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Budgetkonferenz in Deutschland

Oder: Wer wundert sich noch über den fragwürdigen Erfolg des Budgets?

Voran ging diesem Treffen ein Besuch einer Mitarbeiterin des ASD Kummersbergs*) an Herrn Schmidts*) Arbeitsstätte, bei der ihm nahegelegt wurde, zum nächsten Gespräch doch bitte allein zu erscheinen. Dies ignorierten wir geflissentlich (dank § 3 Abs. 3 Budgetverordnung) und erschienen zu viert (Herr Schmidt, eine Mitarbeiterin des SKM Kummersberg, Frau Maier [selbstständige persönliche Assistentin und auch Beraterin bei Herrn Schmidts Budgetantrag] und ich). Herr Schmidts Assistenzkraft war ebenfalls dabei, wartete aber vor dem Gesprächsraum. Das Treffen begann mit der recht forsch vorgetragenen Aufforderung an Herrn Schmidt, man habe ihn ja gebeten, alleine zu erscheinen und deshalb mögen doch bitte die anderen Personen den Raum verlassen (gemeint war speziell Frau Maier, die den Mitarbeitern des Amtes bereits beim letzten Gespräch immer wieder hinsichtlich eines korrekten Vorgehens bei einem persönlichen Budget und den entsprechenden Kosten „auf die Nerven" gegangen war). Herr Schmidt bestand auf seinem Recht auf der Anwesenheit einer beratenden Person unter Hinweis auf die Budgetverordnung, allerdings wurde Frau Maier quasi des Raumes verwiesen, da in ihrem Fall „ein Interessenkonflikt bestünde, da sie bei Herrn Schmidt ein Arbeitsverhältnis anstrebe" (zur Erklärung: da Frau Maier selbstständig tätig ist, kann von einem Arbeitsverhältnis keine Rede sein, lediglich von einer Auftragsvergabe, die sich aber in diesem Falle auf die beratende Tätigkeit beschränkte). Ich wurde gefragt, ob ich bei Herrn Schmidt zu arbeiten gedenke, was ich verneinte, da ich bereits eine Arbeitsstelle habe und lediglich zu seiner Unterstützung anwesend sei. Nach meiner Vorstellung fragte ich die mir unbekannte Vertreterin des Amtes nach ihrem Namen und ihrer Funktion. Es war Frau Gerda Scholz, stellvertretende Amtsleiterin (ich vermute, dass Ihnen der Name nicht unbekannt ist, aber dazu später mehr).

Die Mitarbeiterin des ASD, Frau Berger, fragte Herrn Schmidt, ob er sich abseits des persönlichen Budgets auch über andere Möglichkeiten, wie z.B. den ISB Kummersberg, informiert hätte und ob das eventuell für ihn in Frage käme. Ich merkte ironisch an, dass es ja schön sei, dass das Amt jetzt schon (Antragstellung war im September letzten Jahres) eine Beratung anbiete, wurde mit dem Hinweis, diese Situation sei für das Amt neu, man taste sich da erst vor  und es sei nicht so gelaufen, wie es wünschenswert gewesen sei, quittiert. Herr Schmidt sagte, er habe sich darüber informiert, sei aber zu dem Schluss gekommen, dass für ihn das Budget und die Möglichkeit, selbst Assistenzkräfte einzustellen und einzulernen, die geeignetere Methode sei, seine Pflege, seinen Alltag und seine Arbeit  zu organisieren. Da er momentan noch über den Pflegedienst der SRH versorgt wird, sei es für ihn sehr wichtig, Menschen um sich zu haben, denen er vertraut, da die individuelle Betreuung sehr nah an seinem privaten Leben sei, so zum Beispiel müsse er ja auch Banktätigkeiten mit seinen Assistenzkräften zusammen regeln. Dies wurde seitens des Amtes mit der Möglichkeit eines Betreuers für finanzielle Angelegenheiten zur Seite gewischt. Ich machte Herrn Schmidt darauf aufmerksam, dass ein Betreuer in früheren Zeiten der Vormund eines entmündigten Menschen war, nur dass mittlerweile für die einzelnen Teilbereiche, wie z.B. die Finanzen jemand eingesetzt wird, der das für ihn ohne sein Zutun regelt, er in anderen Bereichen aber seine volle Geschäftsfähigkeit behält (mich machte diese Unterstellung, er brauche einen Betreuer ganz einfach gesagt sauer, weil meiner Ansicht nach versucht wird, ihm zu unterstellen, er sei nicht in der Lage, sein Leben selbst zu organisieren). Daraufhin kam recht schnell, es gäbe ja die Möglichkeit einer Vorsorgevollmacht (was ja etwas komplett anderes als ein Betreuer ist).

Noch einmal wurde den bisherigen Beratern (außer der Dame von SKM) ein Interessenkonflikt unterstellt und Herrn Schmidt nahegelegt, er möge doch auch einen „neutralen" Ratgeber in Anspruch nehmen (wahrscheinlich jemand, der FORSEA ebenfalls für eine „Interessenvereinigung" hält und nur zugunsten des Amtes berät).

Dann schwenkte Frau Scholz auf die seitens SRH bei der Krankenkasse beantragte Erhöhung der Behandlungspflege um (Herr Schmidt benötigt nachts eine Sauerstoffmaske, die aber nach ärztlichem Gutachten von geeignetem, angelerntem Personal aufgesetzt werden kann, da Herr Schmidt nicht mehr in einer der SRH zugehörigen Wohnung lebt, muss jetzt eine nächtliche Kraft separat gestellt werden, vorher betreute diese Kraft nachts noch vier andere Patienten mit), man müsse die Entscheidung der Kasse diesbezüglich abwarten vor der Genehmigung des Budgets, weil die Kassenleistungen vorrangig seien und es auch auf die Abrechnungsmodalitäten der Kasse ankäme. Mein Hinweis, dass ja das Amt als Beauftragter sich mit der Kasse darüber einigen müsse, wer was zahlt und man deshalb nicht Herrn Schmidt die zustehenden Leistungen erst mal verweigern könne, wurde mehr oder weniger ignoriert.

Danach folgte eine Erklärung, man habe jetzt mal die Preise der Pflegedienste und die Stundenlöhne anderer Budgets in Kummersberg verglichen und dabei seien Löhne von 9 bis 13 Euro brutto pro Stunde herausgekommen, deshalb schlage man 10,38 Euro/St für Festangestellte und 8 Euro/St für Aushilfen vor (jeweils brutto zzgl. Arbeitgeberanteil). Herr Schmidt meinte, dass müsse er sich überlegen, ob er das für seine Assistenzkräfte so annehmen könne.

Zur Schwankungsreserve meinte Frau Scholz, diese sei nirgendwo gesetzlich verankert, eine Sozialhilfe auf Vorschuss kenne das Gesetz nicht, es sei also nicht einzusehen, diese einzukalkulieren  (ja, die stellen sich wirklich so doof).

Abschließend wurde darum gebeten, Herr Schmidt möge sich überlegen, in welchem Verhältnis er Festangestellte und Aushilfen beschäftigen wolle und möge doch bitte einen Termin beim MDK seiner Krankenkasse wegen der Behandlungspflege machen.

Ich muss wohl kaum erwähnen, dass es absurder nicht mehr geht. Zunächst war das Budget eigentlich soweit schon inklusive Schwankungsreserve unter Dach und Fach und sollte zum 1.4. des Jahres starten. Dann aber ging Herr Bauer, der Vorgesetzte der zuständigen Sachbearbeiterin in Pension und Frau Scholz nahm sich des Ganzen an, erklärte alle Zugeständnisse für nichtig und schützt Unwissen vor. Zumal die vorgetäuschte Unkenntnis seitens Frau Scholz eine seltsame Taktik ist, denn eben diese Frau Scholz war bereits 2007 u.a. als Referentin zum Thema „Das persönliche Budget aus Sicht der Kosten-/Leistungsträger" tätig. Aber vielleicht benötigt sie ja aufgrund schleichend fortschreitender Demenz ja selbst schon Assistenzkräfte. Wir haben Herrn Schmidt dringend empfohlen, jetzt endlich einen Anwalt einzuschalten, da es mit Verhandlungen hier wohl kaum weiter geht. Ein Gesprächsprotokoll der einzelnen Treffen wurde ebenfalls nicht angefertigt (logisch, dann könnte man das Ganze ja auch noch nachlesen und müsste sich nicht auf Zeugenaussagen verlassen). Das Sozialamt täuscht Unkenntnis vor, unterstellt ihm Unfähigkeit, seinen potentiellen Assistenzkräften, dass sie ihn in das Budget drängen, um Arbeitsplätze zu haben und zögert immer wieder die Hilfeumstellung weiter hinaus, wohl in der Hoffnung, er streicht irgendwann entnervt die Segel. Außerdem werden jedes mal bereits zugesagte Punkte wieder zurück genommen, Löhne jedes mal weiter nach unten gedrückt etc. Um es mal mit Paul Celan zu sagen: Man kann gar nicht soviel essen, wie man kotzen möchte.

Dies nur, damit Sie auch quasi auf dem neuesten Stand absurder Vorgehensweisen deutscher Behörden hinsichtlich des persönlichen Budgets sind.

*) Namen und Orte wurden geändert, sind jedoch ForseA bekannt.

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