Kommt endlich in die Pötte!
Gedanken zum Jahreswechsel
Seit ich den Staffelstab des Vorsitzenden von meiner verstorbenen Frau Elke Bartz und deren Stellvertreterin Isolde Hauschild übernom-men habe, sind diese Texte zum Jahreswechsel von der Erwartung geprägt, dass Deutschland im kommenden Jahr das gegebene Versprechen einlöst. Mit der Unterschrift unter dem Übereinkommen über die Rechte von Menschen mit Behinderungen, landläufig Behindertenrechtskonvention oder kurz BRK genannt, erhielt das Versprechen Gesetzesrang. Dies geschah am 26.03.2009, somit vor nahezu sechs Jahren. Alle Gesetze müssen seither nach dem Grundsatz "lex poste-rior derogat legi priori" im Lichte des neueren Gesetzes BRK interpretiert werden. Alte Gesetze müssen aktualisiert werden, neue Gesetze dürfen nur dann in Kraft treten, wenn sie konventionskonform gestaltet werden. Letzteres durfte erst einmal betrachtet werden, als der Gesetzgeber bei der Novellierung des Conterganstiftungsgesetzes beispielsweise festgestellt hat, dass die Einkommensbeteiligung nicht zuzumuten und die Vermögensbeteiligung eine Härte im Sinne des Gesetzes darstellt. Es geht doch! Wenn man will!
Folgenlose Rechte!?
Menschen mit Behinderungen freuten sich riesig, als1994 unser Grundgesetz Artikel 3 um den Satz "Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden" erweitert wurde. Und wie frustriert waren wir, als Gesetzgeber und Juristen selbst aus unseren eigenen Reihen uns erklärten, dass dies für uns zu keinen Verbesserungen führen würde. Gleiches im Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz: Konnten wir doch im ersten Paragrafen bereits lesen, "Ziel des Gesetzes ist, Benachteiligungen aus Gründen der Rasse oder wegen der ethnischen Herkunft, des Geschlechts, der Religion oder Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Identität zu verhindern oder zu beseitigen." Auch hier zeigte der Gesetzgeber keinerlei Ambitionen, die vielfältigen Benachteiligungen, denen Menschen mit Behinderungen oft von Amts wegen ausgesetzt sind, durch Anpassungen seiner Gesetze zu beseitigen.
Das Bundesverfassungsgericht sorgt für Klarheit
Im Herbst dieses Jahres stellte das Bundesverfassungsgericht in einer Entscheidung fest: "Das Benachteiligungsverbot des Art. 3 Abs. 3 Satz 2 GG erschöpft sich nicht in der Anordnung, Menschen mit und ohne Behinderung rechtlich gleich zu behandeln. Vielmehr kann eine Benachteiligung auch vorliegen, wenn die Lebenssituation von Menschen mit Behinderung im Vergleich zu derjenigen nicht behinderter Menschen durch gesetzliche Regelungen verschlechtert wird, die ihnen Entfaltungs- und Betätigungsmöglichkeiten vorenthalten, welche anderen offenstehen." Deutlicher geht es nicht mehr, wenigstens für mich als Nichtjuristen. Auch zur Anwendung der BRK äußerten sich die Karlsruher Richter, diese könne "als Auslegungshilfe für die Bestimmung von Inhalt und Reichweite der Grundrechte herangezogen werden". Meiner Meinung nach sollte nicht "könne" sondern "müsse" dort zu lesen sein (lex posterior …). Ich hoffe jedoch, dass ein derartiges "könne" aus Karlsruhe durchaus als Aufforderung zu verstehen ist.
Denn noch immer herrscht große Not:
- Nach wie vor werden von Sozialhilfeträgern Verrichtungen gelistet und die Zeitsumme daraus als Bedarf ausgewiesen. Das ist zwar total lebensfremd, soll jedoch Kosten sparen. Ein Mensch mit Assistenzbedarf hat diesen in der Regel 24 Stunden am Tag. Er kann seine Behinderung schließlich nicht abschalten. Da es nicht als Vorzug empfunden wird, ständig Dritte um sich zu haben, werden Arbeiten, bei denen dies möglich ist, zusammengefasst. Einige Menschen verzichten gar zu bestimmten Tageszeiten auf Assistenz, das "Mehr an Privatheit" bezahlen sie selbst durch Verlust von Sicherheit. Dieses darf jedoch nicht vom Kostenträger gefordert werden. Erst eine planbare Anwe-senheit der Assistenz ermöglicht ein Selbstbestimmtes Leben.
- Eine Person, die durchaus einen Anspruch auf eine 24-Stunden-Assistenz hätte, verzichtet zugunsten der Privatsphäre auf 12 Stunden. Erleichtert wird dieser Verzicht durch eine freundliche Nachbarschaft. Da die Eltern der Person über eine Autostunde entfernt und Freunde über Deutschland verteilt wohnen, fallen bei Reisen Übernachtungen an. Zunächst verweigerte das Sozialamt den Mehrbedarf total. Die Assistenzpersonen sollten diese zwangsläufig anfallenden Mehrstunden unentgeltlich leisten. In einem gerichtlichen Vergleich wurde nun festgelegt, dass maximal 22 Tage im Jahr auswärts übernachtet werden darf. Dies stellt nach unserer Ansicht einen massiven Eingriff in die persönliche Freiheit dieser Person dar. Sie braucht schließlich keine Unterstützung für sich selbst, sondern macht nur einen erhöhten Bedarf an Assistenzstunden geltend. Hätte sie von vorn herein auf eine 24-Stunden-Assistenz bestanden, würde ihr nicht vom Gericht vorgeschrieben, an wieviel Tagen sie Zuhause übernachten muss.
- Nach wie vor müssen behinderte Menschen mit Assistenzbedarf Teile ihres Einkommens und Ver-mögens gesetzeskonform und willkürlich für ihren erforderlichen Nachteilsausgleich hergeben. Will-kürlich auch deshalb, weil feste Freibeträge alleine an der Pflegestufe III festgemacht werden. Nach wie vor unterstützt der Gesetzgeber das Bedürftigkeitsdenken in den deutschen Amtsstuben. Men-schen mit Assistenzbedarf müssen erst arm sein und es auch bleiben, damit sie den Nachteilsausgleich für sich in Anspruch nehmen können. Wo soll hier der Anreiz zur Berufsausbildung und Studium herkommen? Wie soll man unter diesen Umständen Partnerschaften schließen können? Selbst wenn dies gelänge, wer möchte seine/n Partner/in der fiskalischen Sippenhaftung in die Arme und damit in die Armut treiben? Auch hier sind wir von unseren Menschenrechten noch weit entfernt. Diese diskriminierende Abschreckung vor der Inanspruchnahme der gesetzlichen Rechte lässt sich unser Staat ganz schön was kosten. Bei der ständigen Überwachung der Einkommen und Vermögen legte der Staat seit Dezember 2011 laut der ForseA-Verschwendungsuhr nunmehr schon über 1,5 Milliarden Euro drauf (am 31.12.2014 um 8:38 Uhr genau eine Milliarde, 504 Millionen, 896 Tausend und 904 Euro.
- Ein Landeswohlfahrtsverband (LWV) deckelte den Stundensatz für eine Arbeitsassistenz, die er stellvertretend für die Deutsche Rentenversicherung (DRV) abwickeln soll, auf 12,60 Euro. Darin wären alle Lohnnebenkosten (Arbeitgeberanteile, Urlaub, Feiertage etc.) enthalten. Dass sich daraus nicht mal acht Euro Bruttostundenlohn ergeben, kümmert den LWV offenbar nicht. Auch nicht, dass der von der DRV mit Beiträgen geförderte Umbau des Arbeitsplatzes ohne Assistenz nicht besetzt werden kann. Das i-Tüpfelchen: Die gesetzlichen Umlagen zum Ausgleich von Entgeltfortzahlungen und Mutterschutzkosten möchte der LWV auch nicht erstatten, diese wären schließlich vom Arbeitgeber alleine zu tragen. Diese Aussage ist zwar richtig, bezieht sich jedoch ausschließlich darauf, dass die Arbeitnehmer keinen Anteil daran tragen müssen. Arbeitgeberaufwendungen sind dagegen immer Assistenzkosten!
- Behinderte Menschen mit Assistenzbedarf sind in ihrer Freizügigkeit wesentlich eingeschränkt. So-bald Sie den Wohnsitz wechseln, geht die gesamte Antragsprozedur von vorne los. Das macht es erforderlich, dass der betroffene Mensch, wenn er auf Nummer Sicher gehen muss - er kann ja nicht über Monate oder Jahre in Vorleistung gehen - zunächst eine Feststellungsklage gegen den ange-peilten neuen Wohnort einreichen muss. Damit schafft man sich sofort Freunde! Die Kommunen auf der anderen Seite verhindern den Zuzug von Menschen mit Behinderungen, indem sie sich bei bar-rierefreiem Wohnraum sehr zurückhaltend geben.
Gleiche GrundrechteGeht man davon aus, dass alle Menschen mit den gleichen Grundrechten geboren werden, gilt es, die-jenigen zu finden, die uns diese Rechte einschränken, sobald wir aufgrund von Behinderungen Nach-teilsausgleiche in Anspruch nehmen müssen. Diese Menschen müssten eigentlich hart bestraft werden, schließlich unterliegen Grundrechte nicht der Beliebigkeit.
Eine Frage der Solidarität
Abschließend noch ein paar Sätze zur Solidarität mit behinderten Menschen und unter behinderten Menschen. Durch die Verweigerung des Gesetzgebers, die Behindertenrechtskonvention der Vereinten Natio
|
|
Gedanken zum Jahreswechsel 2014/2015 |
|
|
|
|
Kommt endlich in die Pötte!
Gedanken zum Jahreswechsel
Seit ich den Staffelstab des Vorsitzenden von meiner verstorbenen Frau Elke Bartz und deren Stellvertreterin Isolde Hauschild übernommen habe, sind diese Texte zum Jahreswechsel von der Erwartung geprägt, dass Deutschland im kommenden Jahr das gegebene Versprechen einlöst. Mit der Unterschrift unter dem Übereinkommen über die Rechte von Menschen mit Behinderungen, landläufig Behindertenrechtskonvention oder kurz BRK genannt, erhielt das Versprechen Gesetzesrang. Dies geschah am 26.03.2009, somit vor nahezu sechs Jahren. Alle Gesetze müssen seither nach dem Grundsatz "lex posterior derogat legi priori" im Lichte des neueren Gesetzes BRK interpretiert werden. Alte Gesetze müssen aktualisiert werden, neue Gesetze dürfen nur dann in Kraft treten, wenn sie konventionskonform gestaltet werden. Letzteres durfte erst einmal betrachtet werden, als der Gesetzgeber bei der Novellierung des Conterganstiftungsgesetzes beispielsweise festgestellt hat, dass die Einkommensbeteiligung nicht zuzumuten und die Vermögensbeteiligung eine Härte im Sinne des Gesetzes darstellt. Es geht doch! Wenn man will!
Folgenlose Rechte!?
Menschen mit Behinderungen freuten sich riesig, als1994 unser Grundgesetz Artikel 3 um den Satz "Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden" erweitert wurde. Und wie frustriert waren wir, als Gesetzgeber und Juristen selbst aus unseren eigenen Reihen uns erklärten, dass dies für uns zu keinen Verbesserungen führen würde. Gleiches im Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz: Konnten wir doch im ersten Paragrafen bereits lesen, "Ziel des Gesetzes ist, Benachteiligungen aus Gründen der Rasse oder wegen der ethnischen Herkunft, des Geschlechts, der Religion oder Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Identität zu verhindern oder zu beseitigen." Auch hier zeigte der Gesetzgeber keinerlei Ambitionen, die vielfältigen Benachteiligungen, denen Menschen mit Behinderungen oft von Amts wegen ausgesetzt sind, durch Anpassungen seiner Gesetze zu beseitigen.
Das Bundesverfassungsgericht sorgt für Klarheit
Im Herbst dieses Jahres stellte das Bundesverfassungsgericht in einer Entscheidung fest: "Das Benachteiligungsverbot des Art. 3 Abs. 3 Satz 2 GG erschöpft sich nicht in der Anordnung, Menschen mit und ohne Behinderung rechtlich gleich zu behandeln. Vielmehr kann eine Benachteiligung auch vorliegen, wenn die Lebenssituation von Menschen mit Behinderung im Vergleich zu derjenigen nicht behinderter Menschen durch gesetzliche Regelungen verschlechtert wird, die ihnen Entfaltungs- und Betätigungsmöglichkeiten vorenthalten, welche anderen offenstehen." Deutlicher geht es nicht mehr, wenigstens für mich als Nichtjuristen. Auch zur Anwendung der BRK äußerten sich die Karlsruher Richter, diese könne "als Auslegungshilfe für die Bestimmung von Inhalt und Reichweite der Grundrechte herangezogen werden". Meiner Meinung nach sollte nicht "könne" sondern "müsse" dort zu lesen sein (lex posterior …). Ich hoffe jedoch, dass ein derartiges "könne" aus Karlsruhe durchaus als Aufforderung zu verstehen ist.
Denn noch immer herrscht große Not:
- Nach wie vor werden von Sozialhilfeträgern Verrichtungen gelistet und die Zeitsumme daraus als Bedarf ausgewiesen. Das ist zwar total lebensfremd, soll jedoch Kosten sparen. Ein Mensch mit Assistenzbedarf hat diesen in der Regel 24 Stunden am Tag. Er kann seine Behinderung schließlich nicht abschalten. Da es nicht als Vorzug empfunden wird, ständig Dritte um sich zu haben, werden Arbeiten, bei denen dies möglich ist, zusammengefasst. Einige Menschen verzichten gar zu bestimmten Tageszeiten auf Assistenz, das "Mehr an Privatheit" bezahlen sie selbst durch Verlust von Sicherheit. Dieses darf jedoch nicht vom Kostenträger gefordert werden. Erst eine planbare Anwesenheit der Assistenz ermöglicht ein Selbstbestimmtes Leben.
- Eine Person, die durchaus einen Anspruch auf eine 24-Stunden-Assistenz hätte, verzichtet zugunsten der Privatsphäre auf 12 Stunden. Erleichtert wird dieser Verzicht durch eine freundliche Nachbarschaft. Da die Eltern der Person über eine Autostunde entfernt und Freunde über Deutschland verteilt wohnen, fallen bei Reisen Übernachtungen an. Zunächst verweigerte das Sozialamt den Mehrbedarf total. Die Assistenzpersonen sollten diese zwangsläufig anfallenden Mehrstunden unentgeltlich leisten. In einem gerichtlichen Vergleich wurde nun festgelegt, dass maximal 22 Tage im Jahr auswärts übernachtet werden darf. Dies stellt nach unserer Ansicht einen massiven Eingriff in die persönliche Freiheit dieser Person dar. Sie braucht schließlich keine Unterstützung für sich selbst, sondern macht nur einen erhöhten Bedarf an Assistenzstunden geltend. Hätte sie von vorn herein auf eine 24-Stunden-Assistenz bestanden, würde ihr nicht vom Gericht vorgeschrieben, an wieviel Tagen sie Zuhause übernachten muss.
- Nach wie vor müssen behinderte Menschen mit Assistenzbedarf Teile ihres Einkommens und Vermögens gesetzeskonform und willkürlich für ihren erforderlichen Nachteilsausgleich hergeben. Willkürlich auch deshalb, weil feste Freibeträge alleine an der Pflegestufe III festgemacht werden. Nach wie vor unterstützt der Gesetzgeber das Bedürftigkeitsdenken in den deutschen Amtsstuben. Menschen mit Assistenzbedarf müssen erst arm sein und es auch bleiben, damit sie den Nachteilsausgleich für sich in Anspruch nehmen können. Wo soll hier der Anreiz zur Berufsausbildung und Studium herkommen? Wie soll man unter diesen Umständen Partnerschaften schließen können? Selbst wenn dies gelänge, wer möchte seine/n Partner/in der fiskalischen Sippenhaftung in die Arme und damit in die Armut treiben? Auch hier sind wir von unseren Menschenrechten noch weit entfernt. Diese diskriminierende Abschreckung vor der Inanspruchnahme der gesetzlichen Rechte lässt sich unser Staat ganz schön was kosten. Bei der ständigen Überwachung der Einkommen und Vermögen legte der Staat seit Dezember 2011 laut der ForseA-Verschwendungsuhr nunmehr schon über 1,5 Milliarden Euro drauf (am 31.12.2014 um 8:38 Uhr genau eine Milliarde, 504 Millionen, 896 Tausend und 904 Euro.
- Ein Landeswohlfahrtsverband (LWV) deckelte den Stundensatz für eine Arbeitsassistenz, die er stellvertretend für die Deutsche Rentenversicherung (DRV) abwickeln soll, auf 12,60 Euro. Darin wären alle Lohnnebenkosten (Arbeitgeberanteile, Urlaub, Feiertage etc.) enthalten. Dass sich daraus nicht mal acht Euro Bruttostundenlohn ergeben, kümmert den LWV offenbar nicht. Auch nicht, dass der von der DRV mit Beiträgen geförderte Umbau des Arbeitsplatzes ohne Assistenz nicht besetzt werden kann. Das i-Tüpfelchen: Die gesetzlichen Umlagen zum Ausgleich von Entgeltfortzahlungen und Mutterschutzkosten möchte der LWV auch nicht erstatten, diese wären schließlich vom Arbeitgeber alleine zu tragen. Diese Aussage ist zwar richtig, bezieht sich jedoch ausschließlich darauf, dass die Arbeitnehmer keinen Anteil daran tragen müssen. Arbeitgeberaufwendungen sind dagegen immer Assistenzkosten!
- Behinderte Menschen mit Assistenzbedarf sind in ihrer Freizügigkeit wesentlich eingeschränkt. Sobald Sie den Wohnsitz wechseln, geht die gesamte Antragsprozedur von vorne los. Das macht es erforderlich, dass der betroffene Mensch, wenn er auf Nummer Sicher gehen muss - er kann ja nicht über Monate oder Jahre in Vorleistung gehen - zunächst eine Feststellungsklage gegen den angepeilten neuen Wohnort einreichen muss. Damit schafft man sich sofort Freunde! Die Kommunen auf der anderen Seite verhindern den Zuzug von Menschen mit Behinderungen, indem sie sich bei barrierefreiem Wohnraum sehr zurückhaltend geben.
Gleiche Grundrechte
Geht man davon aus, dass alle Menschen mit den gleichen Grundrechten geboren werden, gilt es, diejenigen zu finden, die uns diese Rechte einschränken, sobald wir aufgrund von Behinderungen Nachteilsausgleiche in Anspruch nehmen müssen. Diese Menschen müssten eigentlich hart bestraft werden, schließlich unterliegen Grundrechte nicht der Beliebigkeit.
Eine Frage der Solidarität
Abschließend noch ein paar Sätze zur Solidarität mit behinderten Menschen und unter behinderten Menschen. Durch die Verweigerung des Gesetzgebers, die Behindertenrechtskonvention der Vereinten Nationen umzusetzen, hat unter den Menschen mit Behinderung ein Rennen um die Rechte eingesetzt. Wie bereits im Aufsatz Vorfahrt für Partikularinteressen? beschrieben, werden die durchsetzungsstarken behinderten Menschen ihre Chance suchen, ihre Belange durchzudrücken. Auf der Strecke bleiben dann andere, die heute schon der behördlichen Gewalt ungeschützt ausgeliefert sind. Dies kann nicht richtig sein. Denn wie schon in dem Artikel beschrieben, füllt man eine Grube von unten her auf. Derzeit ist jedoch eine Absetzbewegung zu beobachten. Viele dieser durchsetzungsstarken Menschen würden gerne einen Deckel über die Grube legen, um im Bild zu bleiben. Aber mit der Verweigerung der Solidarität nach "unten" laufen sie Gefahr, der Forderung nach Solidarität von "oben" die Grundlage zu entziehen.
Rechtsfragen
Nicht nur der Gesetzgeber, auch Behörden und Gerichte müssen die BRK ständig in ihre Überlegungen einbeziehen. Allerdings zeigt es sich, dass lediglich die Rechtsprechung bislang dieser Pflicht nachkommt. Behörden lehnen sich zurück und verweisen auf die (untätige) Bundesregierung, die immer neue Möglichkeiten findet, die Umsetzung der BRK zu verzögern. Dadurch nehmen Bürgerinnen und Bürger unseres Landes Schaden, da sie in einen unnötigen, kosten- und zeitintensiven Rechtsstreit gezwungen werden. Sie haben jedoch sehr oft kein Geld und keine Zeit, ihr Bedarf ist drängend. Dies ist den Behörden bekannt und die Not dieser Menschen wird in Kauf genommen, um den eigenen Haushalt – wenigstens für die Zeit der Auseinandersetzung – vor diesen Ausgaben zu schonen. Für mich hat das neben der strafrechtlichen Komponente auch haftungsrechtliche Konsequenzen. Die Dienstherren dieser Sachbearbeiterinnen und Sachbearbeiter müssen über kurz oder lang damit rechnen, dass diese Frage entsprechend dem Oderwitzurteil geklärt wird. Nach diesem Urteil haften Amtsleiter mit ihrem Privatvermögen für Haftungsschäden, die unter ihrer Leitung verursacht werden.
Sofortiger Handlungsbedarf
Die Große Koalition ist gerade ein Jahr im Amt und hat die Umsetzung der Behindertenrechtskonvention bereits an das Ende der Legislatur geschoben. Dies dürfen wir nicht hinnehmen, denn von dort zum Verschieben in die nächste Legislaturperiode ist dann nur ein winziger Schritt. Alle Tagungen, Ermittlungen, Bestandsaufnahmen erfüllen nur den Zweck, Zeit zu schinden. Alle Entscheidungsgrundlagen liegen längst vor. Es bedarf nur noch des Handelns.
Auch wir gehören dazu!
Die Bundeskanzlerin und ihre Sozialministerin haben einen Amtseid geleistet. "Ich schwöre, dass ich meine Kraft dem Wohle des deutschen Volkes widmen, seinen Nutzen mehren, Schaden von ihm wenden, das Grundgesetz und die Gesetze des Bundes wahren und verteidigen, meine Pflichten gewissenhaft erfüllen und Gerechtigkeit gegen jedermann üben werde." Behinderte Menschen mit Assistenzbedarf sind hier nicht ausgeschlossen!
Hören wir endlich damit auf, uns auseinanderdividieren zu lassen. Nur durch gemeinsames Handeln mit Forderungen, die von allen getragen werden können, erzeugen wir den Druck, den wir brauchen, um unsere Vorstellungen von der Umsetzung der Behindertenrechtskonvention der Vereinten Nationen in die Gesellschaft zu tragen.
Wir wünschen allen Mitgliedern, Freundinnen und Freunden unseres Vereines ein gesundes, friedliches, schönes Jahr 2015. Uns allen wünschen wir, dass wir in einem Jahr davon berichten können, dass sich unsere Probleme in der Auflösung befinden und dass wir stets die richtigen Assistentinnen und Assistenten finden.
Silvester 2014
Gerhard Bartz, Vorsitzender ForseA e.V.
|
|
|
| |
|
|
|
|