krankenhaus bekannt war, wurden Kunden ambulanter Dienste und Heiminsassen außen vor und damit alleine gelassen. Auch die Kur blieb zunächst unberücksichtigt. Trotz massiver Intervention durch Behindertenverbände in Anhörungen und in den Medien wurde der Entwurf so verabschiedet.

Nun soll – für behinderte Arbeitgeber – die Kur mit aufgenommen werden.

Natürlich sieht auch ForseA, dass kleinere ambulante Dienste und Behindertenanstalten organisatorische Probleme mit dem Personaleinsatz beklagen und sich vereinzelt gegen diese gesetzliche Regelung stellen. Das kann und darf jedoch nicht dazu führen, dass diese im Krankenhaus dem dortigen Sparbetrieb zum Opfer fallen.

Ein Beispiel: Eine Frau mit einer sehr ausgeprägten spastischen Lähmung kann nur per Buchstabiertafel kommunizieren. Durch die starke Spastik ist es außerordentlich schwierig, sie zu verstehen, da diese Gesten nicht deutlich erkennbar sind. Diese Frau brach sich im Heim den Arm und wurde ohne Begleitung ins Krankenhaus eingeliefert. Es bedarf keiner ausgeprägten Phantasie, sich auszumalen, was diese Frau dort erlebt hat.

Die Situation behinderter Menschen in der stationären Aufnahme hat nach wie vor verschiede-ne Aspekte:

a) Der Bedarf besteht dadurch, dass ein nicht krankheitsspezifischer Hilfebedarf mit in die Klinik genommen wird. Wenn im § 39 SGB V von der Krankenpflege die Rede ist, so ist damit die erwartete Hilfeleistung anlässlich beispielsweise einer Blinddarm-OP beschrieben und keineswegs die Pflege eines hoch querschnittgelähmten Menschen.

b) Der Bedarf besteht stets im Zusammenhang mit Art und Schwere der Behinderung. Er steht in keinem Zusammenhang mit der Herkunft des Menschen, ist somit unabhängig davon, ob er Heiminsasse ist oder zuhause die notwendige Unterstützung durch selbst angestellte Assistenzpersonen bzw. einen Ambulanten Dienst erhält.

c) Ein behinderter Mensch mit Assistenzbedarf hat diesen immer, zuhause, im Hotel, im Krankenhaus oder in der Kur. Gerade in der Kur scheitern erforderliche Maßnahmen, da sich die Kurbetriebe weigern, Assistenzpersonen mit aufzunehmen. Und behinderte Menschen werden abgelehnt, weil sie zu hohen Unterstützungsbedarf haben. Wiederum andere müssen bereits am späten Nachmittag zu Bett, da nur zu dieser Zeit das Personal noch die nötige Kapazität hat.

d) Schlussendlich hat der Bedarf auch nichts damit zu tun, welche Kostenträger (insbesondere nach SGB V, VII, XI und XII) die Assistenzkosten außerhalb der stationären Unterbringung erbringt, Genau diese/r jeweilige/n Kostenträger bleibt/bleiben weiterhin für die Assistenzkosten während der stationären Unterbringung zuständig. Die sogenannten Hotelkosten für Kost und Logis der Assistenten sind vom Kostenträger der stationären Unterbringung zu tragen.

Am Beispiel unserer Vorstandskollegin Isolde Hauschild möchten wir hier aufzeigen, dass das Gesetz auch nach drei Jahren Gültigkeit in der Praxis unbekannt ist. Frau Hauschild kam nach verschiedenen Abteilungen der Klinik schlussendlich auf die Intensivstation. Weder in den Abteilungen noch auf der Intensivstation war bekannt, dass behinderte Arbeitgeberinnen ihre Assistenz mit aufnehmen lassen können. Die Intensivstation, dort, wo die Assistenz am dringendsten benötigt wurde, hat sich gar geweigert, die Assistenz mit aufzunehmen. Dies ist kein Einzelfall, sondern leider immer noch die Regel. Wir werden in dieser Angelegenheit den Kontakt mit der Deutschen Krankenhausgesellschaft aufnehmen.

Die immer wieder gehörte Forderung, die Träger der medizinischen Einrichtung wären für die Pflege zuständig, geht an der Realität vorbei. Stationspersonal, das von seiner Kapazität her für 20 Menschen mit beispielsweise urologischen Problemen berechnet ist, kann das nicht schultern, wenn unter diesen ein Mensch ist, der zu allen Dingen des täglichen Lebens Unterstützung benötigt. Da wird schon mal der volle Teller mit der Bemerkung "Heute kein Hunger?" abgeräumt. Es gäbe auch schlimmere Beispiele. Selbst eine Erhöhung der Kapazität würde das Problem nur bedingt lösen, da eine Station auf die spezifischen Behinderungsbedarfe nicht vorbereitet ist, nicht vorbereitet sein kann. Der behinderte Mensch dagegen wird ja vorher von Menschen versorgt, die ihn und seine Bedürfnisse kennen. Was liegt näher, als diese im Kran-kenhaus weiterhin die behinderungsbedingte Versorgung erledigen zu lassen?

Doch nun zum Gesetzentwurf

Er geht an der rechtlichen Entwicklung vorbei. Da er die bestehenden Einschränkungen nur zu einem kleinen Teil aufhebt, widerspricht er der Behindertenrechtskonvention der Vereinten Nationen. Diese verspricht behinderten Menschen in Artikel 25 die gleiche Qualität und die gleichen Standards wie den übrigen Menschen. Da gesetzliche Regelungen, die diese Konvention verletzen, keine Gültigkeit erlangen können, sollte entsprechend den Regelungen des Artikels 25 nachgebessert werden. Der Beschluss des Sozialgerichts München (s.u.) zeigt, dass es so nicht geht, nicht gehen kann, nicht gehen darf! Wir fordern:

  • Alle behinderten Menschen mit Hilfebedarf – unabhängig von Art und Ursache ihrer Behinderung – müssen das Recht erhalten, in stationären Einrichtungen der medizinischen Behandlung und Rehabilitation ihre gewohnte personelle Unterstützung mit aufnehmen zu lassen.
  • Das muss bei Aufnahme in eine stationäre Einrichtung der medizinischen Behandlung genau so gelten wie bei einer Rehabilitationsmaßnahme.
  • Die Personal- und evtl. zusätzliche Fahrtkosten muss der Kostenträger übernehmen, der außerhalb der Einrichtung für diese Kosten zuständig ist.
  • Die Kosten der Unterbringung und Verpflegung der mitaufgenommenen Unterstützungspersonen verbleiben beim Kostenträger der medizinischen Behandlung oder Rehabilitation.
  • Das Pauschale Pflegegeld nach §§ 37, 38 SGB XI und nach § 64 SGB XII wird unterbrechungsfrei weiterbezahlt. Bei Mitaufnahme der unterstützenden Person dürfen die Leistungen nach § 37 SGB V, § 32 SGB VII, §§ 36, 38 SGB XI sowie nach §§ 65,66 SGB XII nicht unterbrochen werden.
  • In Anlehnung an die obigen Punkte ist auch die Leistung nach den §§ 36-38 SGB XI und / oder nach den §§ 64 und 66 SGB XII unterbrechungslos weiter zu zahlen.

Zu b) Antrag der Abgeordneten Dr. Ilja Seifert, Diana Golze, Matthias W. Birkwald, Dr. Martina Bunge und weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE. Assistenzpflege bedarfsgerecht sichern

Es ist keine Frage, dass dieser Antrag unsere volle Unterstützung findet. Nach wie vor hoffen wir, dass sich die übrigen Fraktionen des Bundestages an die Anhörung am 11. November 2008 erinnern. Damals war allen Fraktionen bekannt,

  • dass sich behinderte Menschen im Krankenhaus zum Teil in lebensbedrohlichen Situationen befinden, die tatsächlich schon Todesopfer gefordert haben.
  • dass behinderte Menschen mit Assistenzbedarf unendliche Schwierigkeiten haben, eine Kureinrichtung zu finden, die bereit ist, sie aufzunehmen.

Angesichts eines Beschlusses des Sozialgerichtes München (Az: S 32 SO 51/11 ER vom 21.03.2011) fänden wir es mehr als paradox, wenn der Gesetzgeber seinen Entwurf mit den vorgesehenen Einschränkungen verabschieden würde. In diesem Verfahren klagt eine behinderte Kundin eines ambulanten Dienstes für das Recht, ihre Assistenzpersonen mit in die Klinik aufnehmen zu können. Nachfolgend einige Zitate aus dem Beschluss:

  • Zwar ist gem. § 2a SGB V im Rahmen der Leistungen der Krankenversicherung den besonderen Belangen behinderter Menschen Rechnung zu tragen. Dies heißt aber scheinbar nicht, dass der Umfang der Krankenhausbehandlung auch alle Leistungen umfasst, die der Hilfebedürftige etwa im Rahmen der Hilfe zur Pflege erhält. Der Gesetzgeber selbst betont in der Begründung zum Entwurfes des Gesetzes zur Regelung des Assistenzpflegebedarfs im Krankenhaus (Bundestagsdrucksache 16/128 55 S.10): "Die notwendige pflegerische Versorgung insbesondere von Pflegebedürftigen im Krankenhaus, die ihre Pflege außerhalb des Krankenhauses durch von ihnen beschäftigte besondere Pflegekräfte sicherstellen, ist den häufigeren Fallkonstellationen nicht Bestandteil der für die stationäre Behandlung einer Krankheit erforderlichen Krankenpflege nach § 39 Abs. 1 S. 3 SGB V. Insoweit besteht keine Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenversicherung zur Ãœbernahme der Kosten der persönlichen Assistenz nach § 39 Abs. 1 SGB V".
  • Im Ergebnis würde dieses Gesetzesverständnis dazu führen, dass während eines stationären Krankenhausaufenthaltes bislang von den Assistenzkräften geleistete "notwendige pflegerische Versorgung" überhaupt nicht erbracht wird. Dass es sich bei den im Fall der Antragstellerin dann entfallenden pflegerischen Maßnahmen überwiegend nicht um bloßen Annehmlichkeiten, sondern um essenzielle Hilfen handelt, steht zur Ãœberzeugung der Kammer fest. Die Antragstellerin hat aufgrund ihrer Behinderung andere und weitergehende Bedürfnisse, insbesondere im Hinblick auf Hilfestellungen, als Menschen ohne Behinderungen. Diesem besonderen Bedarf wird durch die Ãœbernahme der Kosten einer besonderen Pflegekraft im Rahmen der Assistenz gemäß § 65 Abs. 1 S. 2 SGB XII nicht grundlos Rechnung getragen. Bei der Einvernahme des Stationsarztes im Erörterungstermin vom 16.3.2010 wurde deutlich, dass bei etwa so zentralen Leistungen, wie der Hilfe bei der Nahrungsaufnahme, wegen der personellen Ausstattung der Station Defizite verbleiben. Auch die Antragstellerin hat in diesem Zusammenhang vorgetragen, dass frühere Krankenhausaufenthalte für sie gerade deshalb besonders belastend waren, zum Teil mit auch länger nachwirkenden Folgen, weil bei den Mahlzeiten das Krankenhauspersonal nicht die nötige Zeit hatte, um ihr mit dem ihr gemäßen Tempo bei der Nahrungsaufnahme zu helfen. Auch die Pflege in der Nachtzeit steht unter dem Vorbehalt, dass sie von der dann einzigen Pflegekraft der Station geleistet werden kann. Der Arzt hat hierzu ausgeführt, dass dies schwierig wird, wenn viele frisch operierte Patienten auf der Station liegen. Im Hinblick auf die von der Antragstellerin geschilderte Schmerzproblematik, die das häufige An- und Ablegen der Armschiene notwendig macht, sind hier ebenfalls Lücken in der pflegerischen Versorgung zu gewärtigen, die über eine bloße Unannehmlichkeit ausgehen. Im Ergebnis ist im Falle der Antragstellerin mit hinreichender Wahrscheinlichkeit zu erwarten, dass eine notwendige pflegerische Ver-sorgung während der stationären Krankenbehandlung zumindest in wesentlichen Teilen nicht erbracht werden kann.
  • Es ist bereits zweifelhaft, ob ein solches Ergebnis vor dem Hintergrund betroffener Grundrechte (Art. 2 Abs. 2 GG, Art. 1 GG) durch die Ausschlussvorschrift des § 63 S. 3 SGB XII gedeckt sein kann. Jedenfalls wenn bei erheblicher Behinderung, wie im vorliegenden Fall, als Folge der Krankenhausaufnahme Bedarfslagen offen bleiben, die den Kernbereich der körperlichen Unversehrtheit berühren, bestehen erhebliche verfassungsrechtliche Zweifel. Der Antragstellerin ist in diesem Zusammenhang weiterhin zuzustimmen, dass die Privilegierung derjenigen Pflegebedürftigen, die ihre häusliche Pflege im Arbeitgebermodell (§ 66 Abs. 4 SGB XII) organisieren, nicht nachvollziehbar ist. Aus Sicht des Hilfebedürftigen macht es keinen Unterschied, ob er seine Leistungen der häuslichen Pflege von einem Pflegedienst erhält oder den Bedarf im Arbeitgebermodell deckt. Die Regelung des § 63 S. 4 SGB XII wäre nur dann verständlich, wenn für die letztgenannte Gruppe ein grundsätzlich von § 39 SGB V umfasster Anspruch, wegen der Besonderheiten des Arbeitgebermodells, nunmehr dem Sozialhilfeträger überantwortet worden wäre. Dies ist jedoch nicht der Fall, weil wie gezeigt, der Gesetzgeber davon ausgeht, dass die notwendige pflegerische Versor-gung in diesen Fallkonstellationen generell nicht Bestandteil der für die stationäre Behandlung einer Krankheit erforderlichen Krankenpflege ist (vgl. Bundestagsdrucksache 16/12855 S. 10). Damit hätten aber die Pflegebedürftigen, die bei ansonsten gleicher Bedarfslage, die Pflege nicht im Arbeitgebermodell sondern über einen Pflegedienst beziehen, keinerlei Ansprüche, weder gegen die Krankenversicherung noch gegen den Träger der Sozialhilfe. Diese Differenzierung ist nicht einleuchtend. Vielmehr ist die Ungleichbehandlung der Antragstellerin im Verhältnis zu Hilfesuchenden, die ihre Pflege über das Arbeitgebermodell organisiert haben, zur Ãœberzeugung der Kammer nicht vor Art. 3 Abs. 1 GG zu rechtfertigen. In den Gesetzesmaterialien zeigt sich, dass es allein Kostengründe, nicht aber in der Sache selbst liegende Unterschiede waren, die zur Bevorzugung des Arbeitgebermodells geführt haben (vgl. Bundestagsdrucksache 16/1347 S 5).

Entscheidungen dieser Art sind schwierig zu erlangen. Denn in aller Regel ist der Betroffene zum Zeitpunkt der Krankenhausaufnahme aus gesundheitlichen Gründen nicht oder nicht mehr in der Lage, diese herbeizuführen. In dieser Situation ist es sehr schwierig, wenn nicht unzumutbar, eine einstweilige Anordnung fundiert zu beantragen. Dies kann nur dann möglich sein, wenn es sich um einen planbaren Klinikaufenthalt handelt.

Im Sommer fand im BMG in Bonn bereits eine Anhörung zu dem damaligen Referentenentwurf statt, der zu diesem Gesetzentwurf führte. Während der Anhörung gab es die vorhersehbaren Statements. Danach, als die Mikrofone aus waren, wurde zugegeben, dass man keine Vorstellung über die Höhe der Kosten hatte, diese Erweiterung jedoch aus Kostengründen ablehnen musste.

Das Überleben im Krankenhaus ist – außerhalb der medizinischen Aspekte – ein Menschenrecht. Artikel 25 der Behindertenrechtskonvention der Vereinten Nationen bestätigt dies ausdrücklich. Wer heute gegen unsere Forderungen, die sich im Antrag der Fraktion DIE LINKEN wiederfinden, stimmt, gibt uns nicht mehr Rechte, sondern versucht uns Rechte wegzunehmen. Diese wurden uns durch die vorbehaltslose deutsche Unterschrift unter das Übereinkommen über die Rechte von Menschen mit Behinderungen schon vor Jahren zugesichert. Im Artikel 4 ist unter anderem zu lesen:

(1) Die Vertragsstaaten verpflichten sich, die volle Verwirklichung aller Menschenrechte und Grundfreiheiten für alle Menschen mit Behinderungen ohne jede Diskriminierung aufgrund von Behinderung zu gewährleisten und zu fördern. Zu diesem Zweck verpflichten sich die Vertragsstaaten,

a) alle geeigneten Gesetzgebungs-, Verwaltungs- und sonstigen Maßnahmen zur Umsetzung der in diesem Übereinkommen anerkannten Rechte zu treffen; b) alle geeigneten Maßnahmen einschließlich gesetzgeberischer Maßnahmen zur Änderung oder Aufhebung bestehender Gesetze, Verordnungen, Gepflogenheiten und Praktiken zu treffen, die eine Diskriminierung von Menschen mit Behinderungen darstellen; Daher verstehen wir die Einschränkungen im Gesetzentwurf der Bundesregierung als Versuch, gegen gültiges Recht in Gestalt der Konvention zu verstoßen. Dieser Gesetzentwurf muss scheitern!

Hollenbach, 17. Oktober 2012
Gerhard Bartz Vorsitzender

 Alexander Hübner in der Bundestagsanhörung

 

04.12.2012 Brief an Deutsche Krankenhausgesellschaft

per Mail: dkgmail@dkgev.de
Deutsche Krankenhausgesellschaft e.V.
Herrn Alfred Dänzer, Präsident
Wegelstraße 3
10623 Berlin

Gesetz zur Regelung des Assistenzpflegebedarfs im Krankenhaus vom 30. Juli 2009 / Bitte um entsprechende Bekanntmachung

Sehr geehrter Herr Dänzer, sehr geehrte Damen und Herren,

Wir bitten Sie um Unterstützung in einer Angelegenheit, die sehr wichtig ist und uns entsprechend am Herzen liegt: Mit dem Gesetz zur Regelung des Assistenzpflegebedarfs im Krankenhaus wurde 2009 der § 11 Absatz 3 SGB V geändert. Dieser lautet seitdem: „Bei stationärer Behandlung umfassen die Leistungen auch die aus medizinischen Gründen notwendige Mitaufnahme einer Begleitperson des Versicherten oder bei stationärer Behandlung in einem Krankenhaus nach § 108 die Mitaufnahme einer Pflegekraft, soweit Versicherte ihre Pflege nach § 66 Absatz 4 Satz 2 des Zwölften Buches durch von ihnen beschäftigte besondere Pflegekräfte sicherstellen."

Diese Änderung ist auch mehr als drei Jahre nach ihrem Inkrafttreten in den Kliniken weitgehend unbekannt. Dies berichten uns Mitglieder, die stationär aufgenommen werden mussten. Erheblichen Widerstand gegen die Mitaufnahme von Assistenzpersonen erlebten unsere Mitglieder auf Intensivstationen. Gerade dort, wo behinderte Menschen aus medizinischen Gründen noch weniger Kontrolle über sich haben, ist die Anwesenheit des auf ihre speziellen Bedarfe geschulten Personals unabdingbar.

Zur Erklärung für die Klinikverwaltung und das Klinikpersonal haben wir eine Handlungsempfehlung entwickelt, die im Internet erreichbar ist. Wir bitten Sie, dieses Thema und ggf. auch den Link zu unseren Handlungsempfehlungen über ihre sicherlich vorhandenen Verteiler weiterzugeben.

Kommt ein behinderter Mensch in eine Klinik, hat er vermutlich genug Probleme. Es muss und darf nicht sein, dass er in dieser Situation auch noch die Mitaufnahme der Assistenz erstreiten muss.

Es war sehr schwer, den Gesetzgeber von der Notwendigkeit des Gesetzes zu überzeugen. Es gilt ja bislang auch nur für behinderte Menschen, die ihre Assistenz im Rahmen des Arbeitgebermodelles sicherstellen, also selbst angestellt haben. Da die Mitaufnahme der Assistenz seit mehr als drei Jahren gesetzlich geregelt ist, sollte es nicht mehr erforderlich sein, mit den Verwaltungen und leider auch innerhalb der Klinik mit den einzelnen Stationen diese Regelung erneut zu diskutieren.

Diesen Brief werden wir auf unserer Homepage – gern auch mit Ihrer Antwort darauf - veröffentlichen. Wir bedanken uns für Ihre Unterstützung

Mit freundlichen Grüßen
FORUM SELBSTBESTIMMTER ASSISTENZ BEHINDERTER MENSCHEN E.V.
Gerhard Bartz, Vorsitzender

09.11.2012 Stellungnahme zur Rede Maria Michalk

Stellungnahme zur Bundestagsrede von Maria Michalk (CDU/CSU)

Freitag, den 9. November 2012

Gesetz zur Regelung des Assistenzpflegebedarfs in stationären Vorsorge- oder Rehabilitationseinrichtungen

ForseA: Schon der Name geht von falschen Voraussetzungen aus. Nicht der Bedarf wird geregelt sondern der Umfang, wie dieser von Kostenträgern anerkannt werden muss. Dass der Bedarf besteht, wird überall anerkannt

Rede Maria Michalk:Herr Präsident! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Sehr verehrte Damen und Herren! Liebe Kollegin Mattheis, Sie sagen, das von Ulla Schmidt auf den Weg gebrachte Gesetz sei gut. Wir haben es damals in der Großen Koalition gemeinsam beschlossen. Nun haben wir das Gesetz fortentwickelt. Jetzt sagen Sie, das sei nicht weitgehend genug, und wollen sich der Stimme enthalten. Das ist inkonsequent.

ForseA: Richtig. Die Inkonsequenz begann jedoch bereits in der Großen Koalition. Obgleich sich alle Fraktionen darüber einig waren, dass die Situation von behinderten Menschen mit hohem Assistenzbedarf in Krankenhäusern sehr prekär bis hin zur Lebensgefahr ist, beschränkte man sich darauf, behinderte Arbeitgeber in den Schutz des Gesetzes aufzunehmen. Dieser Verstoß gegen die Gleichbehandlung führte zu heftigen Protesten, die mittlerweile auch durch Gerichtsentscheidungen gestützt werden.

Rede Maria Michalk: Lassen Sie mich die Sache auf den Punkt bringen. Das große Thema ist heute natürlich die Praxisgebühr. Schon seit Wochen ist es in aller Munde. Aber hätten wir dieses kleine, feine Gesetz zur Fortentwicklung des Assistenzpflegebedarfs im stationären Bereich sowohl in der Vorsorge als auch in der Rehabilitation nicht auf den Weg gebracht, die Koalition hat dies in Abstimmung mit den Ländern getan, dann hätten Sie die Debatte heute so nicht führen können. Das will ich an dieser Stelle noch einmal sagen; denn es ist wichtig, dass wir die Dinge, die notwendig sind, im Rahmen unserer regulären Arbeit vervollkommnen und verbessern.

ForseA: Diese wohlüberlegte Verknüpfung mit dem Wegfall der Praxisgebühr nimmt unser Problem als Geisel. Alle Beteiligten bis hin zum Bundespräsidenten werden dadurch sich kaum die Blöße geben, das Gesetz abzulehnen. Sie werden damit gezwungen, ein Gesetz, das nach Artikel 4 der Behindertenrechtskonvention der Vereinten Nationen ungültig sein muss, durchzuwinken.

Rede Maria Michalk: Das Gesetz existiert seit dem 30. Juli 2009. Es ist ausschließlich auf das sogenannte Arbeitgebermodell ausgerichtet. Es ist richtig und gut, dass sich Menschen mit einer Behinderung ihre Assistenz selbst aussuchen und sie auch selbst einstellen können und dass sie so ihr Leben mit der Assistenz ganz konkret individuell gestalten können. Es ist in der Sache auch richtig und gut, dass diese Menschen bei einem stationären Krankenhausaufenthalt den sogenannten Mehrpflegebedarf von ihrer vertrauten Assistenz, in der vertrauten persönlichen Konstellation, erhalten.

ForseA: Es ist richtig und gut, dass es das Arbeitgebermodell gibt. Aber das stand nicht zur Debatte. Warum es aber nicht richtig und gut ist, dass der Schutz des Gesetzes sich nicht auch auf Insassen von Anstalten, bzw. auf Kundinnen und Kunden ambulanter Dienste erstrecken darf, darauf bleibt Frau Michalk eine Erklärung schuldig.

Rede Maria Michalk: Die Praxis hat in den letzten Jahren gezeigt, dass es schlecht bzw. menschlich nicht vertretbar ist, wenn diese Assistenz nicht in den sogenannten Vorsorgebereich oder Rehabilitationsbereich mitgenommen werden kann. Diesen Fakt haben wir im Gesundheitsausschuss aufgegriffen und dazu ein Expertengespräch durchgeführt. Sowohl die Länder als auch die Leistungserbringer, also die Kommunen, haben gesagt: Ja, diese in sich logische Erweiterung auf den Rehabilitationsbereich bzw. die stationäre Vorsorge ist gut und richtig und auch bezahlbar. Das ist ein Schritt in die richtige Richtung.

ForseA: Wenn es menschlich nicht vertretbar ist, die Kur auszuschließen: Warum um alles in der Welt, ist dies für Insassen von Anstalten, bzw. auf Kundinnen und Kunden ambulanter Dienste vertretbar. Warum wird dieser unauflösbare Widerspruch hingenommen? Warum geht man nicht die gesamte Strecke nur wieder einen winzigen Schritt?

Rede Maria Michalk: Es sind ungefähr 700 Menschen in unserem Land von dieser Regelung betroffen. Das ist eine relativ kleine und überschaubare Zahl. Wir regeln jetzt diese Erweiterung, weil wir möchten, dass die Pflege aus einer Hand erfolgt und dass der Mehraufwand im Rahmen dieses speziellen Vertrauensverhältnisses gewährleistet wird.

ForseA: In der Regel gibt es keinen Mehraufwand sondern die Verhinderung einer Kostenersparnis auf dem Rücken behinderter Menschen mit Assistenzbedarf. Einen Mehrbedarf wird es geben, wenn der individuelle Bedarf in der Klinik höher als zuhause ist, bzw. durch Fahrtkosten der Assistenz bei auswärtiger Klinik- oder Kurunterbringung.

Rede Maria Michalk: Uns liegt ein Antrag der Linken vor. Ursprünglich wollte die Linke den Antrag, den wir heute zur Abstimmung stellen, auch eingebracht haben. Wir standen miteinander im Dialog, und zwar fraktionsübergreifend; auch das muss ich noch einmal sagen. Dummerweise hat sich die Linke von ihrem ersten Ansinnen verabschiedet. Sie fordert jetzt eine Ausweitung auf alle Bereiche.

ForseA: Warum, Frau Michalk, ist man dumm, wenn man einsieht, dass man zuvor einen Fehler gemacht hat und sich jetzt der ForseA-Forderung anschließt? Einer ForseA-Forderung, die aus einer von der Universität Witten-Herdecke wissenschaftlich begleiteten Kampagne heraus erhoben wurde. Dies würden wir nicht als Dummheit bezeichnen.

Rede Maria Michalk: Nun kann man immer alles fordern. Fakt ist aber: Politik ist auch ein Instrument des Machbaren und des schrittweise Vervollkommnens. Deshalb sagen wir: Das ist ein logischer, konsequenter, gerechtfertigter und folgerichtiger Schritt, der an dieser Stelle in unserem Gesetz geregelt wird. Wir wissen, dass es in der konkreten Lebenssituation durchaus Konstellationen geben kann und wird, in denen dieser Mehraufwand notwendig ist, weil kein Arbeitgebermodell zum Tragen kommt. Ich möchte noch einmal auf die bestehende Regelung in § 11 SGB V verweisen. Ich zitiere ausdrücklich, was in § 11 Abs. 3 für die Menschen geregelt ist, die ihre Assistenz nicht im Rahmen des Arbeitgebermodells beschäftigen: Bei stationärer Behandlung umfassen die Leistungen auch die aus medizinischen Gründen notwendige Mitaufnahme einer Begleitperson des Versicherten oder bei stationärer Behandlung in einem Krankenhaus nach § 108 die Mitaufnahme einer Pflegekraft … Das heißt, dass in ganz konkreten schwierigen Konstellationen eine qualitative Pflege möglich ist. Diese muss nur gelebt werden. Dass sie gelebt wird, haben uns die Experten in der Anhörung zu dem Gesetz gesagt. Deshalb bleiben wir bei unserem Gesetzentwurf.

ForseA: Die Experten haben in den Anhörungen nach unserer Kenntnis was anderes gesagt. Selbst die Kostenträgerseite hat betont, dass sie nur aus Kostengründen ablehnen muss. Sobald ein Mensch in eine Klinik kommt, steht er in aller Regel unter Stress und Angst und hat daher kaum eine Chance, auch aus Zeitgründen, sein Recht gerichtlich durchzusetzen. In diesem Bewusstsein handeln dann auch die Kostenträger, indem sie nicht gesetzlich verbürgte Rechte ablehnen. Dieses Gesetz widerspricht eklatant den Bestimmungen des Artikels 25 der Behindertenrechtskonvention der Vereinten Nationen. Wie oben erwähnt, verstößt es damit auch gegen den Artikel 4 dieser Konvention. Daher darf es so nicht in Kraft gesetzt werden. Nur durch die Verknüpfung mit der Praxisgebühr wird vermutlich zunächst der restliche Durchmarsch geschafft. Und zu guter Letzt soll auch nochmals der Beschluss des Sozialgerichts München erwähnt werden. Im Rahmen einer einstweiligen Anordnung vom 21.03.2011 (Az.: S 32 SO 51/11 ER) stellte das Gericht fest, dass auch für Menschen, die über einen Ambulanten Dienst versorgt werden, der Schutz des Gesetzes gilt. Auch dieses und die darin enthaltene deutliche Kritik des Gerichtes am Gesetzgeber haben wir in der Stellungnahme zu diesem Gesetz erwähnt. Vergeblich!

einstweilige Anordnung des SG München
Unsere Stellungnahme anlässlich der Bundestagsanhörung zu diesem Gesetz

Bericht Inge Jefimov

Wo bleibt die Qualitätspflege?

Inge Jefimov

Inge JefimovEnde August 2012 bin ich  (73 Jahre alt und seit 33 Jahren auf den Rollstuhl angewiesen, Tetra 5/6 Halswirbel) nach einem Sturz im Badezimmer in die Asklepiosklinik Barmbek eingewiesen worden. In der Notaufnahme wurde ich von einem Oberarzt geröntgt, Diagnose: Knie und Unterschenkel gebrochen. Der Oberarzt machte Feierabend. Hinzu kam ein anderer Arzt. Der legte mir eine Schiene an das Bein und schickte mich, trotz heftigen Widerspruch, mit einem Krankenwagen nach Hause. Nächsten Morgen musste ich wieder um 9.00 Uhr in der Klinik sein. Anwesend war wieder der Oberarzt, der mich am Vortag geröntgt hat. Der schlug die Hände über den Kopf zusammen, dass mich sein Kollege mit dem doppelten Bruch nach Hause geschickt hat. Das Bein musste erst mal eingegipst werden, da sich der Bruch in den einen Tag verschoben hat. Nach der Operation ging der Ärger weiter. Man wusch mir nach dem Gang auf die Bettpfanne nicht richtig das Gesäß ab, obwohl ich immer wieder darauf hingewiesen habe, dass ich infolge der Querschnittlähmung sehr empfindlich bin.Resultat: zwei Dekubitus und an den gebrochenen Bein eine schwarze Ferse. Dies, obwohl ich immer wieder darauf hingewiesen und nachgefragt hatte, weil mir die Ferse so weh tat. Zwei Monate brauchte der Heilungsprozess, von den Schmerzen ganz zu schweigen.

Zwischenzeitlich wurde ich zur Reha in die Asklepios Wandsbek verlegt, da war die Betreuung besser. Man war dort sehr erschrocken über die Geschehnisse. Zum Überdruss ist bei der Operation eine Schraube zu weit überdreht worden, sodass sie fünf mm über den Knochen vor stand. Die Operation mussten noch mal gemacht werden, um diese fünf mm ab zu trennen. Bemerkt hatte ich das, weil ich mein Bein vor Schmerzen nicht belasten konnte. Auch erst nach klagen über die Schmerzen hat man mich geröntgt. Die zweite Operation wurde in Wandsbek vollzogen. Meine Therapie fing wieder von vorne an. Ich möchte, das der Bericht veröffentlich wird. Es gibt viele Menschen denen das gleiche passiert. Was ich im Krankenhaus erlebt habe spottet jeder Beschreibung.

April 2013

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