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Urteil 034

Az.: 2 B 43/03 DE

Abschrift

Verwaltungsgericht Dessau

BESCHLUSS

In der Verwaltungsrechtssache

des Herrn . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

Antragsteller,

Proz.-Bev.:
Rechtsanwälte Schöppler und Kollegen, Mittlerer Graben 54, 97980 Bad Mergentheim

gegen

den Landkreis Anhalt-Zerbst,
vertreten durch den Landrat, Fritz-Brandt-Straße 16, 39261 Zerbst

Antragsgegner,

wegen

Hilfe zur häuslichen Pflege und Eingliederungshilfe;

hier: einstweiliger Rechtsschutz

hat das Verwaltungsgericht Dessau – 2. Kammer – am 06. März 2003 beschlossen:

Der Antragsgegner wird im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet,

vorläufig bis zur Entscheidung über den Berufungszulassungsantrag gegen die Entscheidung der 2. Kammer des Verwaltungsgerichts Dessau in dem Verfahren 2 A 387/01 DE dem Antragsteller Hilfe zur Pflege in Form der Übernahme der Kosten für vom Antragsteller selbst angestellte Pflegekräfte in einem Umfang von 17,6 Vollstunden täglich auf Basis eines Stundenlohnes von 9,82 Eur zuzügl. gesetzlicher Arbeitgeberanteile zuzügl. anfallender Kosten für Krankheit und Urlaub sowie der Übernahme der Kosten für Beiträge zur Berufsgenossenschaft und Unfallversicherung sowie der Kosten eines Steuerberaters zur Lohnabrechnung zuzügl. Beiträge zum Umlageverfahren U 1 sowie U 2 unter Abzug der Leistungen der Pflegekasse zu gewähren

sowie

dem Antragsteller Leistungen der Grundsicherung nach §§ 1 Nr. 2, 3 Abs. 1 Nr. 2 GSiG unter Berücksichtigung von monatlichen Unterkunftskosten für die Wohnung Hoheholzmarkt 10 in Zerbst in Höhe von 356,12 Eur zu gewähren

sowie

die Anschlusskosten für ein Telefon zu übernehmen.

In diesem Umfang wird dem Antragsteller Prozesskostenhilfe gewährt und ihm Rechtsanwalt Steigmeier zu den Bedingungen eines ortsansässigen Rechtsanwalts zur Vertretung beigeordnet.

Im übrigen werden die Anträge abgelehnt.

Der Antragsgegner trägt die Kosten des Verfahrens. Gerichtskosten (Gebühren und Auslagen) werden nicht erhoben.

Gründe

Die gestellten Anträge,

den Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, vorläufig bis zur Entscheidung über den Berufungszulassungsantrag des Antragsgegners gegen die Entscheidung des Verwaltungsgerichts Dessau in dem Verfahren 2 A 387/01 DE Leistungen der Sozialhilfe zu gewähren

und zwar im Sinne von Hilfe zur Pflege sowie Eingliederungshilfe in einem Umfang von 17,60 Vollstunden täglich in Form der Erstattung der Kosten für die Anstellung besonderer Pflegekräfte auf Basis eines Stundenlohnes von 9,82 Eur zuzügl. gesetzlicher Arbeitgeberanteile zuzügl. anfallender Kosten für Krankheit und Urlaub sowie Übernahme der Kosten für Beiträge zur Berufsgenossenschaft und Unfallversicherung sowie der Kosten eines Steuerberaters zur Lohnabrechnung zuzügl. Beiträge zum Umlageverfahren U 1 sowie U 2 unter Abzug vorrangiger Leistungen der Pflegekasse;

des weiteren Hilfe zum Lebensunterhalt in Form der Gewährung pauschalierten Wohngeldes zuzügl. eines Mietzuschusses für die verbleibenden Mietkosten für die Anmietung der Erdgeschosswohnung im Anwesen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . , bei einer Grundmiete von monatlich 202,81 Eur zuzügl. Nebenkostenpauschale in Höhe von 196,00 Eur monatlich;

des weiteren Hilfeleistungen zur Beschaffung benötigter – im einzelnen benannter – Haushaltsgegenstände..

Übernahme der Anschlussgebühren für das Telefon,

sowie dem Antragsteller Prozesskostenhilfe zu bewilligen und ihm Rechtsanwalt Steigmeier zu den Bedingungen eines ortsansässigen Rechtsanwalts zur Vertretung beizuordnen,

haben in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang Erfolg.

Nach § 123 Abs. 1 Satz 2 Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO – kann das Gericht zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis einstweilige Anordnungen treffen, um wesentliche Nachteile abzuwenden oder wenn dies aus anderen Gründen nötig erscheint. Dazu sind der geltend gemachte Anspruch (Anordnungsanspruch) sowie die Notwendigkeit der vorläufigen Regelung (Anordnungsgrund) glaubhaft zu machen (§ 123 Abs. 3 VwGO in Verbindung mit §§ 920 Abs. 2, 294 Zivilprozessordnung – ZPO --).

Der Antragsteller hat einen Anordnungsanspruch in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang glaubhaft gemacht.

Insbesondere ist nach der im Eilverfahren notwendig nur summarischen Prüfung davon auszugehen, dass der Antragsteller einen Anspruch auf Übernahme der geltend gemachten Kosten für die Anstellung von Pflegeassistentinnen hat. Rechtsgrundlage des Anspruchs sind die §§ 69, 69b Abs. 1 Satz 2 BSHG. Dass der Antragsgegner dem Grunde nach verpflichtet ist, die angemessenen Kosten für die besonderen Pflegekräfte zu übernehmen, deren Heranziehung für die häusliche Pflege des Antragstellers erforderlich ist, hat die Kammer bereits mit – noch nicht rechtskräftigem – Urteil vom 26. September 2002 festgestellt (Az.: 2 A 387/01 DE). Hierauf wird zunächst zur Begründung Bezug genommen. Die mit diesem Urteil nicht entschiedene Frage, ob der Antragsteller seine häusliche Pflege in dem von ihm gewünschten sog. Assistenz- oder Arbeitgebermodell sicherstellen darf, ist im Hinblick auf die Berechnung des Antragstellers einerseits, der der Antragsgegner in der Sache nicht entgegengetreten ist, und der deutliche Ungereimtheiten aufweisenden Berechnung des Antragsgegners andererseits bei summarischer Prüfung zu bejahen.

Form und Maß der Hilfe stehen nach § 4 Abs. 2 BSHG grundsätzlich im Ermessen des Sozialhilfeträgers. Auf Wünsche des Hilfeempfängers ist nach § 3 Abs. 2 Satz 1 BSHG Rücksicht zu nehmen, soweit sie angemessen sind. Der Träger der Sozialhilfe braucht nach Satz 3 Wünschen nicht zu entsprechen, deren Erfüllung mit unverhältnismäßigen Mehrkosten verbunden wäre. Dass die häusliche Pflege durch vom Antragsteller selbst angestellte Assistentinnen gegenüber einer ggfs. ergänzenden Inanspruchnahme eines professionellen ambulanten Pflegedienstes mit unverhältnismäßigen Mehrkosten verbunden ist, lässt sich nach der vom Antragsgegner der Kostenaufstellung des Antragstellers gegenübergestellten Berechnung nicht annehmen.

Der Antragsgegner hat in seiner Berechnung auf die Kosten abstellen wollen, die bei Heranziehung eines Pflegedienstes entstehen, die gemäß § 89 SGB XI eine Vergütungsregelung nach dem sog. Leistungskomplexsystem mit dem Träger der Sozialhilfe vereinbart haben. Unabhängig von der Frage, ob dies hier grundsätzlich zulässig ist – die vom Antragsgegner zitierte Entscheidung des OVG Hamburg, Beschl. v. 10. Juni 1996 – Bs IV 94/96 -, ZFSH/SGB 1996, 628 ff.) betrifft die Frage der Angemessenheit der Kosten des vom Pflegebedürftigen ausgesuchten Pflegedienstes -, ist die Berechnung des Antragsgegners in sich völlig unschlüssig und nicht geeignet, die tatsächlichen Kosten für die erforderliche häusliche Pflege des Antragstellers aufzuzeigen.

Selbst wenn man – was sich anhand der Aufstellung schwer nachvollziehen lässt – davon ausgeht, dass der Antragsgegner mit den in Ansatz gebrachten Leistungskomplexen den grundpflegerischen und hauswirtschaftlichen Pflegebedarf, den der Medizinische Dienst der Krankenversicherung in seinem Gutachten vom 29. Januar 2003 festgestellt hat, erfasst hätte, wäre der tatsächliche Pflegebedarf des Antragstellers damit noch nicht gedeckt. Denn die Aufstellung verkennt, dass der Antragsteller – was im übrigen auch die von der Pflegekasse festgestellte Schwerstpflegebedürftigkeit/Pflegestufe III nach § 15 Abs. 1 Nr. 3 SGB XI – Soziale Pflegeversicherung voraussetzt – Hilfe bei der Körperpflege, der Ernährung und Mobilität täglich rund um die Uhr, auch nachts, benötigt. Nach den Richtlinien der Spitzenverbände der Pflegekassen über die Abgrenzung der Merkmale der Pflegebedürftigkeit und der Pflegestufen (Pflegebedürftigkeits-Richtlinien, abgedr. in: Kasseler Kommentar, Sozialversicherungsrecht, Stand: 8/2000 als Anhang zu § 17 SGB XI) liegt Schwerstpflegebedürftigkeit vor, wenn der Hilfebedarf so groß ist, dass jederzeit eine Pflegeperson unmittelbar erreichbar sein muss, weil der konkrete Hilfebedarf jederzeit und Tag und Nacht anfallen kann (Rund-um-die-Uhr-Betreuung). Dass der Antragsteller rund um die Uhr auf Hilfe angewiesen ist, hat der Antragsgegner im Hauptsacheverfahren 2 A 387/01 DE selbst immer wieder hervorgehoben. Mit den vom Antragsgegner in Ansatz gebrachten Leistungskomplexen wird jedoch – in pauschalierter Form – lediglich der Mindestzeitaufwand für die Verrichtungen der Grundpflege und hauswirtschaftlichen Versorgung erfasst. Dass die Verrichtungen über den ganzen Tag erforderlich werden können und daher die ganztägige Anwesenheit einer Pflegeperson erforderlich ist, lässt die Berechnung völlig außer Betracht. Sofern man mit den angesetzten Leistungskomplexen den vom MDK ermittelten zeitlichen Mindestaufwand für Grundpflege und hauswirtschaftliche Versorgung in Höhe von insgesamt 324 Minuten (5,40 Stunden) täglich vollständig kostenmäßig für abgedeckt hält, bleiben demnach noch 18,60 Stunden, in denen darüber hinaus die Anwesenheit einer Pflegekraft sichergestellt werden muss. Mit dem vom Antragsgegner errechneten Betrag von 4.078,35 Euro lässt sich also nur ein – und nicht einmal der überwiegende – Teil der erforderlichen Pflegekosten abdecken.

Vor diesem Hintergrund ist der Antragsgegner nach der im Eilverfahren nur möglichen summarischen Prüfung verpflichtet, die vom Antragsteller begehrten Kosten für von ihm selbst angestellte Pflegekräfte zu übernehmen. Dem Wunsch des Antragstellers nach Sicherstellung der häuslichen Pflege im Assistenzmodell lässt sich nicht entgegenhalten, dass diese mit unverhältnismäßigen Mehrkosten verbunden wäre. Der Antragsgegner hat eine kostengünstigere Alternative zur häuslichen Pflege des Antragstellers nicht aufgezeigt. Seine Annahme unverhältnismäßiger Mehrkosten der häuslichen Pflege im Assistenzmodell gegenüber einer Pflege durch einen professionellen ambulanten Pflegedienst geht nach den obigen Ausführungen ersichtlich von unzutreffenden Voraussetzungen aus, weil der Antragsgegner nicht die Kosten einer 24-Stunden-Pflege ermittelt hat. Nach der von ihm angestellten Berechnung, die lediglich einen Pflegebedarf von 5,4 Stunden der insgesamt abzudeckenden 24 Stunden berücksichtigt, lässt sich aber auch kaum davon ausgehen, dass eine solche Pflege kostenmäßig erheblich günstiger sein könnte als die vom Antragsteller begehrte Pflege im Assistenzmodell. Aus einem parallel gelagerten Verfahren ist der Kammer bekannt, dass die Kosten einer Ganztagespflege durch einen ambulanten Pflegedienst durchaus über 7.500 Euro monatlich betragen können. Selbst wenn man die im Assistenzmodell geringere Leistung der Pflegekasse (665 gegenüber 1.432 Euro) berücksichtigt, erscheint es daher als sehr unwahrscheinlich, dass dem Wunsch des Antragstellers eine wesentlich kostengünstigere bedarfsgerechte Alternative entgegengehalten werden kann, zumal – worauf der Antragsteller hingewiesen hat – mit den von ihm angestellten Assistentinnen auch Leistungen der Eingliederungshilfe nach §§ 39, 40 BSHG erbracht werden können. Unabhängig davon hat der Antragsgegner hier schon nicht in Erfahrung gebracht, ob es überhaupt einen Pflegedienst gibt, der eine derartige Pflege tatsächlich übernehmen würde, so dass die Betrachtung des Antragsgegners letztlich nur eine theoretische Alternative betrifft. Nach § 3 Abs. 2 BSHG obliegt es aber dem Sozialhilfeträger, eine anderweitige Möglichkeit der Bedarfsdeckung aufzuzeigen, die die gewünschte Hilfe als unangemessen oder mit unverhältnismäßigen Mehrkosten verbunden erscheinen lässt (vgl. Schellhorn/Schellhorn, BSHG Kommentar, 16. Aufl. 2002, § 3 RdNr. 25).

Dass die vom Antragsteller angesetzten Kosten für die Anstellung der Assistentinnen unangemessen wären, ist weder ersichtlich noch sind insoweit vom Antragsgegner Einwände erhoben worden. Insbesondere ist die vom Antragsteller angesetzte Stundenzahl, bei der die Nachtstunden mit einem Stundensatz von nur 0,2 eingestellt wurden, im Hinblick auf das unbestrittene Erfordernis einer Pflege rund um die Uhr bei summarischer Prüfung nicht zu beanstanden. Dies gilt auch für den zugrunde gelegten Stundenlohn, der dem Tariflohn für ungelernte Pflegekräfte nach BAT KR I entspricht (vgl. hierzu auch VG Leipzig, Beschl. 19. Juni 2000 – 2 K 268/00 -). Was die in die Kostenkalkulation des Antragstellers eingestellten gesetzlichen Arbeitgeberanteile, Kosten für Krankheit und Urlaub, Beiträge zur Berufsgenossenschaft und Unfallversicherung, Kosten eines Steuerberaters zur Lohnabrechnung und Beiträge zum Umlageverfahren U 1 und U 2 betrifft, lassen sich Anhaltspunkte dafür, dass diese Aufwendungen nicht erforderlich wären, nicht erkennen. Auch der Antragsgegner hat die Kostenaufstellung des Antragstellers in diesen Punkten nicht beanstandet, so dass für das Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes von der Angemessenheit dieser Aufwendungen auszugehen ist.

Soweit der Antragsgegner die Auffassung vertreten hat, er sei nach § 68 a BSHG an die Feststellungen der Pflegekasse über das Ausmaß der Pflegebedürftigkeit gebunden, sei schließlich darauf verwiesen, dass diese Bindung sich nur auf die Einstufung in eine bestimmte Pflegestufe bezieht, nicht dagegen auf den Leistungsumfang (vgl. Schellhorn/Schellhorn, BSHG, Kommentar, 16. Aufl. 2002, § 68 a RdNr. 3 und 4). Im übrigen ist der Begriff der Pflegebedürftigkeit des Bundessozialhilfegesetzes gegenüber demjenigen des Pflegeversicherungsrechts weiter und umfasst nach § 68 Abs. 1 Satz 2 BSHG auch eine Pflegebedürftigkeit geringeren oder minderen Grades (vgl. Schellhorn/Schellhorn, BSHG-Kommentar, 16. Aufl. 2002, § 69 b RdNr. 6) sowie eine Pflegebedürftigkeit, die sich auf einen Pflegebedarf bei „anderen Verrichtungen" im Sinne des § 68 Abs. 1 BSHG, ZFSH/SGB 1997, 457 ff.; Jürgens, Die Hilfe zur Pflege als Ergänzung und Erweiterung der Pflegeversicherung, ZFSH/SGB 1997, 24 ff.; Krahmer, Pflegeversicherung und erweiterter Pflegebegriff im Sozialhilferecht – ihre Bedeutung insbesondere bei geistig und seelisch Kranken und Behinderten, ZSFH/SGB 1997, 145 ff.).

Der Antragsteller hat auch einen Anspruch auf Gewährung von Leistungen der Grundsicherung nach §§ 1 Nr. 2, 3 Abs. 1 Nr. 2 des Gesetzes über eine bedarfsorientierte Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung – GSiG – (BGBl. 2001, S. 1335) unter Berücksichtigung der tatsächlichen Kosten der Wohnung . . . . . . . . . . . . . . . . , die er anmieten kann und will. Nach § 3 Abs. 1 Nr. 2 GSiG umfasst die bedarfsorientierte Grundsicherung die angemessenen tatsächlichen Aufwendungen für Unterkunft und Heizung. In Abzug zu bringen ist allerdings zunächst der auf den Warmwasserverbrauch entfallende Anteil an der Nebenkostenvorauszahlung, da diese Kosten vom Regelsatz nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 GSiG mit umfasst werden und somit nicht zum Unterkunftsbedarf zählen (vgl. Hofmann, in: LPK-BSHG, 5. Aufl. 1998, § 12 RdNr. 21). Der vom Antragsgegner insoweit angesetzte Betrag von 18% der nicht zwischen Heizungs- und Warmwasserkosten differenzierenden Vorausleistung ist für das Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes nicht zu beanstanden, so dass sich der Unterkunftsbedarf auf 356,12 Euro reduziert (377,72 Euro – 21,60 Euro). Diese Kosten sind in voller Höhe in die Bedarfsrechnung einzustellen. Soweit der Antragsteller bei seiner Berechnung nach dem Grundsicherungsgesetz die Kosten der o.g. Wohnung nur unter Abzug eines weiteren Betrages von 78,92 Euro in die Bedarfsberechnung eingestellt hat, weil er sie im übrigen für unangemessen hält, ist dies nach vorläufiger Einschätzung nicht gerechtfertigt. Die Angemessenheit der Kosten einer Unterkunft ist nach den Umständen des Einzelfalls zu beurteilen. Die Angemessenheit der Unterkunft ist zu bejahen, wenn keine bedarfsgerechte kostengünstigere Unterkunft verfügbar ist (vgl. Oestreicher/Schelter/Kunz, BSHG, Kommentar, Stand 6/02, § 12 RdNr. 9). Dass der Antragsteller, der auf eine rollstuhlgerechte Wohnung angewiesen ist, eine derartige Wohnung zu den vom Antragsgegner für angemessen gehaltenen Aufwendungen in Zerbst überhaupt anmieten kann, ist weder ersichtlich noch hat der Antragsgegner sich um einen – angesichts der hier gegebenen Umstände gebotenen – Nachweis hierfür bemüht. Von einer Unangemessenheit der Unterkunftskosten lässt sich daher nicht ausgehen. Im übrigen ist die Kammer der Auffassung, dass an die Angemessenheit im Hinblick auf die Wohnungsgröße keine zu strengen Maßstäbe angelegt werden dürfen, weil den besonderen Raumbedürfnissen Rechnung zu tragen ist, die sich aus der Benutzung eines Rollstuhls einerseits und dem Erfordernis der dauernden, auch nächtlichen Anwesenheit einer Pflegekraft ergeben. Soweit die Vorauszahlung auf die Heizungskosten auch unter Abzug des Warmwasseranteils relativ hoch erscheint, muss es der Prüfung im Hauptsacheverfahren vorbehalten bleiben, ob es eine Rechtfertigung für eine Vorauszahlung in dieser Höhe gibt. Ob dem Antragsteller im übrigen ein Anspruch auf Gewährung von Wohngeld zusteht, das sozialhilferechtlich als vorrangige Leistung auf den Unterkunftsbedarf des Antragstellers anzurechnen wäre, ist – worauf der Antragsgegner bereits hingewiesen hat – in dem entsprechenden wohngeldrechtlichen Verfahren zu klären.

Was die Grundausstattung der Wohnung betrifft, hat der Antrag dagegen keinen Erfolg, denn insoweit ist der Antragsgegner für die Hilfeleistung nicht zuständig. Zuständig für diese Hilfe an den bisher in einer Einrichtung lebenden Antragsteller ist vielmehr nach § 100 Abs. 2 BSHG der überörtliche Träger der Sozialhilfe (vgl. Fichtner, BSHG, Kommentar, 1999, § 100 RdNr. 39; Schoch, in: LPK-BSHG, 5. Aufl. 1998, § 100 RdNr. 62).

Der Anspruch des Antragstellers auf Übernahme der Anschlussgebühren für ein Telefon ergibt sich aus §§ 39 Abs. 1, 3 und 4, 40 Abs. 1 Nr. 8 BSHG i.V.m. §§ 55, 58 Nr. 1, 2 SGB IX. Der Antragsteller kann aufgrund seiner Schwerstbehinderung die Wohnung nur unter großen Schwierigkeiten verlassen. Eine Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft, insbesondere die Wahrnehmung seiner ehrenamtlichen Tätigkeit in der Behindertenarbeit, ist dem Antragsteller daher nur mit Hilfe eines Telefons möglich (vgl. zur Übernahme der Kosten eines Telefonanschlusses Schellhorn/Schellhorn, BSHG, Kommentar, 16. Aufl. 2002, § 40 RdNr. 71; s.a. Lachwitz, in: Lachwitz/Schelhorn/Welti, HH-SGB IX, 2002, § 59 RdNr.1; Kossens/von der Heide/Maaß, Praxiskommentar zum Behindertenrecht (SGB IX), 2002, § 58 RdNr. 4).

Der Antragsteller hat auch einen Anordnungsgrund glaubhaft gemacht. Im Hinblick auf den Gesundheitszustand des Antragstellers einerseits und die lange Zeit andererseits, die er gegen seinem Willen in dem Alten- und Pflegeheim bereits hat leben müssen, kann dem Antragsteller nicht zugemutet werden, den rechtskräftigen Abschluss des Verfahrens 2 A 387/01 DE abzuwarten, zumal hiermit erst die Verpflichtung des Antragsgegners zur Übernahme der Kosten der häuslichen Pflege dem Grunde nach geklärt wäre. Der Antragsteller müsste also bei einem für ihn günstigen Ausgang dieses Verfahrens im Hinblick auf die von der Kammer insoweit in den Blick genommene, den tatsächlichen Pflegebedarf des Antragstellers völlig verkennende Alternativberechnung des Antragsgegners wohl auch noch die Frage um Form und Maß der ihm zustehende Hilfe gerichtlich klären lassen. Damit könnte die Umsetzung des berechtigten Wunsches des Antragstellers, die stationäre Einrichtung zu verlassen, also noch auf Jahre aufgeschoben sein. Die Kammer verkennt insoweit nicht, dass mit der einstweiligen Anordnung die Hauptsache vorweggenommen wird, hält dies aber für gerechtfertigt, da der Antragsteller nicht darauf verwiesen werden kann, eine ihm – wie in der Entscheidung 2 A 387/01 dargelegt – nicht zumutbare stationäre Unterbringung in dem Alten- und Pflegeheim auf für ihn unabsehbare Dauer weiter hinzunehmen.

Soweit der Eilantrag hiernach Erfolg hat, war dem Antragsteller gemäß §§ 166 VwGO, 114 Satz 1 ZPO Prozesskostenhilfe zu gewähren, da er nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht aufbringen kann. Da die Vertretung durch einen Rechtsanwalt erforderlich erscheint, war dem Antragsteller nach § 121 Abs. 2 und 3 ZPO der zu seiner Vertretung bereite Rechtsanwalt zu den Bedingungen eines ortsansässigen Rechtsanwaltes beizuordnen.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 1, 155 Abs. 1 Satz 3 VwGO. Das Verfahren ist gemäß § 188 Satz 2, 1. Halbsatz VwGO gerichtskostenfrei.

Die Entscheidung über den Prozesskostenhilfeantrag ergeht gerichtsgebührenfrei; außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.

Rechtsmittelbelehrung

Gegen diesen Beschluss ist die Beschwerde an das Oberverwaltungsgericht des Landes Sachsen-Anhalt statthaft.

Die Beschwerde kann nur durch einen Rechtsanwalt oder Rechtslehrer an einer deutschen Hochschule im Sinne des Hochschulrahmengesetzes mit Befähigung zum Richteramt eingelegt werden; sie kann auch durch Mitglieder oder Angestellte eines Verbandes im Sinne des § 14 Abs. 3 Satz 2 des Sozialgerichtsgesetzes oder einer Gewerkschaft eingelegt werden, sofern sie kraft Satzung oder Vollmacht zur Prozessvertretung befugt sind. Juristische Personen des öffentlichen Rechts und Behörden können sich auch durch Beamte oder Angestellte mit Befähigung zum Richteramt sowie Diplomjuristen im höheren Dienst, Gebietskörperschaften auch durch Beamte oder Angestellte mit Befähigung zum Richteramt der zuständigen Aufsichtsbehörde oder des jeweiligen kommunalen Spitzenverbandes des Landes, dem sie als Mitglied zugehören, vertreten lassen.

Die Beschwerde ist innerhalb von zwei Wochen nach Bekanntgabe dieses Beschlusses bei dem Verwaltungsgericht Dessau, Postfach 1533, 06814 Dessau oder Mariannenstraße 35, 06844 Dessau einzulegen.

Die Beschwerde ist innerhalb eines Monats nach der Bekanntgabe dieses Beschlusses zu begründen. Die Begründung ist, sofern sie nicht bereits mit der Beschwerde vorgelegt worden ist, bei dem Oberverwaltungsgericht des Landes Sachsen-Anhalt, Postfach 391131, 39135 Magdeburg oder Schönebecker Straße 67 a, 39104 Magdeburg einzureichen. Sie muss einen bestimmten Antrag enthalten, die Gründe darlegen, aus denen der Beschluss abzuändern oder aufzuheben ist, und sich mit der angefochtenen Entscheidung auseinander setzen.

Soweit der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe abgelehnt worden ist, kann gegen diesen Beschluss innerhalb von zwei Wochen nach Zustellung dieses Beschlusses Beschwerde an das Oberverwaltungsgericht des Landes Sachsen-Anhalt, Postfach 391131, 39135 Magdeburg oder Schönebecker Straße 67 a, 39104 Magdeburg eingelegt werden. Die Beschwerde ist schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle bei dem Verwaltungsgericht Dessau, Postfach 1533, 06814 Dessau oder Mariannenstraße 35, 06844 Dessau einzulegen. Die Beschwerdefrist ist auch gewahrt, wenn die Beschwerde innerhalb der Frist bei dem Oberverwaltungsgericht des Landes Sachsen-Anhalt eingeht.

Im übrigen ist gegen die Bewilligung der Prozesskostenhilfe unter den Voraussetzungen des § 127 Abs. 3 der Zivilprozessordnung die Beschwerde der Staatskasse statthaft.

Bücken-Thielmeyer                                  Schneider                                                Baur

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