Unsere Verfassung ......
gültig nicht nur für Nichtbehinderte!
von Gerhard Bartz (Mai 2000)
Jeder Mensch in Deutschland wird mit den hier gültigen Verfassungs-
und Menschenrechten geboren. Es sind nicht wenige, die diesen Stichtag
noch weiter zurückverlegen, einige sogar zurück bis zur ersten
Zellteilung. Ist der geborene Mensch dann jedoch früher oder später
behindert, hat unsere Gesellschaft - paradoxerweise oft die selben Kreise,
die vorgeburtliche Rechte einfordern - das dringende Bedürfnis,
diese Grundrechte einzuschneiden oder gar teilweise aufzuheben. Vor
allem dann, wenn die Beibehaltung der Grundrechte unsere Gesellschaft
Geld kostet, scheint der Verwaltung die Wegnahme geboten. Und es finden
sich seltsamerweise immer mal wieder Richter, welche diese Auffassung
stützen.
Da es also hinsichtlich unserer Grundrechte ein Informationsdefizit
zu geben scheint, möchte ich an dieser Stelle einige, zum Teil
auszugsweise, wiedergeben:
Artikel 1 GG
Schutz der Menschenwürde
Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen
ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.
Artikel 2 GG
Freiheit der Person
Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit,
soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige
Ordnung oder das Sittengesetz verstößt.
Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Die
Freiheit der Person ist unverletzlich. In diese Rechte darf nur auf
Grund eines Gesetzes eingegriffen werden.
Artikel 3 GG
Gleichheit vor dem Gesetz
Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich.
Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse,
seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner
religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt
werden. Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden.
Artikel 6 GG
Ehe und Familie
Ehe und Familie stehen unter dem besonderen Schutz der staatlichen Ordnung.
Artikel 11 GG
Freizügigkeit
Alle Deutschen genießen Freizügigkeit im ganzen Bundesgebiet.
Dieses Recht darf nur durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes und
nur für die Fälle eingeschränkt werden, in denen eine
ausreichende Lebensgrundlage nicht vorhanden ist und der Allgemeinheit
daraus besondere Lasten entstehen würden (...)
Artikel 13 GG
Unverletzlichkeit der Wohnung
Die Wohnung ist unverletzlich.
Durchsuchungen dürfen nur durch den Richter, bei Gefahr im Verzuge
auch durch die in den Gesetzen vorgesehenen anderen Organe angeordnet
und nur in der dort vorgeschriebenen Form durchgeführt werden.
Eingriffe und Beschränkungen dürfen im übrigen nur zu
Abwehr einer gemeinen Gefahr oder einer Lebensgefahr für einzelne
Personen, auf Grund eines Gesetzes auch zur Verhütung dringender
Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung, insbesondere
zur Behebung der Raumnot, zur Bekämpfung von Seuchengefahr oder
zum Schutze gefährdeter Jugendlicher vorgenommen werden.
Aussonderungshilfsmittel gegen behinderte Menschen - Messlatten für
ein Leben in Freiheit
In unserer Gesellschaft macht sich zunehmend die Tendenz bemerkbar,
die Leistungen für Assistenz behinderter Menschen nur noch dann
mit öffentlichen Mitteln zu finanzieren, wenn diese entweder berufstätig
oder Insasse einer Behinderten- oder Pflegeanstalt sind. Dieser Zustand
droht in der Gesetzgebung, sei es dem SGB IX oder im Gleichstellungsgesetz,
trotz des Vorrangs der ambulanten Assistenz in allen bisherigen Gesetzen
zementiert zu werden.
Der § 3a des Bundessozialhilfegesetzes (BSHG) ist zur Existenzgrundlage
"freilebender" Menschen mit Assistenzbedarf geworden:
§ 3a BSHG
Vorrang der offenen Hilfe
Die erforderliche Hilfe ist soweit wie möglich außerhalb
von Anstalten, Heimen oder gleichartigen Einrichtungen zu gewähren.
Dies gilt nicht, wenn eine geeignete stationäre Hilfe zumutbar
und eine ambulante Hilfe mit unverhältnismäßigen Mehrkosten
verbunden ist. Bei der Prüfung der Zumutbarkeit sind die persönlichen,
familiären und örtlichen Umstände angemessen zu berücksichtigen.
Bis zum 26. Juni 1996 galt § 3a BSHG mit dem ersten Satz. Dann
wurden die beiden folgenden Sätze angefügt. Zum "Schutz"
der "Altfälle" wurde § 143 BSHG eingefügt.
§ 143 BSHG
Übergangsregelung für ambulant Betreute
Für Empfänger von Eingliederungshilfe für Behinderte
oder Hilfe zur Pflege, deren Betreuung am 26. Juni 1996 durch von ihnen
beschäftigte Personen oder ambulante Dienste sichergestellt wird,
gilt § 3a in der am 26. Juni 1996 geltenden Fassung.
Unzumutbar ist eine stationäre Unterbringung schon allein
deshalb, wenn sie gegen den Willen des betroffenen Menschen angeordnet
wird. Hier geht die Schutzfunktion des neuen § 3a BSHG noch über
die des alten hinaus. Sofern dies von anderen gegenteilig gesehen wird,
betrachten wir dies als Rechtsbeugung. Denn Unzumutbarkeit kann und
darf nicht vom "Zumutenden" oder anderen Dritten als solche
interpretiert werden. Was für den Einzelnen unzumutbar ist, obliegt
alleine dessen individueller Beurteilung!
Mit welchem Maß werden unverhältnismäßige Kosten
ermittelt? Was ist ein Menschenrecht wert? Was sind dann mehrere Grundrechte
wert? Hier von unverhältnismäßigen (Mehr-)Kosten zu
reden bedeutet, das Recht auf Assistenz (z.B. nach dem Arbeitgebermodell)
zu bestreiten, wenn dieses höhere Kosten als ein Aufenthalt in
einer Anstalt verursacht.
Wer diesen Vergleich anstellt, muss wissen, dass für Insassen einer
Behindertenanstalt eine Vielzahl von Verfassungsrechten zumindest teilweise
außer Kraft gesetzt wurden. Nur dadurch ist es möglich, dass
eine Behinderten- und Pflegeanstalt auf den ersten Blick preislich mit
einer ambulanter Versorgung oder der persönlichen, selbstbestimmten
Assistenz durch das Arbeitgebermodell konkurrieren kann.
Anstaltsbetreiber, die aufgrund der fälschlichen Zumutung einen
Menschen gegen seinen Willen bei sich einquartieren, leisten nach unserer
Ansicht Beihilfe zur Freiheitsberaubung!
Diese freiheitsentziehende Zwangsmaßnahme verstößt
gröblichst gegen unser Grundgesetz. Auch diesen Beweis will ich
mit diesem Aufsatz antreten.
Mit dieser Zusammenfassung wollen wir die Menschenrechtsverletzungen
gegenüber behinderten und alten Menschen, nicht nur in Behinderten-
und Pflegeanstalten, aufzeigen und an den Pranger stellen. Ein Leben
in Freiheit mit dem in einer Anstalt zu vergleichen, ist schlichtweg
unmöglich. Daher ist auch jeder Preisvergleich absurd.
Artikel 1 GG
Schutz der Menschenwürde
Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen
ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.
Die Würde ist antastbar: In einer Behinderten- oder Pflegeanstalt
kann die Menschenwürde nicht gewahrt werden. Dazu fehlt es nicht
nur an Personal, auch die Strukturen erlauben nicht, dass auf die Würde
des Menschen Rücksicht genommen wird. Jeder Insasse wird von der-
oder demjenigen ge- und verpflegt, die oder der gerade Zeit hat oder
auf dem Dienstplan steht. Auf persönliche Befindlichkeiten, insbesondere
auch dem Wunsch nach gleichgeschlechtlicher Pflege, wird selten Rücksicht
genommen.
Isst der alte Mensch zu langsam, wird er über die Sonde ernährt.
Braucht er Hilfen bei den Toilettengängen, werden Katheter gelegt
und Windeln angelegt. Regt er sich über derlei Behandlungen auf,
wird er mit Medikamenten ruhig gestellt oder gar im Bett fixiert. Beispiele
hierfür gibt es zu Hunderttausenden.
Artikel 2 GG
Freiheit der Person
Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit,
soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige
Ordnung oder das Sittengesetz verstößt.
Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Die
Freiheit der Person ist unverletzlich. In diese Rechte darf nur auf
Grund eines Gesetzes eingegriffen werden.
Der freien Entfaltung seiner Persönlichkeit sind in einer
Anstalt enge Grenzen gesetzt. Man steht auf, wenn gerade eine Pflegeperson
Zeit hat. Gleiches gilt bei Toilettengängen, beim Zubettgehen und
bei vielen anderen Dingen des täglichen Lebens mehr. Hilfe außerhalb
der Anstalt gibt es selten. Daher ist auch der Bewegungsspielraum der
Insassen knapp bemessen.
Dem Anstaltsinsassen wird sein gesamtes Einkommen genommen. Was bleibt,
ist ein Taschengeld. Auch ein evtl. vorhandenes Vermögen (z.B.
ein bis dahin selbst bewohntes Eigenheim) wird bis auf einen geringen
Rest für die Finanzierung der Anstaltskosten eingesetzt. Ein derart
wirtschaftlich gegen Null gefahrener Anstaltsinsasse kommt schwerlich
auf den Gedanken, es nochmals mit dem Leben in Freiheit zu probieren.
Er könnte nicht mal die erste Mietkaution bezahlen.
Artikel 3 GG
Gleichheit vor dem Gesetz
Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich.
Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse,
seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner
religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt
werden. Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden.
Wolfgang Schäuble hat gewusst, was er sagte, als er diese
Erweiterung des Artikels 3 als Prosa bezeichnete. Er wusste, dass weder
die Befürworter noch die Ablehner der Verfassungsänderung
damals die Absicht hatten, diesen hehren Worten gesetzgeberische Taten
folgen zu lassen. Selbst die jetzt ins Auge gefassten Gesetze (SGB IX
und Gleichstellungsgesetz) lassen befürchten, dass sich für
assistenznehmende Menschen keine oder kaum Verbesserungen ergeben.
Artikel 6 GG
Ehe und Familie
Ehe und Familie stehen unter dem besonderen Schutz der staatlichen Ordnung.
Die Ehe des Autors dieses Artikels war nach Meinung des zuständigen
Sozialamtes 20 Prozent der Kosten einer Unterbringung in einer Behindertenanstalt
wert. Sobald die Kosten des Arbeitgebermodells die der Unterbringung
in der Anstalt um 20 Prozent übersteigen würden, sollten wir
uns trennen und meine Frau in die Anstalt ziehen.
Behinderte Menschen finden häufig keine Lebenspartner, da sich
unser Staat sofort auf diese stürzt und für die Assistenzkosten
(egal ob ambulant oder stationär) in Haftung nimmt. Dies unabhängig
davon, ob ein Trauschein vorliegt oder nicht. Ich habe meine Frau erst
kennengelernt und geheiratet, als diese bereits behindert war. Diese
Entscheidung kostet uns jährlich 25.000 Mark!
Jede Verdienstabrechnung muss vorgelegt werden, jede Ansparung auf eine
größere Anschaffung muss bei der Behörde freundlich
beantragt werden. Wird trotz fehlender Genehmigung von dem Rest, was
nach Einkommensanrechnung noch übrigbleibt, angespart, so ist die
anrechenbare Vermögensgrenze irgendwann (bei ca. 8000 Mark) erreicht
und der Eigenanteil wird um den anrechnungsfähigen Teil des "Vermögens"
erhöht. Vor dem staatlichen Lotto wird ausdrücklich gewarnt:
Ein Fünfer im Lotto zerstört nach Meinung mancher Behörden
lebenslang den Schutz des Artikels 51 des Pflegeversicherungsgesetzes.
Soviel nur zum Schutz der staatlichen Ordnung!
Artikel 11 GG
Freizügigkeit
Alle Deutschen genießen Freizügigkeit im ganzen Bundesgebiet.
Dieses Recht darf nur durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes und
nur für die Fälle eingeschränkt werden, in denen eine
ausreichende Lebensgrundlage nicht vorhanden ist und der Allgemeinheit
daraus besondere Lasten entstehen würden (...)
Hat sich ein assistenznehmender behinderter Mensch an seinem
Wohnort mit dem Sozialamt auf eine Erstattung seiner Assistenzkosten
geeinigt bzw. die Kostenübernahme erstritten, tut er gut daran,
diesen Wohnsitz nie aufzugeben. Wir kennen Menschen, deren Voranfragen
an das neue zuständige Sozialamt durchweg freundlich und wohlwollend,
aber unbestimmt und ohne Rechtscharakter beantwortet wurden. Nachdem
der Umzug erfolgte, hat das neue Sozialamt alle Anträge abgelehnt.
Das BSHG bedeutet zwar Bundesrecht, der kleinste Sachbearbeiter einer
Behörde ist jedoch zunächst in seiner Entscheidung autonom.
Wer also selbst kein Verwaltungsrechtsspezialist ist oder keinen starken
Verein wie das ForseA im Hintergrund hat, dem bleibt nur noch die Suche
nach einem guten Rechtsanwalt. Und die sind auf diesem Gebiet dünn
gesät.
Artikel 13 GG
Unverletzlichkeit der Wohnung
Die Wohnung ist unverletzlich
Durchsuchungen dürfen nur durch den Richter, bei Gefahr im Verzuge
auch durch die in den Gesetzen vorgesehenen anderen Organe angeordnet
und nur in der dort vorgeschriebenen Form durchgeführt werden.
Eingriffe und Beschränkungen dürfen im übrigen nur zu
Abwehr einer gemeinen Gefahr oder einer Lebensgefahr für einzelne
Personen, auf Grund eines Gesetzes auch zur Verhütung dringender
Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung, insbesondere
zur Behebung der Raumnot, zur Bekämpfung von Seuchengefahr oder
zum Schutze gefährdeter Jugendlicher vorgenommen werden.
Assistenznehmende behinderte Menschen sind "öffentliche"
Menschen, sofern sie die Assistenzkosten nicht selbst bezahlen können.
Im Laufe ihres Lebens werden sie -zigmal begutachtet, alles natürlich
auf gesetzlicher Grundlage. Es gibt sicherlich Behinderungen aufgrund
Krankheiten oder Verletzungen (z.B. Schlaganfall) deren Folgeerscheinungen
weitgehend wegtherapiert werden können. Es gibt aber - und das
sind die meisten - Behinderungen, deren Auswirkungen ein Leben lang
anhalten oder sich gar verstärken.
Wenn nun diese Menschen endlich über Rundfunkgebührenbefreiung,
Parkausweis, Steuerfreibetrag, Pflegestufe usw. verfügen, muss
dieser Status quo auf Dauer festgeschrieben werden, auch ohne dass eine
Schar von "Fachleuten" sich ständig um irgendwelche obskuren
Neugutachten bemüht, die ohnehin nur dazu gut sind, eben denselben
als Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen zu dienen.
Ein Paradebeispiel stellen die ständigen Wiederholungsbegutachtungen
des Medizinischen (weniger Wohlmeinende nennen ihn mittlerweile Medizynischen)
Dienstes der Krankenkassen dar. Diese - genauer die Pflegekassen - könnten
in vielen Fällen sehr wohl nach Aktenlage entscheiden. Dafür
gibt es natürlich weniger Geld (für die Gutachter)!
Wenn der Fall eintreten sollte, dass sich der Assistenzbedarf vergrößert,
können die Betroffenen jederzeit einen Antrag auf erneute Begutachtung
gestellen, falls das "Maß der Güte" des Gesetzgebers
noch Spielraum nach oben hat.
Als Gipfel der Unerträglichkeit wird von assistenznehmenden Menschen,
die ihre Assistenz selbst organisieren, der regelmäßig von
einem ambulanten Dienst vorzunehmende Zwangskontrolleinsatz nach §
37 Abs.3 SGB XI - harmlos als Pflichtpflegeeinsatz bezeichnet - empfunden.
Als ob die kontrollierenden "Fachkräfte" den behinderten
Menschen, die ihre Situation selbst am besten beurteilen können,
etwas von Qualität erzählen könnten!
Mit der selben Selbstverständlichkeit müssten Eltern während
des Erziehungsurlaubes oder während des Kindergeldbezuges geprüft
werden. Werden sie natürlich nicht, denn sie würden sich den
Eingriff in ihre Privatsphäre zur Recht verbitten. Die letzte Novellierung
der Pflegeversicherung hatte lediglich die Folge, dass die "Ãœberfallenen"
nicht auch noch die Kosten des "Überfalls" tragen müssen.
Dies übernehmen jetzt die Pflegeversicherungen aus den Mitteln
ihrer Beitragszahler.
Warum ist unseren Parlamentariern nicht klarzumachen, wie entwürdigend
es ist, wenn man einen Kontrolleur zu sich einladen, einen Wildfremden
in seine Wohnung lassen, ihm Rede und Antwort stehen und sich womöglich
gar vor ihm ausziehen muss? Der Mensch, der eigenverantwortlich seine
Assistenz organisiert, wollte die Pflegeversicherung nicht; sie wurde
ihm vom Sozialhilfeträger zu dessen Kostenentlastung aufgenötigt.
Und jetzt ist er (der behinderte Mensch) in dem entwürdigenden
System gefangen.
Vor drei Jahren sammelte das ForseA rund 8000 Unterschriften gegen die
Zwangskontrollen der Pflegeversicherung. Nach über einem Jahr erhielten
wir Nachricht, dass eine ähnliche Petition ebenfalls abgelehnt
wurde und daher auch die des ForseA keine Aussicht auf Erfolg hätte.
Begründet wird die Ablehnung der Forderung nach Abschaffung der
Zwangskontrollen damit, dass es ansonsten große Abgrenzungsprobleme
gegenüber der Pflege durch Familienangehörige gäbe. Dabei
ist eben dieses Argument nicht nachvollziehbar. Welcher assistenzbedürftige
alte Mensch, der Geldleistung bezieht, beschäftigt seine ihn vorsorgende
Familienangehörige steuer- und sozialversicherungspflichtig? Hier
besteht ein eindeutiges Kriterium zur Abgrenzung!
"Natürlicher Feind" des Arbeitgebermodells
Einen "natürlichen Feind" des Arbeitgebermodells finden
wir bei den Wohlfahrtsorganisationen (andere bezeichnen diese gar als
Unwohlfahrtsorganisationen, manche gar als Sozialmafia). Diese bekämpft
das Modell an allen Fronten: Auf der untersten Ebene sind sie fester
Bestandteile jener "sozial erfahrener Personen", die im Widerspruchsauschuss
angelangte Anträge auf das Arbeitgebermodell abschmettern. Auf
der Regierungsebene sorgt sie mit massiver Lobbyarbeit dafür, dass
das Modell nicht zum Bezug der - höheren - Sachleistungen zugelassen
wird. Diese ist ausschließlich den ambulanten Diensten vorbehalten.
Darin ist auch die Motivation für ihr Handeln verborgen.
Im Übrigen ist es dringend an der Zeit, ambulante und stationäre
Anbieter von Pflegeleistungen unangemeldet zu prüfen, um die in
immer größere Zahl bekannt werdenden Misshandlungen, Vernachlässigungen
und Falschabrechnungen zu beseitigen bzw. ihnen vorzubeugen.
Unzumutbar ist sehr oft der Umgang von Behördenmitarbeiterinnen
und Behördenmitarbeitern mit Hilfesuchenden!
Viele Antragsteller werden von diesen mehr oder weniger als Schmarotzer
angesehen und entsprechend behandelt. Die schönsten und menschlichsten
Gesetze nutzen nur der Papierindustrie, wenn die korrekte Ausführung
auf der untersten Ebene verhindert wird.
Es wird seitens der Behörden oft davon ausgegangen, dass es eine
besondere Freude ist, ständig mehr oder weniger Fremde in der eigenen
Wohnung zu haben. Wir gehen davon aus, dass wirklich nur die eine "Rund-um-die-Uhr"-Assistenz
beschäftigen, die sie wirklich benötigen. Alle anderen sind
froh, wenn sie mal eine Zeit mit sich oder anderen vertrauten Personen
alleine sein können.
Luxusgegenstände oder Hilfsmittel ?
Analog dazu auch noch folgendes: Viele Dinge, die uns das Leben erleichtern,
sind deshalb so teuer, weil sie für den Nichtbehinderten Luxusartikel
darstellen. Der Preis orientiert sich daher nicht an den Herstellungskosten,
sondern daran, was die anvisierte Käuferschicht dafür zu zahlen
bereit ist.
Wenn nun ein behinderter Mensch bei seiner Pflegekasse die Kostenübernahme
z.B. für einen über infrarot ferngesteuerten Lichtschalter
beantragt, schnappt die "Falle" im Kopf des Sachbearbeiters
zu. Er hat schließlich so was auch nicht zuhause, weil er sich
so was nicht leisten kann. Somit hat er den Sender und Empfänger
als Luxusgut identifiziert und aus der Kostenübernahme ausgeschlossen.
Gibt es deshalb den Hilfsmittelkatalog, den viele Sachbearbeiter als
verbindlich ansehen, ohne dass er es ist? Als wir vor Jahren einen Deckenlifter
benötigten, wollten wir ihn statt in RAL-Grau in braun lackiert
haben. Nachdem sich der Verkäufer von diesem Schock ("das
ist mir noch nie passiert!") erholt hatte, war dies zu einem selbst
zu zahlenden Mehrpreis möglich. Motto der Hersteller und Kostenträger:
Hilfsmittel müssen sich auf den ersten Blick als solche identifizieren
und dürfen auf keinen Fall mit "Luxus"-Artikeln zu verwechseln
sein.
Kein "Wasserkopf", daher höchster Wirkungsgrad im Arbeitgebermodell
Es ist an der Zeit, dass alle Mitglieder der Gesellschaft sich fragen,
wie sie ihr Leben im Alter oder mit einer Behinderung durch Unfall oder
Krankheit gestalten wollen. In Deutschland wird ständig gefordert,
dass die durch Rationalisierung von Produktionsprozessen freigesetzten
Menschen ihre Zukunft in der Dienstleistung suchen sollen. Das Arbeitgebermodell
mit seinen vielfältigen Gestaltungsmöglichkeiten ist geradezu prädestiniert dafür.
Hier wird nahezu jede eingesetzte Mark in Leistung umgesetzt. Diesen
hohen Wirkungsgrad kann weder ein ambulanter Dienst, schon gar nicht
eine Anstalt aufweisen.
Ein weiterer volkswirtschaftlicher Vorteil besteht darin, dass aus vielen
Arbeitslosen oder Sozialhilfeempfängern wieder Beitrags- und Steuerzahler
werden.
Die Hälfte fließt zurück
Die Hälfte der im Arbeitgebermodell eingesetzten Mittel fließt
als Steuern und Sozialabgaben wieder an die Gesellschaft zurück.
Rechnet man die eingesparten Arbeitslosengelder und Hilfen zum Lebensunterhalt
der ansonsten arbeitslosen AssistentInnen hinzu, dann fällt die
Bilanz noch wesentlich günstiger aus. Der oft gehörte Einwand,
dass aus der Sozialversicherung ja auch wieder Leistungen abfließen,
zählt nicht. Denn auch in der Arbeitslosigkeit bestehen Leistungsansprüche.
Nichtaussonderung statt Integration !
Auch für die Integration oder besser der Nichtaussonderung behinderter
Menschen in unserer Gesellschaft ist es besser, wenn diese in ihrer
gewohnten Umgebung bleiben. Dort sind sie im Rahmen der verbliebenen
Möglichkeiten bereits mehr oder weniger integriert.
In Kommunen mit Behinderten-Anstalten findet diese Integration so gut
wie nicht statt. Nicht nur behinderte Menschen haben die Erfahrung machen
müssen, dass Minderheiten, wenn sie massiert auftreten, nicht integriert,
sondern isoliert werden.
So ist z.B. in einer Stadt in Süddeutschland, die eine solche Einrichtungen
"in ihren Mauern" hat, keine einzige Gaststätte außerhalb
dieser Anstalt mit einer barrierefreien Toilette versehen. Auf diese
Weise kann man sich im geselligen Bereich die behinderten Menschen auch
vom Hals halten. Beim Einzelhandel ist das anders. Hier ist das Geld
auch dieser Gruppe willkommen.
Fazit und Forderung:
- Jeder Wechsel des Aufenthaltes gegen den Willen des behinderten
Menschen ist generell unzumutbar.
- Es ist höchste Zeit, Assistenznehmende von der Geisel
des Einkommens- und Vermögenseinsatzes zu befreien oder wenigstens
deutlich zu entlasten!
- Jede/r Assistenznehmende, die/der ihre/seine Assistentinnen
und Assistenten sozialversicherungspflichtig beschäftigt, ist von
den Zwangskontrolleinsätzen freizustellen!