Bundesverband
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Bedarfsermittlung

Stimmt: Es gibt sehr viele Menschen mit Behinderung, die keine 24-Stunden-Assistenz benötigen.  Und die beantragen sie in der Regel dann auch nicht, denn die Assistentinnen und Assistenten – mögen sie auch noch so nett sein – sind "Fremdkörper", die man ständig notgedrungen in die eigene Privat- und Intimsphäre eindringen lassen muss.

Es stimmt auch, dass an so gut wie keinem behinderten Menschen 24 Stunden täglich "herumgepflegt" wird. Und dennoch kann es notwendig sein, dass je nach Schwere der Behinderung Assistenzpersonen rund um die Uhr anwesend sein müssen, weil der Bedarf unplanbar jederzeit anfallen kann. Und außerdem sind auch behinderte Menschen 24 Stunden täglich soziale Wesen mit Bedürfnissen.

Um diesen umfassenden Bedarf nicht attestieren zu müssen, zerlegen findige (Pflege-)gutachter den Assistenzbedarf eines Menschen auf einzelne Verrichtungen und addieren die Einzelzeiten zu einem angeblichen Gesamtbedarf. Obwohl sie es besser wissen, teilen sie diesen angeblichen Gesamtbedarf den Leistungsträgern mit, die in der Folge ihrerseits Leistungen auf die entsprechende Summe deckeln.

Allerdings hat die Evolution noch keine Menschen, somit auch weder behinderte Assistenznehmerinnen und -nehmer noch Assistentinnen und Assistenten mit "Stand-by-Schalter" hervorgebracht. Auch die Zeit zwischen den einzelnen Verrichtungen leben AssistenznehmerInnen und AssistenzgeberInnen. Es ist wohl keiner Assistenzperson zuzumuten, wegen einer Viertelstunde nach Hause zu gehen oder diese Zeit unbezahlt beim behinderten Menschen zu bleiben und darauf zu warten, dass der nächste Einsatz erfolgt. Was würde wohl der Fahrer des Ministers sagen, der seinen Chef zu einer Sitzung fährt, dort drei Stunden warten muss und diese Zeit nicht als Arbeitszeit angerechnet bekommt? Und was der Sachbearbeiter des Sozialhilfeträgers, der eine halbe Stunde vor dem Gerichtstermin bereits beim Sozialgericht eintrifft und mit der Wartezeit eventuelle Überstunden "abfeiern" muss?

Nach unserer Auffassung haben viele Menschen mit Assistenzbedarf diesen "rund um die Uhr", von folgenden Ausnahmen abgesehen:

  • Der individuelle behinderungsbedingte Bedarf ist tatsächlich entsprechend niedrig
  • ein Angehöriger oder eine sonstige "nahe stehende Person" übernimmt regelmäßig an einzelnen Tagen oder Uhrzeiten die Assistenz oder
  • der behinderte Mensch erklärt ausdrücklich, dass er zu bestimmten Zeiten auf die Assistenz verzichtet.

Jede andere Betrachtungsweise dient ausschließlich der Kosteneinsparung zu Lasten eines menschenwürdigen Daseins des behinderten Antragstellers.

Barbara Windbergs von WüSL e.V. hat einmal treffend formuliert:

"Assistenz bedeutet für uns

  • auf die Toilette zu können, wenn man den Drang verspürt, nicht eine oder zwei Stunden später - und das auch nachts essen und trinken zu können, wenn man Hunger oder Durst hat oder wenn es aus gesundheitlichen Gründen regelmäßig erforderlich ist
  • sich hinlegen bzw. aufstehen zu können, wenn man müde oder erschöpft ist
  • nachts gedreht zu werden, wenn man Schmerzen hat und nicht etwa nach einem festgelegten Plan
  • die Nase putzen zu können, wenn es nötig ist, auch alle drei Minuten, wenn man Schnupfen hat
  • sich zu kratzen, wenn es juckt
  • die Wohnung verlassen zu können, zum Einkaufen, zum Arzt- oder Therapiebesuch, zu beruflicher oder ehrenamtlicher Tätigkeit, zu Behördengängen, zum Spazieren gehen, zur Teilnahme am sozialen und kulturellen Leben der Gesellschaft, zum Besuch von Verwandten und Freunden und zur Gestaltung der Freizeit.

Assistenz bedeutet also, gleichberechtigt am Leben in der Gemeinschaft teilhaben zu können, wie es für jeden nicht behinderten Menschen selbstverständlich ist."

Diese Assistenz zu erschweren oder gar zu verhindern, steht im krassen Gegensatz zu all den schönen Worten, die uns aus der Politik erreichen.

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