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Urteil 027

Az.: 22 K 1487/94

Abschrift

Verwaltungsgericht Düsseldorf

IM NAMEN DES VOLKES

URTEIL

In dem verwaltungsgerichtlichen Verfahren

des Herrn Rainer Hekers,
Am Schellberg 30, 47249 Duisburg,

- Kläger -

Prozessbevollmächtigte:
Rechtsanwältin Carla Susen, Bregenzer Straße 52 a, 47249 Duisburg,

gegen

den Direktor des Landschaftsverbandes Rheinland,
Kennedy-Ufer 2, 50679 Köln, (Gz.: 73.30-494 698/7),

- Beklagter -

wegen

Sozialhilfe – Eingliederungshilfe hier: Hilfe zur Beschaffung eines Kraftfahrzeuges

hat die 22. Kammer des Verwaltungsgerichts Düsseldorf auf die mündliche Verhandlung

vom 12. August 1997

durch

Vorsitzende Richterin am Verwaltungsgericht Kirchhof,
Richterin am Verwaltungsgericht Baumanns,
Richter am Verwaltungsgericht Klein,
ehrenamtlichen Richter Manfred Lorentschat,
ehrenamtliche Richterin Petra Pollmann

für Recht erkannt:

Der Beklagte wird unter Aufhebung seines Bescheides vom 9. Oktober 1992 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17. Januar 1994 verpflichtet, über den Antrag des Klägers auf Hilfe zur Beschaffung eines Kraftfahrzeuges vom 5. März 1992 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu entscheiden; im übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens, für das Gerichtskosten nicht erhoben werden, tragen die Beteiligten je zur Hälfte.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar, für den Kläger gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 2.100,-- DM.

Tatbestand :

Der am 26. September 1946 geborene Kläger ist infolge eines Unfalles seit 1966 querschnittgelähmt mit Teillähmung beider Arme sowie vollständiger Lähmung beider Beine, der Blase und des Mastdarmes. Er ist schwerbehindert mit einem Grad der Minderung der Erwerbsfähigkeit von 100 % und bezieht eine Erwerbsunfähigkeitsrente. Seit der im Jahre 1991 erfolgten Gründung des Vereins „Die Anderen e.V. Duisburg", der im Vereinsregister des Amtsgerichts Duisburg unter dem Geschäftszeichen 23 VR 3083 eingetragen ist, ist der Kläger Geschäftsführer dieses Vereins.

Mit Schreiben vom 5. März 1992 beantragte er beim Beklagten die Übernahme der Kosten für die Anschaffung eines Kraftfahrzeuges des Typs VW Caravelle-Bus in Höhe von 46.749,12 DM sowie der Kosten für den behindertengerechten Umbau dieses KFZ (Anbringung einer Teleskoprampe, Halterung für Elektrorollstuhl u.ä.) in Höhe von 15.504,-- DM aus Mitteln der Sozialhilfe. Zur Begründung führte er aus, nur ein eigenes Fahrzeug garantiere seine Selbständigkeit und gebe ihm die Möglichkeit zur Teilnahme am kulturellen Leben, da ihm aufgrund seiner Behinderung die Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel nicht möglich und er auch ständig auf eine Pflegeperson angewiesen sei. Seinen 12 Jahre alten VW-Bus habe er verschrottet, weil er die anfallenden Reparaturkosten nicht mehr habe aufbringen können. In seiner Not habe er einen Bus geleast, um weiterhin mobil sein zu können. Die monatlichen Leasingraten von 500,-- DM könne er aufgrund seiner finanziellen Situation aber nicht länger tragen.

Mit Schreiben vom 11. August 1992 begründete er seinen Antrag ergänzend wie folgt: Der VW-Bus, für dessen Anschaffung er die Hilfe beantragt habe, sei für ihn erforderlich und sinnvoll, da er ständig auf einen Elektrorollstuhl angewiesen sei und daher ein Fahrzeug benötige, in das er mit dem Rollstuhl hineinfahren könne und in dem er genügend Platz zum Rangieren habe. Außerdem müsse gewährleistet sein, daß die Rückenlehne seines Rollstuhls nach hinten geklappt werden könne, wenn plötzlich eine Rückenlage zum Ablauf des Blaseninhaltes notwendig werden, was häufig vorkomme. Wegen der Schwere seiner Behinderung könne er das Fahrzeug nicht selber führen, sondern müsse sich von seiner Ehefrau oder von Bekannten fahren lassen. Er benötige das Fahrzeug vor allem für seine ehrenamtliche Tätigkeit als Geschäftsführer des Vereins „Die Anderen e.V. Duisburg", der es sich zum Ziel gesetzt habe, verschiedene Randgruppen der Gesellschaft, z.B. Behinderte und Ausländer, so zusammenzuführen, daß sie sich gegenseitig unterstützen und helfen können. Zu seinen Aufgaben als Geschäftsführer dieses Vereins gehöre die Pflege des Kontakts zu Behörden, Parteien sowie anderen Vereinen und Verbänden, die Koordination von Mitgliederwerbungen und Spendenaktivitäten, der Aufbau eines eigenen Büros mit angrenzendem Kommunikationszentrum sowie die Herausgabe eines Informationsblattes und einer Zeitschrift.

Mit Bescheid vom 9. Oktober 1992 lehnte der Beklagte den Antrag des Klägers auf Übernahme der Kosten für die Anschaffung eines KFZ und dessen Umbau mit folgender Begründung ab: Hilfe zur Beschaffung eines KFZ werde als Maßnahme der Eingliederungshilfe gewährt, wenn ein Behinderter zum Zweck seiner Eingliederung – vor allem in das Arbeitsleben – auf die Benutzung eines KFZ angewiesen sei. Da der Kläger nicht berufstätig sei, könne die Notwendigkeit eines KFZ aus beruflichen Gründen nicht anerkannt werden. Auch zur Haushaltsführung sei ein eigenes KFZ für den Kläger nicht erforderlich, da der Haushalt durch seine Ehefrau versorgt werden könne. Fahrten zum Arzt oder zu ärztlich verordneten Maßnahmen könnten die Notwendigkeit der Anschaffung eines KFZ ebenfalls nicht begründen, da hierfür die Zuständigkeit des Krankenversicherungsträgers gegeben sei, sofern ein Behinderter nicht in der Lage sei, öffentliche Verkehrsmittel zu benutzen. Allein zur Teilnahme am Leben in der Gemeinschaft sei ein KFZ nicht erforderlich, da Fahrten zu diesem Zweck nicht so regelmäßig durchzuführen seien wie Fahrten zum Arbeitsplatz und der Kläger daher auf die Benutzung des Rollstuhls bzw. der Inanspruchnahme des Behindertenfahrdienstes verwiesen werden könne. Auch für seine Tätigkeit im Verein „Die Anderen" sei der Kläger nicht zwingend auf ein KFZ angewiesen, da er einen erheblichen Teil der Vereinstätigkeit sicherlich am Vereinssitz, bei dem es sich um seine Wohnungsanschrift handele, wahrnehmen könne. Im übrigen sei es Sache des Vereins selbst, die Mittel zur Durchführung der Vereinsaufgaben bereitzustellen.

Gegen diesen Bescheid legte der Kläger mit Schriftsatz vom 6. November 1992 Widerspruch ein, zu dessen Begründung er im wesentlichen geltend machte, er benötige das beantragte KFZ zum Aufsuchen von Ärzten, Therapeuten und ärztlich verordneten Maßnahmen, ferner zur Teilnahme an kulturellen Veranstaltungen, Weiterbildungen und politischen Aktivitäten. Außerdem suche er auch eine neue berufliche Herausforderung, die er ohne KFZ ebenfalls nicht errechen könne.

Mit Widerspruchsbescheid vom 17. Januar 1994 wies der Beklagte den Widerspruch des Klägers zurück. Zur Begründung wiederholte er die im Ausgangsbescheid dargelegten Gründe und führte ergänzend aus, der durchaus verständliche Wunsch des Klägers, seinen Aktionsradius mit Hilfe eines ihm ständig zur Verfügung stehenden KFZ weiter auszudehnen, rechtfertige im Hinblick auf die damit verbundenen unvertretbaren Mehrkosten die Gewährung einer Beihilfe zur Beschaffung eines KFZ nicht. Außerdem sei die Hilfe nach § 8 Abs. 3 der Eingliederungshilfe-Verordnung in der Regel davon abhängig, daß der Behinderte das KFZ selbst bedienen könne, was hier nicht der Fall sei.

Der Kläger hat am 8. Februar 1994 Klage erhoben, zu deren Begründung er vorträgt, seine Tätigkeit für den Verein „Die Anderen", die er zwischenzeitlich noch erweitert habe, habe sich generell verändert und sei im wesentlichen nur noch im Zusammenhang mit der Fördergemeinschaft zu betrachten. Es treffe auch nicht zu, daß er die Vereinsaufgaben überwiegend von zu Hause aus wahrnehmen könne, da Vereinsarbeit aich immer an verschiedenen Orten und zu unterschiedlichen Zeiten abspiele. Der Verein sei finanziell nicht in der Lage, die Kosten der Anschaffung eines KFZ auch nur teilweise zu übernehmen. Da Wohnort und Vereinssitz nicht mehr identisch seien und er, der Kläger, an den Werktagen außer mittwochs in den Vereinsräumen seiner Tätigkeit nachgehe sowie viele Außentermine wahrnehme, bedürfe er nicht nur gelegentlich, sondern ständig eines KFZ. Außerdem entfalte er Aktivitäten im politischen und gesellschaftlichen Bereich, die er ebenfalls nur mit Hilfe eines KFZ aufrechterhalten könne. Die Häufigkeit seiner Fahrten sei nicht geringer, als wenn er das KFZ für die Fahrt zum Arbeitsplatz benötigte. Ihm könne nicht zugemutet werden, mit seinem Elektrorollstuhl bei Wind und Wetter von seiner Wohnung in die Stadt oder zu anderen Zielen zu fahren. Auch der städtische Behindertenfahrdienst stelle keine annehmbare Alternative zum eigenen KFZ dar, da man ihn nur zu bestimmten Zeiten und für bestimmte Fahrten sowie mit einer Voranmeldung von wenigstens zehn Tagen in Anspruch nehmen könne. Weiche man auf andere Behindertenfahrdienste innerhalb der freien Wohlfahrtspflege aus, so müsse man für eine Fahrt von nicht mehr als 50 km bis zu 150,-- DM bezahlen, wozu er finanziell nicht in der Lage sei. Außerdem sei die Anschaffung eines eigenen KFZ – langfristig betrachtet - wirtschaftlich günstiger als die ständige Benutzung des Behindertenfahrdienstes. Öffentliche Verkehrsmittel könne er wegen der Schwere seiner Behinderung nicht in Anspruch nehmen. Aus demselben Grund sei er selbst zur Bedienung eines KFZ nicht in der Lage. Dieser Umstand schließe die Gewährung der beantragten Hilfe zur Beschaffung eines KFZ jedoch nicht aus, da seine Ehefrau jederzeit bereitstehe, um ihn zu fahren.

Der Kläger beantragt,

den Beklagten unter Aufhebung seines Bescheides vom 9. Oktober 1992 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17. Januar 1994 zu verpflichten, ihm Hilfe zur Beschaffung eines Kraftfahrzeuges zu gewähren.

Der Beklagte hat schriftsätzlich beantragt,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung nimmt er Bezug auf die angegriffenen Bescheide und trägt ergänzend vor, ein Anspruch auf Hilfe zur Beschaffung eines KFZ, das einem anderen Zweck als der Eingliederung in das Arbeitsleben dienen solle, komme nur dann in Betracht, wenn eine Notwendigkeit der Benutzung des KFZ zu diesem Zweck ständig, nicht nur vereinzelt und gelegentlich bestehe. Das sei bei dem Kläger im Hinblick auf seine Tätigkeit für den Verein „Die Anderen" nicht der Fall. Denn diese Tätigkeit, die größtenteils am Wohnsitz des Klägers erfolge, nehme nicht einen solchen Umfang ein, daß der Kläger zur Eingliederung in die Gesellschaft auf die Benutzung eines KFZ angewiesen sei.

Das Gericht hat den Kläger in der mündichen Verhandlung zu den Zielen und Aktivitäten des Vereins „Die Anderen" sowie zum Inhalt und Umfang seiner Arbeit für diesen Verein befragt. Wegen des Ergebnisses der Anhörung wird auf die Sitzungsniederschrift vom 12. August 1997 sowie wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes ergänzend auf den Inhalt der Gerichtsakten, der beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Beklagten und der Registerakten des Amtsgerichts Duisburg – 23 VR 3083 - Bezug genommen.

Entscheidungsgründe :

Die Klage ist als Verpflichtungsklage zulässig und in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang auch begründet.

Der Kläger hat einen Anspruch darauf, daß über seinen mit Schreiben vom 5. März 1992 gestellten Antrag auf Gewährung von Hilfe zur Beschaffung eines KFZ unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut entschieden wird, weil die Ablehnung dieses Antrages durch den Bescheid des Beklagten vom 9. Oktober 1992 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17. Januar 1994 zwar rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, die Sache aber nicht dergestalt spruchreif ist, daß der Beklagte zur Gewährung der im Antrag vom 5. März 1992 konkret bezeichneten Leistung verpflichtet werden könnte (vgl. § 113 Abs. 5 Satz 2 der Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO).

Der Ablehnungsbescheid des Beklagten in der Gestalt des Widerspruchsbescheides ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten. Vorbehaltlich der vom Beklagten noch nicht abschließend geprüften Frage, ob und gegebenenfalls in welchem Umfang dem Kläger und seiner Ehefrau die Aufbringung der Mittel für die Anschaffung eines KFZ aus ihrem Einkommen und Vermögen zuzumuten ist (§ 28 Abs. 1 Satz 1 des Bundessozialhilfegesetzes – BSHG), steht dem Kläger dem Grunde nach ein Anspruch auf Bewilligung von Hilfe zur Beschaffung eines KFZ zu, wobei es im Ermessen des Beklagten liegt, in welcher Form er diesen Anspruch erfüllt.

Der Anspruch des Klägers ergibt sich unter dem Gesichtspunkt der Eingliederungshilfe aus §§ 39, 40 Abs. 1 Nr. 2 BSHG in Verbindung mit § 8 der Verordnung nach § 47 BSHG (Eingliederungshilfe-Verordnung) in der Fassung der Bekanntmachung vom 1. Februar 1975 (BGBl. I S. 433).

Für die Beantwortung der Frage, ob ein Anspruch auf Versorgung mit einem Hilfsmittel (§ 40 Abs. 1 Nr. 2 BSHG) von längerer Gebrauchsdauer besteht, kommt es abweichend von dem Grundsatz, daß für die gerichtliche Überprüfung von Bescheiden, durch die eine Sozialhilfeleistung abgelehnt worden ist, die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung maßgeblich ist, auf die tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse im Zeitpunkt der (letzten) tatrichterlichen Entscheidung an, wenn der Hilfesuchende das Hilfsmittel für einen in der Zukunft hieinreichenden Bedarfszeitraum begehrt und der Sozialhilfeträger die Gewährung des Hilfsmittels für die Dauer dieses Zeitraumes abgelehnt hat.

Vgl. Bundesverwaltungsgericht (BVerwG), Urteil vom 31. August 1995 – 5 C 9.94 -, Fürsorgerechtliche Entscheidungen der Verwaltungs- und Sozialgerichte (FEVS), Band 46, S. 221 (226 f.).

So verhält es sich hier. Der Kläger will das KFZ, zu dessen Beschaffung er Hilfe begehrt, ersichtlich über einen Zeitraum von mehreren Jahren benutzen, und der Beklagte hat die Gewährung der Hilfe dem Grunde nach und damit für die gesamte Dauer des voraussichtlichen Nutzungszeitraumes abgelehnt.

In dem danach für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung sind die Voraussetzungen der §§ 39, 40 Abs. 1 BSHG, 8 Eingliederungshilfe-Verordnung erfüllt.

Nach § 39 Abs. 1 Satz 1 BSHG ist Personen, die nicht nur vorübergehend körperlich, geistig oder seelisch wesentlich behindert sind, Eingliederungshilfe zu gewähren. Der Kläger ist nicht nur vorübergehend körperlich wesentlich behindert, weil seine Bewegungsfähigkeit durch eine Beeinträchtigung des Stütz- oder Bewegungsystems infolge seiner Querschnittlähmung in erheblichem Umfange eingescränkt ist (vgl. § 1Satz 2 Nr. 1Eingliederungshilfe-VO) und diese Einschränkung dauerhaft besteht.

Maßnahmen der Eingliederungshilfe sind nach § 40 Abs. 1 Nr. 2 BSHG vor allem – unter anderem – die Versorgung mit Körperersatzstücken sowie mit orthopädischen oder anderen Hilfsmitteln. Satz 1 des § 8 Abs. 1 Eingliederungshilfe- VO bestimmt, daß die Hilfe zur Beschaffung eines Kraftfahrzeuges als Hilfe im Sinne des § 40 Abs. 1 Nr. 2 BSHG gilt. Diese Hilfe wird nach Satz 2 der genannten Vorschrift in angemessenem Umfange gewährt, wenn der Behinderte wegen der Art und Schwere seiner Behinderung zum Zwecke seiner Eingliederung, vor allem in das Arbeitsleben, auf die Benutzung eines KFZ angewiesen ist (Merkmal der Notwendigkeit).

Die Versorgung eines Behinderten mit einem KFZ ist also nicht ohne weiteres möglich. Hinsichtlich des Eingliederungszwecks wird durch die Verwendung des Tatbestandsmerkmal „vor allem in das Arbeitsleben" deutlich gemacht, daß hierin der Schwerpunkt der Versorgung mit einem KFZ liegt. Sind damit andere Gründe zwar nicht von vornherein ausgeschlossen, so müssen sie jedoch mindestens vergleichbar gewichtig sein. Dazu gehört – wie aus der Bezeichnung des Hauptzwecks geschlossen werden darf – auch, daß die Notwendigkeit der Benutzung ständig, nicht nur vereinzelt und gelegentlich besteht.

BVerwG, Urteil vom 27. Oktober 1977 – V C 15.77 -, FEVS 26, S. 89 (92); ebenso Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen (OVG NW), Urteil vom 25. März 1991 – 24 A 1423/88 -, FEVS 43, S. 251 (256), sowie Urteil vom 24. Februar 1997 – 24 A 3029/96 -, S. 14 des amtlichen Umdrucks.

Bei Anlegung dieses Maßstabes steht dem Kläger ein Anspruch auf Hilfe zur Beschaffung eines KFZ zu, weil er für seine Tätigkeit als Geschäftsführer des Vereins „Die Anderen e. V. Duisburg" ähnlich wie ein Arbeitnehmer, der ein KFZ zum Erreichen des Arbeitsplatzes benötigt, ständig auf die Benutzung eine KFZ angewiesen ist, vor allem um von seiner Wohnung zum Geschäftslokal des Vereins und wieder zurück zu gelangen, sowie darüber hinaus auch zur Wahrnehmung von Terminen bei Behörden und Verbänden, etwa bei der Stadt Duisburg oder bei dem Beklagten.

Der Kläger hat in der mündlichen Verhandlung ausgeführt, daß er seine Tätigkeit als Geschäftsführer des Vereins ungefähr seit 1993 nicht mehr, wie noch in den ersten Jahren nach der Vereinsgründung, überwiegend in seiner Wohnung bzw. von der Wohnung aus ausübt, sondern daß der Verein seit dieser Zeit über einen eigenen Büroraum auf der Bregenzer Straße in Duisburg-Buchholz verfügt und daß er seine Arbeit dort verrichtet. Zu diesem Zwecke halte er sich mit Ausnahme von mittwochs nahezu jeden Tag zwischen fünf und sieben Stunden dort auf. Die Angaben, daß der Verein inzwischen ein Geschäftslokal unterhält, wird im übrigen bestätigt durch ein in den Registerakten des Amtsgerichts Duisburg enthaltenes Schreiben des Vereinsvorstandes an das Gericht vom 21. Dezember 1995, in dem als neue Postanschrift des Vereins mitgeteilt wird: Bregenzer Straße 43. Auch ist aus den Registerakten ersichtlich, daß ganz überwiegend der Kläger für den Verein den Schriftverkehr führt.

Den weiteren Angaben des Klägers zufolge, an deren Richtigkeit zu zweifeln die Kammer keinen Anlaß hat, ist der Verein von zunächst 12 oder 13 Mitgliedern mittlerweile auf rund 100 Mitglieder angewachsen, hat in Duisburg einen gewissen Bekanntheitsgrad erlangt und sich im Bereich der Beratung und Betreuung von Behinderten etabliert. Mit Rücksicht auf diese Umstände erscheint es plausibel und sachlich gerechtfertigt, daß der Verein einen eigenen Büroraum angemietet hat, weil der Kläger die umfangreicher gewordene Vereinsarbeit in seiner Wohnung und ohne erhebliche Beeinträchtigung seiner Privatsphäre nicht mehr bewältigen konnte. Mit der räumlichen Trennung von Wohnung und Vereinsbüro hat sich jedoch – im Unterschied zu der bei Erlaß der angegriffenen Bescheide bestehenden Sachlage – für den Kläger die Notwendigkeit ergeben, die Strecke zwischen Wohnung und Büro zweimal an jedem „Arbeitstag", also insgesamt acht- bis zehnmal wöchentlich, zurückzulegen. Insofern unterscheidet sich die Situation des Klägers nicht wesentlich von derjenigen eines berufstätigen Behinderten, der zum Erreichen seines Arbeitsplatzes auf die Benutzung eines KFZ angewiesen ist. Auch im Hinblick auf den zeitlichen Umfang von 40 bis 50 Stunden pro Woche, wie der Kläger in der mündlichen Verhandlung erklärt hat, ist seine Arbeit als Vereinsgeschäftsführer mit einer beruflichen Tätigkeit durchaus vergleichbar.

Der Kläger ist zur regelmäßigen, nämlich nahezu täglichen, Überwindung der Entfernung zwischen seiner Wohnung und dem Vereinsbüro auf die Benutzung eines KFZ angewiesen. Daß er zu diesem Zweck nicht auf seinen Elektrorollstuhl als Beförderungsmittel verwiesen werden kann, liegt angesichts der Länge der Strecke von drei bis vier Kilometern und der Tatsache, daß der Rollstuhl gegen Regen und Kälte keinen bzw. nur unzureichenden Schutz bietet, auf der Hand. Auch öffentliche Verkehrsmittel kann der Kläger nicht benutzen, da zwischen seiner Wohnung und der Bregenzer Straße ausweislich des Stadtplans lediglich ein Omnibus verkehrt und er mit seinem Rollstuhl nicht in einen Bus hineinfahren kann. Schließlich kann dem Kläger auch nicht angesonnen werden, für die Fahrten zwischen Wohnung und Büro den Behindertenfahrdienst in Anspruch zu nehmen. Sofern der Fahrdienst überhaupt für nahezu jeden Tag durchzuführende Fahrten zur Verfügung steht, entspricht diese Möglichkeit jedenfalls nicht den Bedürfnissen des Klägers, weil die Beförderungswünsche jeweils eine gewisse Zeit im voraus angemeldet werden müssen, der Kläger jedoch nicht immer vorhersehen kann, wie lange seine Anwesenheit im Vereinsbüro erforderlich sein wird, wann er also die Rückfahrt zu seiner Wohnung antreten kann. Im übrigen dürfte die Benutzung des Behindertenfahrdienstes durch den Kläger für etwaige Mitfahrer und für ihn selbst unzumutbar sein, weil er infolge der Lähmung von Blase und Mastdarm unkontrolliert einnässt und einkotet. Vor allem aber würde die tägliche Inanspruchnahme des Behindertenfahrdienstes über einen Zeitraum, der der Nutzungsdauer eines KFZ entspricht, voraussichtlich höhere Kosten verursachen als die Beschaffung eines eigenen KFZ für den Kläger. Da auch die Kosten für den Fahrdienst im Rahmen der Eingliederungshilfe zu übernehmen sein dürften, schließt bereits das Gebot, unverhältnismäßige Mehrkosten zu vermeiden (vgl. § 3 Abs. 2 Satz 3 BSHG), die Benutzung des Fahrdienstes als Beförderungsalternative aus.

Ist der Kläger danach bereits für die nahezu tägliche Fahrt von seiner Wohnung zum Vereinsbüro und zurück auf die Benutzung eines KFZ angewiesen, so kann dahingestellt bleiben, ob allein die Termine bei Behörden und Verbänden, die der Kläger in seiner Eigenschaft als Vereinsgeschäftsführer wahrnimmt, die Notwendigkeit der Versorgung mit einem KFZ zu begründen vermöchten. Jedenfalls erhöhen diese Außentermine noch den Beförderungsbedarf des Klägers und rechtfertigen die Feststellung, daß er zur Erfüllung seiner Aufgaben als Geschäftsführer – sowohl in den Vereinsräumen als auch an anderen Orten – auf die Benutzung eines KFZ angewiesen ist. Um zu Ämtern und sonstigen Einrichtungen zu gelangen wird der Kläger aus den oben dargelegten Gründen in der Regel ebenso wenig auf andere Beförderungsmittel verwiesen werden können wie für die Überwindung der Distanz zwischen Wohnung und Büro.

Der Gewährung von Hilfe zur Beschaffung eine KFZ steht die Vorschrift des § 8 Abs. 3 Eingliederungshilfe-VO hier nicht entgegen. Danach ist diese Hilfe in der Regel davon abhängig, daß der Behinderte das KFZ selbst bedienen kann, was bei dem Kläger nicht der Fall ist. Diese Regelung soll gewährleisten, daß das Hilfsmittel „KFZ" dem Behinderten wirklich zur Verfügung steht, daß mit diesem Hilfsmittel in der Person des Behinderten der Behinderung im Sinne des Zwecks der Eingliederungshilfe entgegengewirkt und daß das Hilfsmittel nicht zweckentfremdet wird.

BVerwG, Urteil vom 27. Oktober 1977 – V C 15.77 -, a.a.O., S. 93; OVG NW, Urteil vom 25. März 1991 – 24 A 1423/88 -, a.a.O., S. 256.

Die Erreichung der genannten Ziele ist hier gewährleistet, da die Ehefrau des Klägers bereit und in der Lage ist, den Kläger zu fahren, so daß das Hilfsmittel KFZ auch tatsächlich und ausschließlich dem Kläger im Sinne seiner Eingliederung in die Gesellschaft zugute kommt. Insofern ist hier eine Ausnahme von der Regel des § 8 Abs. 3 Eingliederungshilfe-VO geboten.

Weil schließlich die Aussicht besteht, daß durch die Bereitstellung eines KFZ die Aufgabe der Eingliederungshilfe erfüllt werden kann, nämlich die Folgen der Behinderung des Klägers gemildert werden können und er in die Gesellschaft eingegliedert, ihm insbesondere eine angemessene und seinem Leben Sinn gebende Tätigkeit ermöglicht werden kann (vgl. § 39 Abs. 3 und 4 BSHG), kann er von dem Beklagten dem Grunde nach Hilfe zur Beschaffung eines KFZ beanspruchen. Dieser Anspruch ist auch nicht durch den Grundsatz des Nachranges der Sozialhilfe (§ 2 Abs. 1 BSHG) im Hinblick darauf ausgeschlossen, daß es – wie der Beklagte meint – zunächst Aufgabe des Vereins „Die Anderen" sei, dem Kläger die erforderlichen Mittel zur Wahrnehmung seiner Geschäftsführertätigkeit zur Verfügung zu stellen. Nach der vom Kläger in der mündlichen Verhandlung geschilderten finanziellen Situation des Vereins ist dieser ersichtlich nicht in der Lage, die erheblichen Mittel für die Anschaffung eines den behinderungsbedingten Bedürfnissen des Klägers entsprechenden KFZ aufzubringen.

Allerdings kann die Kammer nicht die Verpflichtung des Beklagten aussprechen, dem Kläger diejenigen Leistungen zu grwähren, die dieser mit Schreiben vom 5. März 1992 beantragt hat: einen Betrag von 46.749,12 DM für den Kauf eines KFZ des Typs VW Caravelle-Bus sowie einen Betrag von 15.504.-- DM für den Umbau dieses KFZ. Denn für die Erfüllung des dem Grunde nach bestehenden Anspruchs „auf ein Fahrzeug" kommen neben der vom Kläger favorisierten Möglichkeit der Übernahme der Kosten für die Anschaffung eines neuen KFZ und dessen Umbau noch weitere Modalitäten in Betracht, z.B. Anschaffung eines gebrauchten Fahrzeuges,Leasing oder Stellung eines Leihwagens. Die Auswahl zwischen diesen Möglichkeiten steht im Ermessen des Beklagten, in das das Gericht nicht eingreifen darf. Selbst wenn der Beklagte sich dafür entscheidet, dem Kläger den Kauf eines neuen KFZ zu ermöglichen, stellt sich noch die Frage, ob nicht auch ein im Vergleich zu einem VW-Bus preisgünstigeres Fahrzeug als Transportmittel für den Kläger geeignet ist. Aus diesen Gründen kann nur ein Bescheidungsurteil ergehen und der darüber hinausgehende Verpflichtungsantrag keinen Erfolg haben.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 155 Abs. 1 Satz 1, 188 Satz 2 VwGO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 167 VwGO in Verbindung mit § 709 Satz 1 der Zivilprozessordnung.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen dieses Urteil kann innerhalb eines Monats nach Zustellung die Zulassung der Berufung beantragt werden. Über den Antrag entscheidet das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen in Münster.

Die Berufung ist nur zuzulassen,

  1. wenn ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils bestehen,
  2. wenn die Rechtssache besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten aufweist,
  3. wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
  4. wenn das Urteil von einer Entschedung des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen, des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der Obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
  5. wenn ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.

Der Antrag ist bei dem Verwaltungsgericht Düsseldorf (Bastionstraße 39, 40213 Düsseldorf oder Postfach 20 08 60, 40105 Düsseldorf) zu stellen. Er muss das angefochtene Urteil bezeichnen. In dem Antrag sind die Gründe, aus denen die Berufung zuzulassen ist, darzulegen.

Bei der Antragstellung muß sich jeder Beteiligte durch einen Rechtsanwalt oder Rechtslehrer an einer deutschen Hochschule als Bevollmächtigten vertreten lassen. Juristische Personen des öffentlichen Rechts und Behörden können sich auch durch Beamte oder Angestellte mit Befähigung zum Richteramt sowie Diplomjuristen im höheren Dienst vertreten lassen. In Angelegenheiten der Kriegsopferfürsorge und des Schwerbehindertenrechts sowie der damit in Zusammenhang stehenden Angelegenheiten des Sozialhilferechts sind als Prozeßbevollmächtigte auch Mitglieder und Angestellte von Vereinigungen der Kriegsopfer und Behinderten zugelassen, sofern sie kraft Satzung oder Vollmacht zur Prozeßvertretung befugt sind. In Abgabenangelegenheiten sind als Prozeßbevollmächtigte auch Steuerberater und Wirtschaftsprüfer zugelassen. In Angelegenheiten der Beamten und der damit in Zusammenhang stehenden Sozialangelegenheiten sowie in Personalvertretungsangelegenheiten sind als Prozeßbevollmächtigte auch Mitglieder und Angestellte von Gewerkschaften zugelassen, sofern sie kraft Satzung oder Vollmacht zur Vertretung befugt sind.

Die Antragsschrift soll möglichst dreifach überreicht werden.

Kirchhof                                                         Baumanns                                                    Klein

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