Bundesverband
Forum selbstbestimmter Assistenz behinderter Menschen e.V.


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30.01.2017 1. Brief an Martin Schulz

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Parteizentrale der SPD
Herrn Martin Schulz
Willy-Brandt-Haus
Wilhelmstraße 141

10963 Berlin

Sehr geehrter Herr Schulz,

zunächst herzlichen Glückwunsch zur Nominierung als Parteivorsitzender und Kanzlerkandidat der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands. Mit großem Interesse haben wir gestern Ihre Auftritte im Willy-Brandt-Haus und in der Talkshow „Anne Will" verfolgt. Ihre Botschaft haben wir vernommen.

In der Tat wird sich unsere Gesellschaft daran zu messen haben, wie sie unter anderem mit behinder-ten Menschen umgeht. Die Große Koalition und dort mit die SPD und die Sozialministerin Andrea Nahles hat im letzten Jahr gezeigt, wie man es nicht machen darf. Noch nie wurden Menschen mit Behinderungen so um ihre Rechte betrogen wie bei der Entstehung des Bundesteilhabegesetzes.

Behinderte Menschen mit Assistenzbedarf außerhalb von Anstalten werden durch das Bundesteilhabegesetz bedroht. Die Behörden stellen Leistungen ein oder kürzen diese, befristen willkürlich und das oftmals in einem Ton, der uns als Bittsteller dastehen lässt.

Wir haben keine Zeit - schon gar nicht bis 2020! Was braucht die Politik Untersuchungen, die Realität wurde schon zigfach untersucht. Wir brauchen Unterstützung. Diese haben wir seit 2009 durch das Bundesteilhabegesetz herbeigesehnt. Wir arbeiteten mit, als sich das Desaster am Schluss abzeichnete, protestierten wir. Niemand hat sich dafür interessiert! Die Interessen der Sozialkonzerne und der Kostenträger fanden offene Ohren, wir nicht. Dabei durften wir uns durchaus auf die Behindertenrechtskonvention und Artikel 3 unserer Verfassung verlassen. Wer dachte daran, dass beides unserer Regierung, unserem Parlament und unseren Ländern, selbst dem Bundespräsidenten so viel interessiert wie der berühmte Reissack am Pekinger Güterbahnhof!

Sehr geehrter Herr Schulz, viele Menschen mit Behinderungen leben derzeit in großer Sorge, die uns manchen Schlaf raubt. Es ist ein Unding, dass sich die Legislative keinen Deut um unsere vielfach vorgetragenen Sorgen kümmert. Stattdessen klopft man sich in den dortigen Kreisen auf die Schultern und lobt sich ob des „hervorragenden" Gesetzes. Wir werden dieses Thema in den Bundestagswahlkampf tragen und die Verantwortung der diese Regierung tragenden Parteien an dem Bundesteilhabegesetz brandmarken. Hier ist uns der Staat in seiner hässlichsten Form entgegengetreten. Und das mit dem „treten" können Sie ruhig wörtlich nehmen.

Es betrifft ja nicht nur behinderte Menschen, es betrifft auch alte und - soweit sie nicht arbeiten, prekär bezahlt werden oder als Leiharbeiter arbeiten müssen - auch junge Menschen. Hier hat die SPD sehr viel Vertrauen verspielt. Das Mitregieren war ihr wichtiger als die Treue zu ihrer angestammten Wählerschaft. Damit hat sie wesentlich zur Zersplitterung der heutigen politischen Landschaft beigetragen.

Sehr geehrter Herr Schulz, können Sie sich gedanklich für wenige Minuten meine Schuhe anziehen, bzw. sich in meinen Rollstuhl setzen? Können Sie sich vorstellen, wie es auf Sie wirken würde, wenn Sie trotz Schulbildung und Beruf sich in den letzten 27 Jahren nahezu lückenlos gegen einen Kostenträger verteidigen müssen? Nur weil Sie behindert sind und gesetzliche Nachteilsausgleiche in Anspruch nehmen müssen. Möchten Sie meinen letzten Bescheid und meine Biografie lesen? Können Sie sich dann auch noch vorstellen, in welchem Wechselbad der Gefühle das Leben seit 2009 verlief und wie hart der Absturz am Jahresende 2016 war, um dann zu hören, dass das BTHG eine große Tat war? Weil hunderte Männer und Frauen ohne eigenes Denken die Hand gehoben haben. Weil sie den offensichtlichen Falschinformationen aus dem Hause Nahles mehr Glauben geschenkt haben, als den Vereinen und Verbänden der Behindertenbewegung. Und nicht nur mir damit das Leben gewaltig erschwert haben.

Im Gegensatz zum Gesetzgeber haben wir keine Zeit, Untersuchungen abzuwarten. Es ist unsere Lebenszeit, die hier verstreicht und die widerrechtlich von den Kostenträgern mit Ärger, Nöten und finanziellen Sorgen belastet wird.

Nein, Sie können sich auf dem vermeintlichen „Erfolg" nicht ausruhen. Hier wurde das Parlament seiner Pflicht nicht gerecht. Es wurde keine Politik für Bürgerinnen und Bürger gemacht, sondern deren Gesetze und Bürgerrechte verletzt! Hier brauchen wir dringend Abhilfe, nicht erst zum Ende der nächsten Legislaturperiode! Bis dahin wird jede/r Benachteiligte das Recht vor Gericht suchen müssen. Denn noch gelten die Verfassung und die Behindertenrechtskonvention.

Das, Herr Schulz, werden Sie noch häufiger zu hören und lesen bekommen. Denn das Bild, das der Öffentlichkeit suggeriert wird: „weniger behindern, mehr teilhaben" ist nicht mal postfaktisch. Es ist schlicht und ergreifend eine Lüge!

Mit freundlichen Grüßen

FORUM SELBSTBESTIMMTER ASSISTENZ BEHINDERTER MENSCHEN E.V.

Gerhard Bartz, Vorsitzender

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