Bundesverband
Forum selbstbestimmter Assistenz behinderter Menschen e.V.


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Thesen zu den fünf Foren

In fünf Foren wird zu unterschiedlichen Aspekten der Persönlichen Assistenz diskutiert. Als Diskussionsgrundlagen dienen die nachfolgen „Thesen", die von den Moderatorinnen und Moderatoren der Foren ausgearbeitet wurden.

FORUM 1
Umfang und Bereiche der Persönlichen Assistenz

FORUM 2
Finanzierung, rechtliche Verankerung der Persönlichen Assistenz und Kostenvereinbarungen

FORUM 3
Qualitätssicherung und –kontrolle der Persönlichen Assistenz

FORUM 4
Arbeitssituation in der Persönlichen Assistenz und Tarifverträge

FORUM 5
Beratung und Unterstützung bei der Organisation der Persönlichen Assistenz

FORUM 1: Umfang und Bereiche der Persönlichen Assistenz

1. GANZHEITLICHKEIT

Die Persönliche Assistenz ist ein ganzheitliches Hilfeprinzip im ambulanten Bereich wie z.B. für Grundpflege, Haushalt, Freizeit, Ausbildung und Beruf sowie für behinderte Eltern. Sie wird unabhängig vom Ort und der Zeit eingesetzt.

2. QUALITÄT

Es ist widersinnig, ausgebildete Fachpflegefachkräfte zu verlangen, nur um qualitativ hochwertige Assistenz zu erhalten. Eine Qualifizierung der Assistenz erfolgt viel mehr vor Ort und individuell.

3. KOMPETENZ

Die vertragliche Übertragung von Kompetenzen, in Bereichen der Personalauswahl, Anleitung, Einsatzplanung und Finanzsteuerung für die personelle Hilfe, bedeutet mehr soziale Gerechtigkeit und mehr Humanität für behinderte Menschen.

4. TEILHABE

Bei der Persönlichen Assistenz kommt es darauf an, behinderten Menschen die Chancen auf Teilhabe und Lebensperspektiven bedarfsgerecht zu geben.

5. VERANTWORTUNG

Das Streben nach Assistenz hat mit dem Verlangen nach Eigenverantwortung für die persönlichen Belange behinderter Menschen zu tun. Dabei wird die Rückgabe der Kontrolle über die individuell erforderliche personelle Hilfe verlangt.

6. FÃœRSORGE

Die Pflegeversicherung (SGB XI) erlaubt es mit Hilfe des „Pflegevertrages" oder des „Kooperationsvertrages" Assistenzleistungen zu finanzieren. Statt dessen begnügen sich aber die meisten Pflegedienste damit, behinderte Menschen zu Objekten ihrer Sache zu machen.

7. ARBEITGEBERMODELL

Die Anstellung von Assistenten in Privathaushalten ist für die behinderten Menschen eines der erfolgreichsten Modelle, Qualität und Effizienz zusammen zu bringen.

8. WETTBEWERB

Im Rahmen der Persönlichen Assistenz bekommt der Wettbewerb mit Pflegediensten eine sittliche Bedeutung, weil geeignete Marktkräfte für alle Beteiligten eine Bereicherung schaffen.

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FORUM 2: Finanzierung, rechtliche Verankerung der Persönlichen Assistenz und Kostenvereinbarungen

I. Thesen zur rechtlichen Verankerung der Persönlichen Assistenz

  1. Die Regelungen zur Sicherstellung der Persönlichen Assistenz müssen in einem eigenständigen, bundesweit gültigen Leistungsgesetz bzw. Nachteilsausgleichsgesetz verankert werden (Assistenzsicherungsgesetz).
  2. Dieses Assistenzsicherungsgesetz ersetzt die bisherigen Vorschriften im Bundessozialhilfegesetz, die eine Finanzierung von Persönlicher Assistenz teilweise ermöglichen.
  3. Die gesetzliche Absicherung einer individuellen und bedarfsdeckenden, Persönlichen Assistenz ist der Nachteilsausgleich für auf praktische Hilfen angewiesene Menschen. Dies ist wesentlich mehr ein soziales als ein fachlich-medizinisches Thema. Aus diesem Grunde sind die entsprechenden gesetzlichen Regelungen sozial-rechtliche und an entsprechender Stelle im Gesetzeskanon einzufügen.
  4. Dieses Gesetz muss so ausgestaltet sein, das die Assistenznehmer/innen im Antrags- und Abrechnungsverfahren lediglich mit einem einzigen Kostenträger zusammenarbeiten müssen.
  5. Alle übrigen gesetzlichen Regelungen, wonach die Menschen mit Assistenzbedarf Leistungen erhalten können (z.B. Pflegeversicherungsgesetz, Schwerbehindertengesetz etc.), müssen derart angepasst werden, dass sich der Kostenträger für die Persönliche Assistenz die Beiträge anderer Kostenträger unbürokratisch erstatten lassen kann.
  6. Die rechtlichen Regelungen zur Assistenzbedarfsermittlung müssen so gestaltet sein, das die Ergebnisse durch ein einfaches Verfahren zu erzielen sind und für alle beteiligten Kostenträger genügen und für sie verbindlich sind. Dies ist Voraussetzung dafür, das These 3 umsetzbar ist.

II. Thesen zur Finanzierung der persönlichen Assistenz

  1. Die Finanzierung der persönlichen Assistenz muss aus Steuermitteln erfolgen. Das Beitragsmodell ist ungeeignet, da sowohl einzelne gesellschaftliche Gruppen, als auch Unternehmen von der Kostenbeteiligung ausgenommen wären. Da aber sowohl die Mitglieder aller gesellschaftlichen Gruppen, als auch der Arbeitsmarkt und damit die Wirtschaft von den finanziellen Mitteln, die in die Persönliche Assistenz fließen profitieren, muss auch die gesamte Gemeinschaft an den Kosten beteiligt sein.
  2. Die Finanzierung der Persönlichen Assistenz muss bundesweit geregelt sein, damit der Zugang zu bedarfsdeckender Persönlicher Assistenz nicht mehr von der Finanzlage einzelner Regionen bzw. Kommunen abhängig ist.
  3. Die Finanzierung von Persönlicher Assistenz ist eine arbeitsmarktpolitisch äußerst sinnvolle Investition, da sie Beschäftigung dort fördert, wo sie dringend benötigt wird. Die aufgewendeten Mittel finanzieren nicht Arbeitslosigkeit, sondern den Lebensunterhalt sinnvoll arbeitender Menschen, die durch ihren Erwerb zu aktiveren Konsumenten werden können.

III. Thesen zu Kostenvereinbarungen in diesem Arbeits- bzw. Leistungsbereich

  1. Grundlegende Vereinbarungen über die Vergütungen für Leistungserbringer im Bereich der Persönlichen Assistenz werden zwischen Vertretern der Assistenznehmer (z.B. ISL e. V.) und Vertretern des gesetzlich festgelegten Kostenträgers der Persönlichen Assistenz ausgehandelt.
  2. Bei den Verhandlungen werden alle drei Formen der Assistenz-Erbringung (Assistenzdienste, Arbeitgebermodell, Nachbarschaftshilfe) behandelt. Dabei sind Abschlüsse zu erzielen, die jeweils eine qualitativ hochwertige und individuell bedarfsdeckende Assistenz ermöglichen.
  3. Vergleichbar dem BAT wird die Basis-Vereinbarung den regionalen Verhältnissen angepasst, so dass Assistenten an einem anderen Wohnort zu vergleichbaren Bedingungen weiterbeschäftigt werden können.
  4. Die in These 1 genannten Verhandlungspartner vereinbaren auch Gebührensätze für die Aus- und Weiterbildung von Assistenznehmerinnen und Assistenznehmern. Dabei sind Abschlüsse zu erzielen, die es der Zielgruppe ermöglichen, alle erforderlichen Kompetenzen für eine selbstbestimmte Lebensführung und für das Selbst-Management der Persönlichen Assistenz fundiert zu erwerben.
  5. Ebenfalls sind kostendeckende Gebührensätze für die Aus- und Weiterbildung von persönlichen Assistentinnen und Assistenten abzuschließen.

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FORUM 3: Qualitätssicherung und –kontrolle der Persönlichen Assistenz

  1. Zentrales und primäres Qualitätsmerkmal der Persönlichen Assistenz ist die Ermöglichung von Selbstbestimmung der AssistenznehmerInnen. Andere Qualitätsziele und -merkmale haben das zu unterstützen, bzw. sich dem unterzuordnen.
  2. Ein Assistenzanbieter, bzw. ein Betrieb, in dem der/die AssistenznehmerIn die AssistentInnen selbst anstellt, muss so strukturiert sein, dass der/die AssistenznehmerIn bestimmen kann, wer bei ihm/ihr arbeitet (Personalkompetenz), was wie getan werden muss (Anleitungskompetenz) und wann und wo die Assistenz erbracht wird (zeitliche und räumliche Kompetenz). Als ArbeitgeberIn nimmt er/sie die volle Finanzkompetenz wahr, die bei Assistenzanbietern durch Informations- und Einspruchsrechte von KundInnenvertetungen geregelt sein muss.
  3. In den Prozess der Erbringung von Assistenz müssen je nach Erfordernissen der einzelnen AssistenznehmerInnen sozialarbeiterische, pflegerische und medizinische Komponenten einfließen. Ebenso sind juristische, verwaltungstechnische und betriebswirtschaftliche Erfordernisse zu berücksichtigen.
  4. Assistenzanbieter müssen beim Leisten solcher Arbeiten die Gefahren reflektieren, die sie für die Selbstbestimmung der KundInnen beinhalten. Für die Selbstbestimmung behinderter ArbeitgeberInnen ist ein Abrufen von Zusatzleistungen wie Supervision, Pflegeanleitung oder Lohnabrechnung von Dritten weniger gefährdend.
  5. Das primäre Kriterium für die Ergebnisqualität ist die Zufriedenheit der AssistenznehmerInnen mit der erbrachten Assistenz, nachrangig natürlich auch die Arbeitszufriedenheit der MitarbeiterInnen.
  6. Prüfungen seitens der Kostenträger (derzeit MDK) haben nach eben genannten Kriterien zu erfolgen. Kriterien für Sozialstationen stehen der Erbringung von Assistenz entgegen.

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FORUM 4: Arbeitssituation in der Persönlichen Assistenz und Tarifverträge

1. Blockarbeitszeit

Behinderte Menschen, die in großem Umfang auf Assistenz angewiesen sind, legen oft großen Wert darauf, dass innerhalb eines Tages möglichst wenig Wechsel stattfinden. Deshalb werden Assistenten in Blockarbeitszeit beschäftigt. Behinderte Arbeitgeber bzw. ambulante Dienste, die persönliche Assistenten in Blockarbeitszeit (d. h. mehrere Tage am Stück) beschäftigen, werden oft angegriffen und auf existierende Arbeitszeitgesetze verwiesen. - Deshalb ist es wichtig, dass für behinderte Menschen, die im großen Umfang auf Assistenz angewiesen sind, eine Ausnahmeregelung im Arbeitszeitgesetz geschaffen wird.

2. Tariflöhne

Bundesweite Regelungen zur Vergütung von persönlicher Assistenz sind dringend erforderlich. Zum einen, um die Willkür der Kostenträger einzuschränken, zum anderen, um die freie Ortswahl des Arbeitsplatzes für Assistenten zu gewährleisten. - Nur für angemessene Löhne bekommt man angemessene Leistung!

3. Weisungsbefugnis bei Kindern und/oder Menschen mit Betreuung

Persönliche Assistenz ist umso selbstbestimmter, je weitgehender die Kompetenzen (Personal-, Anleitung-, Organisation- und Finanzkompetenz) durch den Assistenznehmer selbst kontrolliert werden. - Wie kann damit umgegangen werden, wenn der Assistenznehmer ein Kind ist oder unter Betreuung steht oder abzusehen ist, dass er behinderungsbedingt diese Kontrollfähigkeit verlieren wird?

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FORUM 5: Beratung und Unterstützung bei der Organisation der Persönlichen Assistenz

  1. Die Beratung und Unterstützung von AssistenznehmerInnen muss mit öffentlichen Mitteln gefördert werden.
  2. Die Beratung und Unterstützung von AssistenznehmerInnen muss durch die Methode des „Peer Counseling" durchgeführt werden, das heißt, Betroffene beraten Betroffene. Die BeraterIn sollte selber AssistenznehmerIn sein.
  3. Die Beratung und Unterstützung von AssistenznehmerInnen muss kontinuierlich und langfristig sowie in ausreichenden Umfang gewährleistet sein.
  4. Die Beratung und Unterstützung von AssistenznehmerInnen umfasst auch psycho-soziale Aspekte der Persönlichen Assistenz. Und ist nicht nur ein Informationsgespräch für Sach- und Fachfragen.
  5. Den AssistenznehmerInnen muss ein Angebot von Schulungen zur Persönlichen Assistenz geboten werden (eventuell verpflichtend).
  6. Darüber hinaus muss sowohl für die AssistenznehmerInnen als auch für die Persönlichen AssistentInnen die Möglichkeit, Supervision in Anspruch zu nehmen, vorgehalten werden

Derzeit aktuell:

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Eine Kolumne von Prof. Dr. Heribert Prantl in der Süddeutschen Zeitung

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Kommentar von cNicoletta Rapetti

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