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Budgetkonferenz oder sächsische Märchenstunde?

Eine Budgetantragstellerin mit hohem Assistenzbedarf berichtet von einer sehr belastenden Hilfeplankonferenz.

Ca. ein Jahr nach Antragstellung auf ein Persönliches Budget fand am Freitag, den 06.07.2012 endlich die Budgetkonferenz statt. Nein, es war nicht Freitag der 13., obwohl man es nach dem Verlauf der Gesprächsführung hätte denken können.

Da ich ein ziemlich schwerer Pflegefall (Pflegestufe III) bin, fand die Budgetkonferenz bei mir zu Hause statt. Abgesprochen war mit dem Sozialamt, dass die Sachgebietsleiterin (diese wurde erst nach einer Beschwerde von mir beim Behindertenbeauftragten des Sächsischen Staatsministeriums mit meinem Fall betraut), der für mich zuständigen Sachbearbeiter und eine Vertreterin meiner Krankenkasse (DAK) kommen. Auf meiner Seite war geplant, dass der Leiter des von mir beauftragten Pflegedienstes, mein Lebenspartner und ich anwesend sind. Soweit die Absprache. Aber es kam anders. Das Sozialamt kam mit zwei zusätzlichen Personen mehr (eine Sozialarbeiterin und eine Studentin), womit das geplante "Gleichgewicht" beider Seiten geplatzt war, was bei mir gleich zur totalen Verunsicherung führte.

In der gesamten Budgetverhandlung ging es eigentlich nicht um mich, den Menschen, sondern nur um Geld, Geld, Geld. Das war unvorstellbar erniedrigend und demütigend. Ich hatte im Juli vergangenen Jahre 24 Std. Assistenz beantragt, aber das interessierte weder während der fast einjährigen Bearbeitungszeit, noch jetzt in der Budgetkonferenz jemanden auf der anderen Seite. Es wurde schon im Vorfeld "festgelegt", dass 12 Std. Assistenz reichen und obwohl ich schon bereit war, auf 16 Std. zu reduzieren, war in 2Std. zähen Verhandlungsmarathon keine Einigung zu erzielen. Das Sozialamt beharrte auf seiner Meinung, dass 12 Std. ausreichend sind und sagte, wir hätten das so abgesprochen. Dumm nur, dass ich nie mit 12 Std. einverstanden war! Im Gegenteil, ich hatte es nach dem letzten Besuch der Sachgebietsleiterin nochmals ausführlich schriftlich erläutert, dass 12 Std. nicht ausreichend sind.

Während der Budgetkonferenz wurden u.a. auch neue Gesetze erfunden, worin z.B. steht, dass Familienangehörige usw. zur Hilfe (Pflege usw.) verpflichtet sind; das würde im SGB stehen, oder 24 Std. Assistenz haben nur Menschen; die z.B. beatmet werden müssen. Nur dumm, dass ich persönlich jemanden kenne, der nicht beatmet wird (er war jedenfalls ohne Atemgerät bei mir) und auf Grund seiner körperlichen Einschränkungen (querschnittsgelähmt von ca. Schultern abwärts) 24 Std. Assistenz tägl. hat. Und nun kommt gleich die nächste Ungeheuerlichkeit an Behauptungen vom Sozialamt, in den alten Bundesländern (wo die Menschen mit Persönlichem Budget leben, die ich kenne), bezahlen hilfsbedürftige Menschen ihre Assistenten selbst, die haben kein PB; die haben genug Geld um ihre Hilfe selbst zu bezahlen. Wie gesagt, es ging die ganze Zeit nicht um mich als Mensch, nicht um meinen individuellen Hilfebedarf, sondern nur um Geld; Geld; Geld. Da mein Lebenspartner und ich nicht verheiratet sind, wurden wir im Laufe des Gesprächs mehrmals gefragt, warum wir nicht heiraten usw. Klar, dem Sozialamt zuliebe heiraten wir noch! Nein, danke! Bis zur Budgetkonferenz hatten wir das in nächster Zeit irgendwie mit im Plan, aber selbst das hat das Sozialamt geschafft, uns knallhart davon abzubringen. Wer weiß, welche Gesetze das Sozialamt dann noch erfindet und zu was mein Lebenspartner dann verpflichtet ist?

Nun, nach über 2 Std. end- und sinnloser Diskussion über meinen Bedarf, den ja nur das Sozialamt einschätzen kann, nicht etwa ich; um die es geht, nicht z.B. die Pflegestufe III; die ja aussagekräftig genug ist, auf Einigung bedacht, schlug die Sozialarbeiterin dann 14 Std. vor. Dem stimmte ich dann, um endlich mal zum Ende zu kommen, zu unter dem Aspekt, jederzeit einen Erhöhungsantrag stellen zu können. Nun soll man nicht denken, mir wurden 14 Std. täglich zuerkannt. Nein, an nur 5 Tagen in der Woche, da ja mein Lebenspartner 2 Tage frei hat jede Woche. Diese 70 Std. pro Woche kann ich dann auf 7 Tage verteilen, wie ich die Assistenz benötige. Man begreift nicht, dass mein Partner überhaupt nicht verpflichtet ist, mir Hilfe zu leisten mal vom Haushalt abgesehen. Nun, 70 Std. pro Woche sind auf alle Fälle besser als nichts! Aber wer denkt, jetzt sind wir irgendwie am Ziel, der irrt. Laut Budgetverordnung müsste spätestens 2 Wochen nach der Budgetkonferenz die Zielvereinbarung zur Unterzeichnung fertig sein und bei mir sein. Aber nein, die Frist ist um und nichts ist passiert! Aber man kann auch nicht erwarten, dass ein Sozialamt a)zügig arbeitet, b)weiß worum und wie es geht und c) sich mit Gesetzen und den entsprechenden Verordnungen usw. auskennt. Aber lt. mehrfacher mündlicher Zusagen mir und dem von mir beauftragten Pflegedienst gegenüber soll es am 01.08. losgehen und es ist ja erst der 21.07.

Der nächste Witz ist, dass das Sozialamt eine monatliche Abrechnung vom Pflegedienst will und danach bezahlen will. Ich sage wieder nur: und sie wissen nicht, was sie tun. Normalerweise wird ja anhand des ermittelten Bedarfs und Stundensatz ein "Monatsfestbetrag"= Höhe des Budgets errechnet und dieser Betrag bleibt über die gesamte Laufzeit gleich und wird nicht monatlich neu errechnet. Was soll denn dann in der Zielvereinbarung und im Bescheid stehen? " Frau … erhält ein PB in Höhe von …€ bis …€" oder wie? Und sie wissen nichts, lassen sich auch nichts erklären und machen einfach was und wie sie wollen.

Damit immer noch nicht genug! Da die UN – Behindertenrechtskonvention ein in Deutschland nicht existierendes Gesetz (für das Sozialamt) ist, wird hier das Einkommen, Vermögen, Versicherungen und alles; was irgendwie mit Geld zu tun hat, geprüft und kontrolliert. Dazu müssten mein Lebenspartner und ich u.a. die Kontoauszüge vom letzten Kalenderjahr, von allen Versicherungen die Verträge + Policen, Mietvertrag usw. usw. usw. abgeben. Die armen Bäume, die für diese Sinnlosigkeit sterben mussten! Abgesehen von der vertanen Zeit und sinnlosen Verschwendung von Geldern. Jedenfalls habe ich zu allem Unglück auch noch ein unbebautes Grundstück, worauf wir versuchen wollen, ein behindertengerechtes, rollstuhlgerechtes, ebenerdiges Haus (90qm) zu bauen, Das ist natürlich für das Sozialamt hoch interessant und entgegen der UN – Behindertenrechtskonvention (Art.12) wird mir immer wieder damit gedroht, dass ich das Grundstück verliere und verwerten / einsetzen muss, wenn wir nicht bauen. "Fangen Sie endlich mal an zu bauen, sonst ist das Grundstück nicht mehr geschützt": Es ist ja auch ein Kinderspiel, als nicht verheiratetes Paar, mit einer EU – Rente einen Kredit bewilligt zu bekommen. Da stehen die Banken quasi Schlange. Und wenn ich mir überlege, was das Sozialamt in dem einem Jahr Bearbeitungszeit eingespart hat, da ist das Grundstück schon lange abgezahlt.

Aber es geht ja immer noch schlimmer: ich soll meine Lebensversicherung beleihen und das Geld in die Finanzierung stecken, da meine Lebensversicherung Vermögen ist (Auszahlung in ca. acht Jahren 14000€), das meinen Eigenbedarf/ Vermögenswert im SGB übersteigt und das auch beim PB so wäre. Und weiter geht’s, meine Sterbegeldversicherung soll ich von 5000€ auf 3500€ runtersetzen, da eine Beerdigung hier im Schnitt 3500€ kostet und nicht mehr. Schön, dass es ein Sozialamt gibt, da kriegt man gleich noch mit gesagt, wie man zu sterben hat. Meinen Partner hat das alles so in die Wut gebracht, dass er sagte, er meldet sich hier ab und ist weg. Da war erstmal Totenstille hier im Raum, Ja dann hätte das Sozialamt ein großes Problem mit seinen 70 Wochenstunden. Dann wäre es unterlassene Hilfeleistung und sie hätten ein riesiges Problem. Den Sinn und Zweck eines PB hat das Sozialamt noch immer nicht erkannt. Hoffen wir mal, dass diese Menschen irgendwann in ihrem Leben auch auf Hilfe angewiesen sind und es ihnen dann auch so geht, sie genauso mies und fies behandelt werden und dann endlich aufwachen! DENN SIE WISSEN NICHT,WAS SIE TUN! Oder doch?

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